Zu oft schon hatte ich über das Ritzen in Blogs gelesen, um nicht zu wissen, wie es ging. Ich hatte mich schon öfter selbst verletzt, doch noch nie mit einer Klinge. Wenn ich wütend auf mich selbst gewesen war, hatte ich mir mit den Fingernägeln über den Arm gekratzt, einmal bin ich mit der Bastelschere ausgerutscht und ich habe gemerkt, dass es guttut, sich zu bestrafen.
All diese Angewohnheiten hatte ich mir schnell wieder abgewöhnt, da Amalia mich einmal in der neunten Klasse gefragt hatte, woher die Kratzer auf meinem Arm kamen, nachdem ich mich gekratzt hatte wegen einem Streit mit Steffen.
Schnell und ohne zu überlegen zog ich die Klinge über meine frisch gewaschene Haut und spürte das Blut kaum, das aus der Wunde trat. Noch immer fühlte ich nichts als Leere.
Wo blieb das Gefühl, von dem ich schon so oft gelesen hatte? Es tat nicht gut, wie ich es erwartet habe und es war nicht wie mit den Fingernägeln. Es war kein bisschen so wie Bestrafung, ich spürte mehr Schmerz als Genugtuung.
In meiner Verzweiflung zog ich die Klinge immer und immer wieder über meine Brust und sah kaum noch etwas, da mir die Tränen die Sicht verschleierten und sich bereits schwarze Punkte in mein Sichtfeld schoben. Wie von Sinnen fuhr ich immer weiter fort, das Wort von meiner Haut zu entfernen.
Es tat unglaublich weh und brannte , es war kein bisschen, wie ich es erwartet hatte.
Aber der Schmerz konnte immer noch nicht meiner gebrochenen Seele das Wasser reichen, also machte ich immer weiter und schrie laut bei jedem weiteren Schnitt in mein Fleisch.
Auf einmal wurde mir eisig kalt, ich ließ die blutüberströmte Klinge fallen und schrie noch ein letztes Mal laut auf, bevor die Schwärze der Ohnmacht mich komplett umhüllte.
Ich erwachte durch das Bollern gegen die Badezimmertür. „Hannah? Hannah! Du bist schon so lange da drin! Hannah?!" Es war Anne, meine kleine Schwester. Ich darf nicht zulassen, dass sie mich so sieht, dachte ich, doch war zu schwach um aufzustehen. Auf dem Boden hatte sich bereits eine Blutlache gebildet.
Draußen schien Anne durchzudrehen... „Tristan! Tristaaan? Hannah macht nicht auf! Irgendwas stimmt nicht mit ihr!", schluchzte und schrie sie. Ich hörte Schritte, die sich beschleunigten. „Hannah?" Als Tristan keine Reaktion von mir bekam, trat er die Tür ein. „Anne! Ruf einen Krankenwagen!", schrie er. „Aber das Telefon ist doch kaputt", schluchzte sie wieder. „Dann such mein Handy!" Antwortete er ihr. Panisch rannte sie weg.
,,Hannah? Hannah!" Er rüttelte mich immer und immer wieder, dann drückte er ein Handtuch auf meine Brust, um die Blutung zu stoppen. Es war das erste Mal, dass er mir keine Vorwürfe machte. Als er bemerkte, dass ich längst wieder bei Bewusstsein war, sagte er: ,,Drück weiter das Handtuch drauf." Und stand auf, um etwas Verbandähnliches zu suchen. ,,Tristan bitte! Bitte ruf keinen Krankenwagen!", schluchzte ich, doch er ging nur kopfschüttelnd weg. Während er versuchte, die Schnitte zu verarzten, fragte er mich ungläubig: ,,Wolltest du dich umbringen oder was!?" Er hatte Tränen in den Augen, als er mich ansah.
"Selbst wenn! Würde dich das interessieren?", fragte ich und schrie ihn schon fast an. "Das fragst du noch?" "Ich wollte mich nicht umbringen, ich bin total ausgetickt", sagte ich. Ich hätte nicht erwartet, dass er so ausflippen würde, dass es ihn überhaupt interessieren würde.
Er glaubte mir nicht. Er half mir, mich aufzurichten und trug mich dann in mein Zimmer. Dort angekommen fing er an, wie ein Wahnsinniger alles in eine Kiste zu packen, von dem er dachte, ich könnte mich damit aufschlitzen.
Dann schloss er die Tür ab, nachdem er rausgegangen war. Man hörte, wie er zu Anne sagte, dass es mir nicht gut ginge. "Kann ich zu ihr?", fragte sie. Doch er antwortete ihr nicht. Ich musste dringend mit Amalia sprechen, doch ich hatte kein Telefon oder Handy. Ich blendete aus, was ich mir selbst gerade erst angetan hatte, tief in meinem Inneren wusste ich, dass es keinen unpassenderen Zeitpunkt gab, um erst einmal mit Amalia zu quatschen.
Mir fiel sofort ein, dass ich noch ein nagelneues iPhone hatte, das mir Steffen mal geschenkt hatte, als wir noch zusammen waren. Er wollte es nicht wieder zurücknehmen. Er hatte mir versichert, dass ein erbärmliches Stück wie ich es besser brauchen konnte als er. Dann hat er noch gelacht und mich einfach stehen gelassen. Ich hatte das Handy in der Schublade meiner Unterwäsche verstaut und es seitdem nie wieder betrachtet.
Noch etwas benommen kroch ich vom Bett zu meinem Schrank. Ich nahm das Handy aus meiner Schublade, es hatte tatsächlich noch Akku, da ich es heruntergefahren hatte. Ich tippte Amalias Nummer ein, doch hatte keine Ahnung, was ich ihr eigentlich sagen wollte, vielleicht wollte ich auch einfach nur ihre Stimme hören, damit wieder etwas Normalität einkehrte.
Sie ging sofort ran und begann damit, mir alles bis aufs kleinste Detail von ihrem neuen Typen zu erzählen, den sie auf einem Faschingsumzug total betrunken kennengelernt hatte. Ich musste mir eine halbe Stunde lang alles von seinem langen Schwanz bis wie oft sie ihm einen geblasen hatte anhören.
"Haha ich bin schon echt so eine richtige Nutte! Fehlt nur noch, dass ich von den Typen Geld verlange!" Sie lachte sich über ihren Witz schlapp. "Was meinst du könnte ich für einen Blowjob verlangen?", fragte sie. "50€, aber damit kommst du nicht überall gut an, also manchmal auch 35, 40", platzte es aus mir heraus. "What the fuck, woher weißt du denn sowas? Wer hat dich denn schon gefickt? Das mit dem Geld verlangen abgesehen davon ein Witz", sie lachte, war aber trotzdem etwas verwundert. "Haha, ja, ich hab auch nur gescherzt, keine Ahnung woher ich das weiß, ich hab wohl zu viele Dokus geguckt...!", lachte ich gekünstelt zurück, da mir nichts besseres einfiel. Ich war so eine scheiß Lügnerin.
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Fucked
Teen Fiction'Mir geht es gut, ich habe das alles hinter mir gelassen', sage ich, aber meine Vergangenheit verfolgt mich und zerfrisst mich. Mir geht es nicht gut, ich kann nicht mehr. Die 17 jährige Hannah scheint nach außen hin wie ein gewöhnliches junges Mäd...