Kapitel 1

528 20 10
                                    


Mittlerweile sind schon zwei Wochen vergangen. Zwei Wochen, in denen ich weit von meinen Problemen entfernt war und nachdenken konnte. Zwei Wochen, in denen ich Zeit für mich hatte und den falschen Menschen von Zuhause entfliehen konnte. Und es geht mir schon sehr viel besser, das lasse ich alle jedenfalls glauben. Wenn ich ihnen beichten würde, wie es mir wirklich geht, dann würde Dad schneller hier sein, als ich bis drei zählen kann. Er würde mich in seinen Jeep stecken und zurück in dieses Haus bringen. In dem Haus, in dem alles begann. Und in dem ich mit großer Sicherheit verrückt geworden wäre, wenn ich noch länger dort geblieben wäre.

„Rose, bist du das?", reißt mich jemand aus meinen Gedanken. Ich drehe mich um und entdecke ein Mädchen, das mir schon mal begegnet ist. Wenn ich mich nicht täusche, dann sind wir im selben Kurs. Sie strahlt mich an, als wäre ich ihre beste Freundin, die sie seit einem Jahr nicht gesehen hat.

„Was machst du denn hier?", ruft sie über die laute Musik hinweg. Ich zucke mit den Schultern und versuche mich an ihren Namen zu erinnern. Sie hat sich mir mal vorgestellt, aber mir will einfach nicht einfallen wie sie heißt. Irgendwas mit C.

„Ich wollte meinen Einzug feiern.", spreche ich das aus, was mir als erstes einfällt. Der eigentliche Grund ist, dass ich mich betrinken, mit irgendeinem Fremden tanzen und mir danach die Seele aus dem Leib heulen wollte. Klingt ganz schön erbärmlich, ist es ja auch.

Sie runzelt kurz die Stirn und sieht sich dann im Club um. Zwar sind hier überall Menschen, doch keiner widmet uns deren Aufmerksamkeit. Sie sind viel zu sehr damit beschäftigt zu tanzen oder eher gesagt, sich aneinander zu reiben. Widerlich. 

„Und mit wem bist du hier?", fragt sie, nachdem sie sich wieder zu mir gedreht hat. Ich öffne den Mund um ihr zu antworten, doch da schlägt jemand neben mich auf den Tresen und ich drehe mich alarmiert um. Gott sei Dank ist es nur der Barkeeper, der ein hübsch dekoriertes Glas vor mich hinstellt und sich, nachdem ich gezahlt habe, einem anderen Gast widmet. Als ich mich wieder der Tanzfläche zuwende, fällt mir auf, dass das Mädchen immer noch an der gleichen Stelle steht. Für den Bruchteil einer Sekunde ertappe ich sie, wie sie ihre Stirn runzelt. Jedoch beruhigt sie sich schnell wieder und lächelt mich freundlich an. 

„Ich bin allein hier, ich wollte ein bisschen die Stadt erkunden." Wenigstens die halbe Wahrheit. Ich hebe das Glas an und lege den Strohhalm an meine Lippen. Der Cocktail ist köstlich, eine Mischung aus starkem Alkohol und Erdbeere. Göttlich.

Das Mädchen, dessen Name mir immer noch nicht einfallen will, nickt kurz und bedeutet mir mit einer Geste zu warten. „Joe?", brüllt sie und beugt sich mit gehobener Hand über die Theke. Sofort huscht der Kopf vom Barkeeper zu uns und als er erkennt, wer seinen Namen gerufen hat, fängt er an zu grinsen und kommt auf uns zu. Ernsthaft? Ich habe zehn Minuten gebraucht um seine Aufmerksamkeit zu bekommen und sie muss nur seinen Namen rufen.  

„Veronica, lang nicht mehr gesehen!", schreit er erfreut. Veronica heißt sie also! Doch nichts mit C, hoppla.

„Ja, ich hatte Stress wegen der Uni. Könntest du mir zwei..." Den Rest verstehe ich nicht, da der Bass auf einmal viel lauter und kräftiger wird. Während sie sich mit Joe unterhält, lasse ich meinen Blick durch den Club schweifen. Die bunten Lichter tauchen den ansonst so dunklen Raum in ein farbenfrohes Fest. Die Luft ist feucht, dank der vielen Menschen, die wild herum tanzen.

„Hättest du vielleicht Lust mit zu meinen Freunden zu kommen?", unterbricht Veronica meine Beobachtung. Eigentlich habe ich was ganz anderes geplant, aber wenn ich so darüber nachdenke, wieso eigentlich nicht? Sie kommt mir sehr nett vor, mit ihrem niedlichen Lächeln und ihren freundlichen Augen. Die Farbe kann ich bei dem wechselndem Licht nicht erkennen.

Is it possible?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt