Ich zuckte nur mit den Schultern und lächelte stumm. Nein, mir geht es nicht gut!, schrie mein Verstand. Aber das musste das glückliche Pärchen vor mir ja nicht wissen. ,,Schön, das freut mich", sagte Lene mit warmer Stimme, auch wenn ich das Gefühl hatte, sie wusste, dass es mir nicht gut ging.
,,Was wir dir mitgebracht haben, wird dich noch viel mehr freuen", frohlockte Tristan und zog langsam den wunderschönen, riesigen, regenbogenfarbenen Blumenstrauß hinter seinem Rücken hervor. Lene konnte wahrscheinlich gar nicht sehen, wie glücklich Tristan sie ansah, weil der Strauß sein ganzes Gesicht verdeckte. ,,Wow! Oh mein Gott, Tristan, du bist so süß! Danke danke danke!" Ich war mir fast sicher, sie würde gleich vor Freude weinen. ,,Gern geschehen, aber eigentlich war es Hannahs Idee."
,,Echt? Dann danke Hannah! Du bist total niedlich!" Lene war total aus dem Häuschen. ,,Ach, Lene. Ich muss dir noch was erzählen", sagte Tristan, wobei seine Stimme plötzlich fast schon wütend klang . ,,Was denn?!", fragte Lene besorgt und sah plötzlich ziemlich gestresst aus. Scheinbar hatte sie die Geburt doch noch nicht so ganz hundertprozentig weggesteckt, aber sowas passierte ja auch nicht grade mal so.
,,Unsere Mutter will Hannah nicht mehr bei sich haben. Hannah fühlt sich glaube ich grade nicht so gut, aber sie möchte nicht darüber reden, und darauf hat Mama keine Lust. Sich um sie zu kümmern, meine ich. Aber Hannah braucht Hilfe! Deshalb habe ich beschlossen, dass sie erstmal bei uns wohnt. Wir haben sie gestern Abend zu uns gebracht und sie hat sich im Gästezimmer eingerichtet. Aber wenn du das blöd findest, finden wir bestimmt jemand anderen, der auf sie aufpasst, bevor du wieder nach Hause kommst."
Lene blieb der Mund offen stehen. Mir fehlten genauso die Worte wie ihr, Tristan hatte mich gerade komplett blamiert auch wenn es nur Marlene war. ,,Was? Wie herzlos und gemein muss ein Mensch denn sein, so eine liebe und hilfsbedürftige Person wie dich, Hannah, einfach abzuschieben?!Das geht gar nicht! Und da fragst du noch, Tris? Hannah bleibt so lange bei uns, bis wir eurer Mutter gezeigt haben, wo's langgeht! " Sofort wurde mir wieder klar, warum ich Lene als eine nette Tante empfand. Sie war einfach zu gutmütig und freundlich, auch wenn sie mit meinen Eigenschaften maßlos übertrieb.
,,Danke, Lene", flüsterte ich mit erstickter Stimme.
,,Bedanke dich nicht bei mir, sondern beschwere dich bei deiner Mutter!" Ich sagte nichts weiter, da Lene auch keine Antwort zu erwarten schien. Tris und sie plauderten noch ein wenig darüber, wann Lene entlassen werden würde, oder darüber, wie sie ihren Sohn nennen sollten Martin wollten sie ihn am Ende nennen, damit er ein ,,lieber Mensch wie Sankt Martin wird", wie Lene es formulierte, während die anderen Namen wohl wenig Bedeutung hatten.
,,Ich habe das Gefühl, das sollte mich an irgendwas erinnern...", murmelte Tris geistesabwesend. ,,An was denn?", fragte ich und sah zu ihm auf. Er war der einzige, der immer noch stand, ich hatte mich schon nach ein paar Minuten zu Lene aufs Bett gesetzt, da mein Fuß nicht mehr mitgespielt hatte.
,,Martin... Kirche... Gemeindetreffen... Gemeindetreffen? Gemeindetreffen! Scheiße, Hannah, wir müssen los!", rief er und ich sah erschrocken auf die Uhr. Tatsächlich, es war schon 14:45 Uhr, Lene und Tris hatten ziemlich lange geredet. ,,Das fängt um fünfzehn Uhr an, oder, Hannah?!", fragte er entsetzt. ,,Ja", antwortete ich gelassen. Es war mir so egal, wann es stattfinden würde, ich wollte sowieso nicht hin. ,,Scheiße, wir müssen los, Hannah!", wiederholte er.
,,Wieso so eilig? Wenn ich fünf Minuten zu spät komme, juckt das doch eh niemanden", erwiderte ich. ,,Doch! Mama! Sie hat gesagt, sie wird immer anrufen, weißt du nicht mehr?" Sofort verwandelte sich meine Langeweile in Stress. ,,Lass uns sofort los, das schaffen wir noch rechtzeitig!", sagte ich, nahm meine Krücken und stand auf.
Neunundzwanzig Minuten und acht Sekunden später kamen Tris und ich in die große Kirchenhalle gehechtet und waren erleichtert, als wir sahen, dass wir pünktlich waren. ,,Hallo", keuchte Tristan. ,,Sie sind spät dran", tadelte der Pfarrer, den ich am wenigsten von allen leiden konnte.
,,Ich weiß", erwiderte Tristan, ,,Tut uns sehr leid. Wir haben meine Verlobte im Krankenhaus besucht, weil wir sehen wollten, wie es ihr geht, nachdem sie das Kind bekommen hat. Dabei haben wir ein bisschen die Zeit aus den Augen verloren, ich hoffe, Sie verstehen das", sagte Tristan. ,,Ach her je mine", sagte der Pfarrer gespielt entsetzt. ,,Und, geht es ihr und ihrem Kind gut?"
,,Ja, es ist alles bestens. Man wird noch sehen, wie sich unser Sohn Martin entwickelt. Er ist eine Frühgeburt, aber die Chancen stehen gut, dass er ganz normal wird leben können", erklärte er, als wäre er mit einer Krankheit auf die Welt gekommen. ,,Ich werde für den Kleinen beten. Jedes Kind wird von Gott geliebt, also machen Sie sich keine Sorgen, falls das Kind doch nicht kerngesund ist, was ich aber trotzdem aus tiefstem Herzen für Sie hoffe."
,,Dankeschön. Nun ja, ich verabschiede mich dann mal. Viel Spaß, Hannah, und bis später!", rief Tris mir zu. ,,Dir auch und bis später", erwiderte ich. ,,Dann lasst uns beginnen", sagte der Pfarrer an die Runde gewandt. ,,Heute werde ich die Gruppe nicht leiten , sondern die eigentliche Gruppenleiterin, die die letzten Male leider verhindert war." Ich stöhnte innerlich auf. Bestimmt war das so eine alte Omi, der wir zusätzlich zu den anderen alten Omis und Opas auch noch einen Kaffee kochen mussten. Ich hatte keine Lust, in ihr faltiges, schlabberndes Gesicht zu sehen, also setzte ich mich zu den anderen und ließ den Blick auf den Boden gesenkt. ,,Hallo", sagte eine Frauenstimme, die mir irgendwie bekannt vorkam.
,,Ich bin Frau Holzner", vollendete sie ihren Satz. Ich hatte das Gefühl, das auch der Name mir bekannt vorkommen sollte, aber wahrscheinlich war das nur ein seltsamer Zufall. Der Junge neben mir stieß mich an. Erschrocken sah ich zu ihm. ,,Die Alte glotzt dich die ganze Zeit an", bemerkte er.Als ich aufsah, wusste ich auch, warum.
,,Erna?", fragte ich unsicher. ,,Ja", gab sie zurück. Na, das konnte ja lustig werden. ,,Woher kennt ihr euch?", fragte ein Mädchen direkt neben Erna.
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Fucked
Teen Fiction'Mir geht es gut, ich habe das alles hinter mir gelassen', sage ich, aber meine Vergangenheit verfolgt mich und zerfrisst mich. Mir geht es nicht gut, ich kann nicht mehr. Die 17 jährige Hannah scheint nach außen hin wie ein gewöhnliches junges Mäd...