Kapitel 19

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Während ich meinen Blick durch das Zimmer schweifen lasse, bleibt mir förmlich die Spucke weg. Wo bin ich hier? Das ist nicht mein Zimmer! In meinem Zimmer gibt es keine Leinwände, die neben dem Bett aufgestellt sind, keine dunkle Kommode auf der anderen Seite des Raums und verdammt nochmal keine Basketbälle. Außerdem riecht es nicht so komisch. So, wie noch vor wenigen Wochen, als ich in Ryans Bett aufgewacht bin...

O mein Gott, bitte nicht! Nicht schon wieder! Sofort schaue ich an meinem Körper hinab und sehe, dass ich noch vollkommen angezogen bin, abgesehen von meinen Schuhen. Anscheinend hat er mich dieses Mal nicht ausgezogen, was die Situation nicht unbedingt besser macht. Wie konnte ich ihn nur anrufen? Er hat mich doch schon mal in diesem Zustand gesehen, vollkommen neben der Spur und jetzt habe ich ihm einen weiteren Grund gegeben mich zu hassen. Ich muss hier unbedingt weg, bevor...

Genau in diesem Moment öffnet sich die angelehnte Tür und halte den Atem an. Ryan betritt das Zimmer, ein Glas in der Hand und bleibt abrupt stehen, als er sieht, dass ich wach bin. Am liebsten würde ich aus dem Bett springen und so schnell wie möglich aus dem Zimmer sprinten. Doch ich kann nicht, denn der Anblick, der sich mir bietet ist zu verlockend.

Selbst in dieser Dunkelheit kann ich seine Tattoos erkennen, die seine Arme schmücken, seine dunklen Haare, die seine Stirn streifen, sogar seinen großen Ring auf dem Mittelfinger. Nicht zum ersten Mal frage ich mich, welche Bedeutung er für ihn hat und wieso er ihn nie abnimmt. Nicht mal beim Basketballspielen.

„Ich habe dir Wasser mitgebracht.", unterbricht er die Stille und hebt das Glas etwas hoch. Ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen und wende den Blick ab, als er die Tür schließt. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber ich habe das Gefühl, dass sich etwas geändert hat. Irgendwas ist anders, denn da ist etwas in seinem Blick, das mir fremd ist und gleichzeitig so bekannt vorkommt.

Nach einigen Augenblicken, in denen er mitten im Raum gestanden ist, setzt er sich seufzend in Bewegung. Automatisch verkrampfen sich meine Finger um die Decke und ich werde nervös. Das ändert sich auch nicht, als er sich vor das Bett stellt und ich seine in eine helle Jeans getunkten Beine vor mir sehe.  

„Die solltest du auch noch schlucken.", meint er und hält mir seine Hand vors Gesicht. Er öffnet sie und eine kleine, weiße Tablette blickt mir entgegen. Es ist ja nicht mein erstes Mal, dass ich betrunken bin, deshalb weiß ich haargenau, was das kleine Ding ist. Allerdings überfluten mich die Erinnerungen an die Abende, an denen ich mich volllaufen lassen habe, nur um zu vergessen. Um all meine Probleme zu vergessen und Spaß zu haben. Nur hat das nicht immer geklappt, weshalb ich oft weinend auf dem kalten Fußboden endete.

Schnell versuche ich die erbärmlichen Bilder zu verscheuchen und greife nach dem Glas und dem Aspirin. Dabei versuche ich so viel Körperkontakt zu vermeiden, wie nur irgend möglich. Mit zitternden Händen vollführe ich die routinierten Bewegungen und spüre unaufhörlich den Blick von Ryan auf mir. Sogar als er sich einen Stuhl heranzieht und sich draufsetzt.

Leider habe ich irgendwann das Glas ausgetrunken und muss ihm tief durchatmend ins Gesicht blicken. Die Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln gestemmt, fokussiert er mich mit seinem Blick. Es ist nicht so, dass er mir Angst einflößen möchte, er will vermutlich nur verstehen, was das ist. Was das zwischen uns ist. Oder er will einfach verstehen, wieso er so dumm war, mich wieder zu sich zu bringen. 

„Es tut mir leid.", wiederhole ich die Worte, die ich das letzte Mal in der Bar benutzt habe. Hoffentlich lande ich diesmal nicht wieder in seinen Armen.

„Was tut dir leid, Rose?" Ryan ist die einzige Person auf der Welt, die meinen Namen so ausspricht, seine Zunge dabei rollen und mein Herz aussetzen lässt. Vielleicht liegt es dieses Mal an seinem intensiven Blick, seinen zu einer dünnen Linie gepressten Lippen oder seinen breiten Schultern, die sich anspannen, aber ich habe das Gefühl Stück für Stück einzuknicken. Weich zu werden. Ihm alles erzählen zu wollen, weshalb ich vermutlich auch die nächsten Worte ausspreche.

Is it possible?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt