Routiniert ziehe ich eine Bahn nach der anderen. Es tut gut die Anspannung in meinen Armen zu spüren. Ich brauche diese Belastung einfach, die mir der Leistungssport gibt. Doch heute stimmt etwas nicht. Ich bin viel zu schnell müde und so schwimme ich nach einigen Bahnen an den Beckenrand. Ich war ausgepowert, in letzter Zeit trainiere ich mehr, zwar nur für mich, was aber bedeutet dass ich mir wahrscheinlich mehr zumute als es jeder Trainer tun würde. Aber so bin ich eben. Es ist schwer für mich einzusehen dass ich nicht mehr die gleichen Bestzeiten schwimme wie früher, aber das ist ja klar.
Ich glaube ich schlage mich so auch gut, für meine Verhältnisse, doch ich kann es einfach nicht lassen meine jetzigen Ergebnisse mit denen von vor zweieinhalb Jahren zu vergleichen.
Die Halle ist leer. Es ist ein kleineres Hallenbad und momentan ist es sechs Uhr am Morgen, ich trainiere immer um diese Zeit, da ich eben weiß dass ich das Becken dann für mich alleine habe. Zugegeben heute war Montag und montags kam ich nie in die Schwimmhalle, da ich da immer Physiotherapie habe aber seit letzter Woche ist das vorbei, zum Glück. Wie ich es immer gehasst habe ins Krankenhaus zu gehen und diese sinnlosen Übungen über mich ergehen zu lassen.
Plötzlich höre ich das unverkennbare Geräusch wenn jemand mit einem gezielten Kopfsprung in das Wasser eintaucht. Verwundert schaue ich mich um. Auf dem Wasser kann ich noch die Wellen erkennen wo gerade jemand hineingesprungen ist. Durch das klare Chlorwasser sehe ich schemenhaft eine männliche Gestalt, zwei Bahnen neben mir auf mich zukommen. Sofort werde ich unruhig. Nervös klammere ich mich an den Beckenrand. Die Gestalt schwimmt genau in meine Richtung. Es ist definitiv ein geübter Schwimmer, denn er taucht die ganze Bahn durch. Bis er zwei Bahnen neben mir auftaucht.
Ich höre dass er tief einatmet, vielleicht habe ich ihn ja doch überschätz. Mit Schwung schüttelt er seine Haare, kleine tropfen lösen sich von den einzelnen Strähnen und werden weggeschleudert. Er ist ganz sicher kein richtiger Schwimmer, denn dann hätte er auf jeden Fall nicht so lange Haare. Aber er sieht trainiert aus. Er ist ca. in meinem Alter, vielleicht ein zwei Jahre älter, muskulös, tätowiert und sieht wahrscheinlich richtig gut aus. Jetzt kann ich das nicht so genau beurteilen, da ich ihn ja nicht ganz sehe.
„Na gefällt dir was du siehst?", fragt er mich breit grinsend. Oh Mann ich hab ihn wirklich angestarrt! Normalerweise bin ich wirklich nicht so ein Mädchen was jedes Männliche Wesen das gerade kein T-Shirt trägt angafft. Aber er hatte was Besonders an sich.
Schnell schaue ich weg. Doch dann werde ich wütend. Das hier ist meine Zeit und meine Halle.
„Was machst du hier?", frage ich etwas genervt.
„Tja das gleiche könnte ich dich auch fragen.", gibt er lässig zurück.
„Was ich hier machen?! Ich trainiere immer um diese Zeit." Gelassen stützt er seine Hände auf die Leine im Wasser. „Das kann nicht sein, denn exakt um diese Zeit montags bin ich hier."
Das kann auch nur mir passieren. Was mach ich jetzt? Ich will auf keinen Fall hier bleiben aber ich kann auch nicht weg. Ich kann auf keinen Fall weg! Ich weiß nicht warum aber ich will ihm meine größte Schwachstelle nicht zeigen.
„Ich bleibe.", sage ich nur und schaue auf die Wasseroberfläche. Vermeide um jeden Prei Blickkontakt. „Tja, dann befinden wir uns in einer Zwickmühle. Aber ich glaube auf acht Bahnen ist Platzt genug für uns beide." Ich schaue in seine Augen.
Er kommt mir bekannt vor und bei genaueren hinschauen stutze ich. Ich bin mir zwar nicht sicher aber der Typ da vorne sieht Louis Tomlinson von One Direction ziemlich ähnlich. Ich bin mir sogar relativ sicher, dass er das ist. Nicht das ich jetzt ein riesen Fan oder so bin, denn das Gegenteil ist eher der Fall. Aber ich wohne in London und hab vor einigen Jahren auch mitverfolgt wie die Band entstanden ist. Damals gehörte ich zwar auch nicht zu den Mädchen die kreischend vor ihren Fernsehern gesessen sind und jeden Auftritt der Band süchtig entgegengefiebert haben. Aber ich kann mich noch gut an diese Zeit erinnern. Ich war immer schon anders wie alle anderen. Der Grund warum ich ihn überhaupt erkenne ist das ein gigantisches Plakat, auf dem die Band abgebildet ist, dass die gesamte Fassade des Hauses gegenüber meines Schlafzimmers bedeckt. So sehe ich jeden Morgen wenn ich aufstehe ihre gigantischen Gesichter. Deshalb bin ich mir auch zu 95% sicher, dass das Louis Tomlinson ist.
„Was ist aber wenn ich alleine sein will?" Ich will definitiv alleine sein. Ich will nicht vor einen anderen schwimmen. Das kann ich nicht.
„Dann schwimmen wir darum." Fragend schaue ich in seine grünblauen Augen. „Nur eine Länge, Freistil wenn das für dich okay ist. Wir starten vom Wasser aus. Wer zuerst den Rand berührt hat gewonnen. Ganz einfach."
Er meint das wirklich ernst. Was soll ich machen? Ich kann nicht einfach aus dem Wasser raus und wenn ich hier bleiben will dann muss ich auf diese bescheuerte Bedingung eingehen. Aber ich kann einfach nicht weg. Ich fühle mich gefangen wie ein Fisch in einem Teich, was je eigentlich auch genau auf mich zutrifft. Nach einigen Sekunden des Schweigens nicke ich. Er grinst und ist auch sofort in Startposition. Ich tute es ihm gleich. Es ist lange her dass ich ein Rennen geschwommen bin, auch wenn das hier nur ein kleiner unbedeutender Zweikampf ist. Mein Herz klopft mir bis zum Hals.
Zusammen zählen wir runter. „3..... 2........1..."
Und wir starteten. Ich kann mir denken mit welcher Kraft er sich mit seinen Beinen an der Wand abgestoßen hat. Das kann ich nicht. Doch meine Technik ist perfekt und ich bin im Training. Schnell und gleichmäßig ziehen meine Arme durchs Wasser. Ich wage keinen Blick zu meinem Gegner sondern konzentriere mich nur auf mich. Ich weiß dass meine Chancen gering sind. Wenn er wirklich öfters trainierte dann habe ich keine Chance zudem kommt heute noch dazu dass ich nicht fit bin. Meine Hand berührt den Beckenrand und ich schaue mich sofort um.
Der Typ war noch nicht da. Einige Atemzüge nach mir schlägt er auf den Beckenrand an. Ich habe gewonnen. Ein Grinsen stiehlt sich auf mein Gesicht. Ich habe wirklich gegen einen „Normalo" gewonnen. Er scheint gerade auch seine Niederlage zu realisieren, denn er hebt geschlagen die Hände: „Dann hab ich wohl verloren."
„Ja das hast du. Also gehört das Becken mir." Er zieht sich in einer flüssigen und eleganten Bewegung aus dem Wasser.
„Ich sehe meine Niederlage ein.", er dreht sich um und geht Richtung Männerumkleidekabinen. „Aber man sieht sich immer zwei Mal im Leben. Ich freue mich schon auf meine Revanche."
Und ist weg er. Einfach durch die Tür verschwunden. Und ich kann nicht anders als auf die, jetzt geschlossene, Tür zu starren. Was war das gerade? Ich glaube diese Begegnung kann man ganz sicher der Kategorie skurril zuordnen.
Ich ziehe noch locker einige Bahnen bis um halb acht Thomas der Bademeister kommt.
„Hallo May. Und wie läuft es heute?" Tomas ist Mitte vierzig und wirklich in Ordnung. Er hat viele Jahre lang als erfolgreicher Anwalt in einer großen Kanzlei in Manchester gearbeitet. Nach seinem Burn-out musste er einsehen dass die ganze Arbeit zu viel für ihn ist. So hat er gekündigt und ist hier her nach London gezogen wo er eine Stelle als Bademeister angenommen hat. Wegen seiner Großzügigkeit kann ich hier immer um diese Zeit gratis trainieren. Das ich ihn kennengelernt habe verdanke ich ausnahmsweise meiner nervenden Physiotherapeutin, denn er ist ihr Cousin keine Ahnung welchen Grades und so hat ein Anruf genügt dass ich jetzt seit über einem halben Jahr täglich, auch Sonntags, hier schwimmen kann. Außer wenn das Hallenbad gerade geschlossen hat, dann muss ich eine andere Lösung finden.
„Ganz gut. Lief schon mal besser.", ich zucke mit den Schultern.
„Morgen geht es bestimmt besser. Oder besser gönn dir einfach mal ein paar Tage eine Pause, du trainierst zu viel", sagt er und schiebt wie selbstverständlich meinen Rollstuhl an den Beckenrand.
„Keine Sorge, ich krieg das schon hin.", winke ich an. Obwohl er wahrscheinlich recht hat. Ich lächle in dankbar an und bedanke mich wie immer für Bringen meines Rollstuhls. Anfangs musste er mir noch helfen aus dem Wasser zu kommen, doch mittlerweile schaffe ich das ganz gut alleine.
„Kommt Montag um diese Zeit öfter noch jemand her?", frage ich ihn so beiläufig wie möglich.
„Ach ja, das habe ich dir vergessen zu sagen. Louis schwimmt hier Montags öfters . Hast du ihn getroffen?" Ich nicke.
Louis, ich hatte also Recht. Sobald ich meine nutzlosen Beine auf den Rollstuhl gestellt habe winke ich Thomas noch schnell zu und „rolle" in die Umkleide. Am Anfang musste mich Katie immer Abholen und mir helfen. Für mich war das ziemlich demütigend, aber jetzt kann ich zum Glück alleine trainieren gehen.
Von einem auf den anderen Moment taucht diese Frage in meinem Kopf auf: Ob er das wohl ernst gemeint hat, mit der Revanche? Ich schüttle den Kopf und versuche den Gedanken zu verdrängen. Er war nett. Klar kam er mir sympathisch vor, er war seit langen der erste Mensch der mich richtig normal behandelt hat. Aber er wusste ja auch nicht was mit mir nicht stimmt.
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A new Beginning (Louis Tomlinson/ 1D FF)
Fanfiction»Ein Moment kann dein Leben zerstöre. Ein Moment genügt um alles über den Haufen zu werfen. In einem Moment kann sich alles ändern was mach sich in seinem Leben aufgebaut hat. Ein Moment reicht völlig aus um alles zu verlieren.« Mareas Leben war per...