Epilog

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Die Menge kreischt und ich stehe hier oben, auf der Bühne. Mein Blick schweift über das gigantische Lichtermeer aus Handyblitzen und ein Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht, ein ehrliches Lächeln, eines von diesen die in den letzten Monaten so selten waren.

Ja es ist gut so, so wie es ist.

Heute, am 23. Juli, wäre Mays einundzwanzigster Geburtstag gewesen. Es ist schon vier Monate her seit sie sich das Leben genommen hat und das waren vier verdammt harte Monate. Ich kann mich noch gut an diese Stunden erinnern, so als wäre es erst gestern passiert, dass sie mich angerufen hat. Ich kann mich noch an jedes Detail aus diesem Gespräch erinnern und ich werde auch nie einen Satz daraus vergessen.

Aber ich bin ihr dankbar, dass sie mich in diesem Moment angerufen hat, das hat mir gezeigt wie viel ich ihr bedeutet habe. Sie hatte Angst und musste eine schwierige Entscheidung treffen. Als sie dann kurz vor dem Ende stand hat sie meine Nummer gewählt. Ich glaube sie hat dieses Gespräch gebraucht, sie hat jemanden gebraucht der ihr beisteht aber ich habe das auch. Sie hat mir die Chance gegeben mich zu verabschieden und dafür bin ich ihr so unendlich dankbar.

Aber bis zum Schluss habe ich gehofft, dass sie es nicht tut, dass sie nicht springt. Ich habe gehofft und gehofft aber tief in mir wusste ich es. Ich wusste, dass es bald zu Ende sein wird. Als dann die Leitung abgebrochen ist und ich nur mehr dieses Freizeichen hören konnte war ich mir sicher dass sie tot ist, und das nicht nur weil das Gespräch zu Ende war. Es klingt bescheuert aber ich habe es gespürt, genauso wie ich es diesen Morgen gespürt habe, dass etwas nicht stimmt und ich deswegen nicht schlafen konnte. Das zwischen May und mir war etwas Besonderes, etwas Einzigartiges. Vielleicht sagt, das jeder über seine Beziehung aber bei uns war es so.

Viele würden in so einer Situation die Tatsache, dass der am anderen Ende der Leitung tot ist, ignorieren, denn sie sehen ihn ja nicht, vielleicht hat ja etwas Anderes die Leitung unterbrochen? Nicht aber ich, keine einzige Millisekunde habe ich daran gezweifelt, dass May gerade gestorben ist.

Ich habe mich so machtlos gefühlt, ich wollte so unbedingt dass sie noch lebt aber es war zu spät. Im Nachhinein weiß ich nicht wie lange ich so dagesessen bin und geweint habe, irgendwann ist Harry herausgekommen und hat nachgefragt was denn los wäre. Minutenlang konnte ich ihm nicht antworten. Wie soll man auch jemanden sagen, dass gerade die große Liebe meines Lebens gestorben ist? Aber er hat gespürt, dass es etwas Schlimmes passiert ist und hat mich einfach nur in den Arm genommen. Irgendwann hab ich dann zwischen Schluchzern herausbekommen, dass May gerade gestorben ist. Harry hat nichts gesagt. Aber das Bild wie langsam beginnen Tränen über seien Wangen zu laufen und er mit aller Kraft versucht stark zu sein, mir beizustehen, werde ich nie vergessen.

Am nächsten Tag hätten wir eigentlich ein Konzert in Sydney spielen müssen, das wurde dann aber abgesagt wie die ganze restliche Tour. Das hätte ich einfach nicht geschafft. Offiziell hieß es nur dass wir eine Pause bräuchten und es zu einem privaten Zwischenfall gekommen wäre, mehr wurde nicht bekanntgegeben. Da May, nachdem wir uns getrennt haben mit einem falschen Pass gelebt hat wusste niemand dass May tot ist. Marea Silvers wurde von der Presse und der restlichen Welt einfach vergessen.

Die ersten Wochen waren schlimm, ich blieb erst mal einige Zeit bei meiner Familie bin dann aber wieder nach London, weil ich einfach Zeit für mich brauchte, obwohl das auch nicht wirklich funktioniert hat denn Harry zog gegen meinen Willen wieder bei mir ein. Aber wenn ich ehrlich bin war ich froh nicht alleine in diesem großen Haus zu sein. Niall, Liam und Zayn haben uns ständig besucht und wir sind oft einfach nur zusammengesessen und haben geredet. Ich kann mich noch gut an den Abend erinnern als wir zusammen im Garten gesessen sind und ich ihnen von Mays Ratschlägen und Glückwünschen erzählt habe, an diesem Abend ist keine Auge trocken geblieben.

Wir haben unsere Versprechen eingehalten. Perrie und Zayn sind mittlerweile verheiratete, Liam wartet immer noch auf die große Liebe und Niall hat vor ein paar Wochen jemanden kennengelernt und ist bis über beide Ohren verliebt. Kristin und Harry sind immer noch so glücklich wie am ersten Tag und Harry strengt sich wirklich an, dass es auch so bleibt. Nur Niall hat May den Gefallen sich nie tätowieren zu lassen, nicht gemacht. Denn jetzt ziert ein kleiner gebrochener Flügel seine Wirbelsäule, genauso wie Harrys, Liams, Zayns und meine. Es ist ein kleines Andenke, eine Erinnerung an May und an alles was sie für uns getan hat.

Der schwerste Gang, in den letzten vier Monaten war wohl die Fahrt zu der Klippe. Als ich da gesessen bin, genau dort wo May auch gesessen ist, sind alle Gefühle wieder aus mir herausgebrochen. Ich musste nicht lange suchen bis ich die kleine Schachtel gefunden habe. In ihr war, wie sie gesagt hat, die kleine Meerjungfrau und ein kleiner Zettel auf dem stand mit einer etwas krakligen aber immer noch gut leserlichen Schrift:

„Für den der meine Scherben wieder zusammengeklebt und mein Herz geflickt hat. Für den dem dieses immer noch gehört und bei dem es immer bleiben wird."

Seit diesem Tag hängt diese Kette um meinen Hals und ich habe nicht vor sie jemals wieder abzulegen.

Und heute stehen wir zusammen auf der Bühne, vor 50.000 Leuten, vier Monate nach Mays Tod, viel zu früh. Aber irgendwann muss das Leben ja weiter gehen. Wir holen die Tour nach, die wir vor Monaten abgebrochen haben. Genau jetzt stehe ich auf der Bühne in einem der größten Stadien der Welt und mein Blick ist in den Himmel gerichtet wo ich die Sterne sehen kann.

Ich halte das Mikro vor meinen Mund und sage: „Der nächste Song ist für jemanden ganz Besondern, der heute leider nicht hier sein kann. Also meine kleine Meerjungfrau wenn du vielleicht gerade zuhörst und Zeit hast, dann komm doch für ein paar Minuten zu uns runter, wir würden uns wirklich freuen. Und jetzt kommt You and I.", ihr Lied, ihr Lieblingslied von uns, wahrscheinlich auch das einzige was ihr annähernd gefallen hat. Niall beginnt mit der ersten Strophe und die ganze Zeit ist mein Blick in den Himmel gerichtet und dann sehe ich sie, eine Sternschnuppe. Vielleicht war es ja Einbildung aber ich habe plötzlich dieses bestimmte Gefühl und ich weiß dass sie hier ist, dass sie bei mir ist. Leise, sodass mich niemand hören kann flüstere ich: „Happy Birthday, May."

Die Menge singt laut mit, die Handylichter schwenken im Takt der Musik hin und her. Und ich stehe hier oben und bin seit langem wieder glücklich. Ist es das? Ist das der Tag ab dem es wieder aufwärts geht. Ist das der Moment ab dem alles besser wird? Nein, es wird lange dauern bis ich wieder so viel Lachen kann wie früher. Es wird nie wieder so sein wie vor diesem Anruf, das ist mir bewusst. Ich werde May nie vergessen. Aber etwas weiß ich, dass das heute hier ein besonderer Tag ist. Dass das heute hier mein persönlicher Neuanfang ist.

A new Beginning.

ENDE

A new Beginning (Louis Tomlinson/ 1D FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt