Kapitel 10

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Das erste was ich wahrnehme, als ich wieder zu mir komme, ist ein leises stetiges Geräusch, hinter mir. Es ist regelmäßig und irgendwie beruhigend. Doch als ich analysieren will, was es ist und woher es kommt, durchfährt mich ein stechender Schmerz. Es fühlt sich an, als würde er sich in meine Knochen und durch meinen gesamten Magen zerren, weshalb ich mich stumm zu einer Kugel krümme. In der Hoffnung, dass mein Kopf nicht mehr so brutal wehtut und meine Organe aufhören zu protestieren, schließe ich die Augen und atme tief durch. Nur ist das ein großer Fehler.

Denn mir steigt der Geruch von Erbrochenem in die Nase und ich vergrabe meine Finger in dem Bettlacken, um nicht auf der Stelle mitten auf diesem Bett zu kotzen. Gott, was habe ich gestern nur gemacht? Ich war feiern und dann habe ich Ryan gesehen... O nein, bitte nicht! Mit jedem weiteren Erinnerungsfetzen der letzten Nacht, wird mir nur noch schlechter. Wie konnte ich ihn nur küssen? Oder besser gesagt, zulassen, dass er mich küsst. Ich meine, das bin doch nicht ich! Ich mache nicht mit irgendwelchen Typen rum, nur mit Alex. 

Bei dem Gedanken an meinen Ex, reiße ich die Augen auf und blinzle in ein dunkles Zimmer. Das einzige was man durch das trübe Licht, welches der Mond durch das Fenster hineinwirft, erkennen kann, ist ein dunkler Boden. Und mit jeder weiteren Sekunde, in der sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen, erkenne ich mehr und mehr des Zimmers. Beispielsweise die Leinwände, die verschiedenen Pinsel die auf einer Ablage aufgereiht sind und die Kommode, auf der ein großes Gemälde aufgestellt ist.

Jedoch kann ich mich nicht auf diese Dinge konzentrieren, denn einerseits fängt mein Schädel mit jedem weiteren Gedanken weiter zu pochen an und andererseits schlingt sich auf einmal ein Arm um meinen Bauch und ein tiefes Stöhnen wird hörbar. Augenblicklich halte ich die Luft an und kralle meine Finger noch fester in das Bettlacken. 

O mein Gott, das ist ein Mann. Ich liege mit einem Mann in einem Bett, der seine Nase gerade an meinem Nacken reibt und mich noch fester an sich zieht, sodass ich seinen Körper hinter meinem spüren kann. Seinen starken Körper. Sofort erfüllt mich Panik und ich verkrampfe mich. 

Eigentlich will ich schreien, um mich schlagen und den Arm von mir stoßen. Aber ich kann nicht. Mein Körper ist nicht mehr der meine, weshalb ich wie gelähmt daliege und mit weit aufgerissenen Augen und zitterndem Atem die Wand anstarre. Erst nach einer Weile nehme ich einen gewissen Geruch wahr, der mir bekannt vorkommt. Ein Geruch, der mich an eine Person erinnert, von er ich gestern in ein Bett gebracht wurde. Eine Person, die mir die Hose und das Oberteil ausgezogen hat. Und mir nichts getan hat, bis ich vollkommen weggenickt bin. Was danach passiert ist, weiß ich nicht.

Obwohl sich mein Körper entspannt, als ich realisiere, dass Ryan hinter mir liegt, fängt mein Herz nur noch schneller an zu schlagen. Und das ist nicht gut, genauso wenig ist es gut, dass ich neben ihn halbnackt in einem Bett liege. 

Langsam und so leise wie nur irgend möglich rutsche ich nach vorne und entziehe mich somit seiner Umarmung Stück für Stück. Als seine Hand auf meiner Taille liegt und ich erleichtert aufatmen möchte, gibt er ein tiefes Geräusch von sich und drückt seine Finger in mein Fleisch. Augenblicklich halte ich inne und spüre wie mein Herz stehen bleibt. Okay, ich bin erledigt. Er hat mich erwischt. Jetzt wird er mir vor Augen führen, wie widerlich ich bin. Dass ich ein Stück Scheiße bin und dass er mich nie wieder in seinem Leben sehen möchte.

Aber er sagt nichts, deshalb drehe ich meinen Kopf zu ihm und sehe wie er friedlich schläft. Wieso mache ich mir eigentlich so in die Hose, wenn er nicht einmal wach ist? Kopfschüttelnd wende ich meinen Blick von ihm ab und setze mich auf.

Und mit einem Mal dreht sich mir der Magen um und erinnert mich, was ich die letzten Minuten vor lauter Verwirrung und Panik ganz vergessen habe, dass ich alles andere als in einer guten Fassung bin. 

Ich werde nie wieder Alkohol trinken. Nie wieder.

Als ich die Hände hebe, um mir die Augen zu reiben, fällt mir auf, dass das Oberteil was ich trage um einiges größer ist als normal. Und als ich daran schnuppere, wird mir bewusst, dass es Ryans T-Shirt ist. Wieso habe ich sein Oberteil an? Kann es sein, dass er mich nicht nur in sein Bett gelegt hat, sondern auch etwas anderes mit mir gemacht hat? O Gott, bitte nicht!

Ruckartig stehe ich auf und suche hastig das Zimmer nach meinen Klamotten ab. Ich werde schnell fündig und finde meine Jeans ordentlich gefaltet, auf dem Schreibtisch. So schnell wie möglich ziehe ich sie mir über die Beine und kritzle eine kurze Entschuldigung auf einen Zettel.

Bevor ich jedoch die Zimmertür öffne, halte ich inne und wage es einen letzten Blick auf Ryan zu werfen. Vielleicht ist das ja ein Fehler, denn ich kann meine Augen nicht mehr von ihm losreißen. Weder von seinen zerzausten Haaren, seinem leicht geöffnetem Mund, noch von seinen entspannten Gesichtszügen. Wie kann jemand, der schläft, nur so gut aussehen?

Wie ein Engel. Nur verpufft dieser Gedanke, je weiter ich seinen Körper hinabwandere. Denn nichts an seinen Tattoos, die sich über seine gesamten Oberarme ausstrecken, ist heilig. Auch nicht seine breite Statur, die mir bisher gar nichts so krass aufgefallen ist. Genauso wenig, wie sein Tattoo, dass seine komplette Schulter bedeckt und sogar bis hin zu seinem Rücken reicht. 

Mit jeder weiteren Sekunde, in der ich ihn anglotze und seinen schönen Körper bewundere, wird es mir immer wärmer. Wie konnte ich nur so lange neben ihm liegen, ohne es zu merken? Man muss doch merken, wenn man neben so einem Kerl liegt! Einem Kerl, der heißer nicht sein kann, selbst in diesem Mondlicht. 

Mein Blick fährt noch weiter hinunter und ich sehe, dass das Laken sehr weit nach unten gerutscht ist. Soweit, dass ich fast seinen Hintern sehen kann. Ein Hintern, der sogar durch das Laken hindurch verdammt knackig aussieht. So heiß, dass ich gerne einmal meine Nägel darüber gleiten lassen würde, während er Dinge mit mir mach... Um Himmelswillen, Rose, was denkst du da bitte? Was ist nur in dich gefahren?

Mühsam reiße ich den Blick von Ryans schönen Körper und verlasse schließlich das Zimmer. Bei jedem Knarzen des Laminats, jedem Quietschen der Tür, zucke ich zusammen, in der Angst, dass mich jemand ertappt. Glücklicherweise wecke ich weder Ryan noch Trevor auf, weshalb ich es heil bis zur Haustür schaffe und mir meine High Heels, die sauber neben den restlichen Chucks und Sneakers von den Jungs, aufgereiht sind. Unter anderen Umständen würde ich über dieses Bild, das sich mir gerade gibt, sogar lachen, aber nicht jetzt. Nicht, wenn ich mich schlechter nicht fühlen kann und ich das Gefühl habe, mit jeder zu schnellen Bewegung das Gleichgewicht zu verlieren.  

Während ich die Haustür hinter mir schließe und das Treppenhaus durchquere, wird mir erst richtig bewusst, was ich angerichtet habe.

Ich habe es wirklich schafft, alles zu zerstören. Wie soll ich Ryan denn jemals wieder in die Augen sehen können? Oder überhaupt in seiner Nähe sein können? Ich sollte mich so schnell wie möglich mit der Tatsache, dass alles vorbei ist, anfreunden. Am besten suche ich mir neue Freunde und fange wieder von vorne an. Aber, wer kann mir garantieren, dass mit anderen nicht auch so etwas passieren kann?


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Wer hätte damit gerechnet, dass Rose in dem Bett von Ryan aufwacht und sich dann einfach so aus seinem Zimmer schleicht, während er noch schläft? Und hat Ryan die Situation, dass sie hilflos und halbnackt in seinem Bett liegt, vielleicht doch ausgenutzt?


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