Kapitel 9

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"Alter, dein Ernst jetzt? Woher weißt du, wieviel man für nen Blowjob verlangen kann?! Hannah, wir sind doch Freunde, was verheimlichst du mir?", neckte sie mich.

Shit. Wie soll ich mich da jetzt wieder rausreden? "Nichts, Amalia, wirklich. Das war doch nur so geraten, ich hab keine Ahnung, wie viel so was kostet, abgesehen davon habe ich in meinem ganzen Leben noch nie jemandem-" Ich wurde von einem Klopfgeräusch an meiner Tür unterbrochen. 

"Amalia, warte mal kurz. Ja?", fügte ich etwas lauter hinzu. "Hannah?" - Das war Johannes, eindeutig. - "Kann ich reinkommen, Kleine?" Ich seufzte laut. "Amalia, wir reden wann anders nochmal ausführlich, mein Bruder nervt.", erklärte ich dem iPhone an meinem Ohr, obwohl ich Hannes noch nie als nervig empfunden hatte. 

"Oh", machte sie enttäuscht. "Bis dann...", sagte ich noch und legte mit Gewissensbissen aber irgendwie auch erleichtert auf. Dann wandte ich mich wieder der Tür zu, die Tristan vor knapp einer halben Stunde abgeschlossen hatte. "Johannes, was ist? So dringend, dass ich mit Amalias Gespräch aufhören musste?", maulte ich. "Ja, Hannah! Deine Gesundheit ist mir wichtiger! Komm schon, mach auf, wir wollen das doch in Ruhe klären", bat er. "Den Schlüssel hat Tristan", erklärte ich genervt,  "Okay, bin sofort wieder da, Rapunzel!"

Eine halbe Minute später hörte ich Schritte und dann das bekannt Klappern im Schlüsselloch. Mein Lieblingsbruder Johannes steckte seinen braunen Lockenschopf in mein unaufgeräumtes Zimmer. Er trat ein und schloss die Tür wieder. Wie ein Kleinkind hopste er auf mein Bett und setzte sich neben mich. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich ihn an. 

"Wie alt bist du? Sechs oder sechsundzwanzig?" Er grinste und zog dann eine dümmlich sabbernde Babygrimasse. Er kratzte sich am Kopf und lallte: "A-hainz?" Ich verdrehte die Augen. Sofort war seine spielerische Miene verschwunden und wich einer belustigten. Er stupste mich sanft in die Seite. "Hey! Lach gefälligst über meine unlustigen Witze." "<Witz> ist schon eine Beleidigung für das", korrigierte ich. 

"Jaja, schon verstanden, ich bin uncool, aber jetzt lass uns über die wichtigen Dinge reden." 

Er räusperte sich. "Also, was hast du schon wieder angestellt?", fragte er gespielt streng. "Schon wieder?", fragte ich entrüstet über Johannes' scheinbares Bild von mir.

,,Hat Tristan dir noch nicht alle Einzelheiten gepetzt?" fragte ich ihn wieder genervt, als er nichts sagte.  "Natürlich! Er hat mir alles bis aufs kleinste Detail weitergegeben." antwortete er ironisch gemeint und verdrehte die Augen, ich sah beschämt auf den Boden. 

,,Natürlich nicht, Hannah. Ich habe nur gefragt, was hier abgeht, schließlich hätte ich nicht so ein Ramba-Zamba erwartet, als ich euch besuchen wollte, Tristan meinte, dass du mir das am besten erklären kannst. So, aber jetzt will ich sie von dir hören. Die Wahrheit. Die ganze." er hatte nicht Unrecht damit, dass ich eigentlich den Grund für das alles kennen sollte, jedoch wusste ich nicht einmal selbst, wieso ich das getan hatte. 

Ich schwieg. "Hannes, ich... ich will nicht..." Ich war so überfordert mit allem, dass ich urplötzlich in Tränen ausbrach. "Hannes... ich kann nicht... bitte." Er sagte nichts, sondern nahm mich nur in die Arme und wiegte mich immer weiter hin und her, bis meine Tränen versiegt waren und ich mich wieder beruhigt hatte. 

"Hannah, was ist los?", fragte er sanft und leise. "Warum tust du das? Wenn du reden willst, dann sag's mir, du weißt doch, dass ich immer für dich da bin." Ich nickte bloß an seine Brust gelehnt. Nach einer Weile sagte er: "Hörst du sie, Hanni?" Er war der Einzige, der mich so nannte. "Wen denn?", fragte ich verwundert. "Tristan und Mama. Wie sie streiten." Ich lauschte den Geräuschen, die ich bis jetzt erfolgreich verdrängt hatte.

"Sie braucht ganz offensichtlich Hilfe!" Das war Tristan. "Dann mach doch was! Du bist doch Arzt!" Mama. "Ich bin aber kein Psychiater!", schrie Tristan nun. Wow, dass er sich mal wegen mir mit seiner geliebten Mutter anlegen würde, hätte ich nun echt nicht gedacht und  sie anscheinend auch nicht. 

"Wie redest du denn mit mir?! Ich bin immer noch deine Mutter, ich habe hier das Sagen!" 

"Du bist vielleicht meine Mutter, aber ich habe mir das nicht ausgesucht! Außerdem heißt das für mich nur, dass du jämmerliche zwanzig Jahre älter bist als ich! Und du wirst dich jetzt verdammt nochmal um Hannah sorgen, da ganz offensichtlich etwas mit ihr nicht stimmt und das nicht erst seit heute."

"Einen Scheiß werde ich tun für dieses undankbare Stück! Mach das doch selber, wenn's dir so wichtig ist, deiner Halbschwester zu helfen! Ihr geht's gut, wird sie dir auch erzählen! Los, geh doch hin und frag sie!" Erschrocken zuckte ich zusammen, als Johannes' warme Finger über meinen Arm strichen.

 "Guck, wie er sich für dich einsetzt, Hanni. Du bist uns nicht egal. Du bist toll. Du brauchst dich nicht selbst zu verletzen, dazu gibt es keinen Anlass." "Doch, Hannes. Sehr, sehr viele Anlässe", flüsterte ich kaum hörbar. "Nein, Hannah, gibt es nicht." "Versuch nicht, mir etwas einzureden, das gar nicht stimmt! Du weißt nicht mal, dass ich die letzten drei Jahre einen Freund hatte! Du weißt gar nichts von meinem Leben", rutschte es mir versehentlich raus. 

"Dann klär mich auf, Hannah", sagte er ganz ruhig, "ich möchte doch nur verstehen, was du fühlst und nachvollziehen können, was du durchgemacht hast."

FuckedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt