Kapitel 17

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Ich atme tief durch und hebe das Glas an meine Lippen, um es gleich darauf zu leeren. Der Alkohol rinnt meine Kehle hinab und brennt himmlisch. Und um einiges weniger, als noch vor einer Stunde. Mit einem lauten Knall stelle ich das Glas wieder zurück und verziehe mein Gesicht. Dabei ist mir vollkommen egal, was all die Menschen um mich herum denken. Verdammt nochmal, das hier ist eine Bar, dazu eine ganz schön heruntergekommene. Mit ihrer leisen Country-Musik, dem dunklen Design und der Kellnerinnen, die knapper bekleidet nicht sein könnten. Aber um ehrlich zu sein, wenn man mit dem Ziel herkommt sich zu betrinken, ist das Umfeld doch egal.

„Ist es diesmal Liebeskummer oder doch schlechte Noten?" Ich öffne die Augen und blicke in das Gesicht von dem Barkeeper Josh. Josh, der mir seit fast einer Stunde von seinem Leben erzählt und mich somit von allem ablenkt. Eventuell liegt das aber hauptsächlich am Tequila. Dennoch ist es wundervoll ihm zuzuhören, sein britischer Akzent klingt wie Musik in meinen Ohren. Neben den leisen Tönen, die aus den Lautsprechern dringen.

Wie gesagt, er ist toll und ich würde ihn Veronica sofort vorstellen, wenn ich mich nicht gerade vor ihr fürchten würde. Besser gesagt, vor ihrer Reaktion. Irgendwie habe ich es geschafft ihr heute aus dem Weg zu gehen, ihr kein einziges Mal über den Gang zu laufen, was normalerweise mindestens einmal am Tag passiert. Und doch fühle ich mich deshalb miserabel. Denn so funktioniert eine Freundschaft doch nicht, man rennt nicht voreinander weg, wenn man Scheiße gebaut hat. Oder?

„Nichts davon.", murmle ich nach einer Weile und hebe mein leeres Glas. Er neigt den Kopf, sodass ihm ein paar seiner langen, braunen Strähnen ins Gesicht fallen und mustert mich eindringlich. Was er wohl vor sich sieht?

„Eigentlich müsste ich dir sagen, dass du aufhören sollst mit dem Trinken, aber du bist schon erwachsen und solltest das selbst wissen. Von dem her, her mit dem Glas.", erklärt er schulterzuckend und streckt seine Hand aus. Ich folge seiner Aufforderung stumm und beobachte ihn genau. Seit ich mich an die Bar gesetzt und den ersten Drink bestellt habe, habe ich mich gefragt, ob er mir wirklich abkauft, dass ich volljährig bin. Vielleicht will er es auch nur glauben und stellt sich dumm oder mein auffälliges Make-up und mein für meine Verhältnisse tieferer Ausschnitt sehen glaubwürdig aus. „Willst du mir jetzt von deinen Problemen berichten oder dich lieber weiterhin über mein ödes Leben unterhalten?"

„Du bist nicht öde!", entgegne ich empört. Wie kann er denken, dass er langweilig ist? Ein amüsiertes Lächeln bildet sich auf seinen Lippen und er schüttelt leicht den Kopf, als er ein Cocktailglas abtrocknet.

„Kleine, du bist schon so betrunken, dass du nicht einmal mehr merkst, dass ich nur Bullshit rede. Oder glaubst du etwa wirklich, dass ich bei der NASA gearbeitet habe und jetzt Barkeeper geworden bin, weil ich von einem Meteoriten getroffen worden wurde?"

„Du warst kein Astronaut?", frage ich entsetzt. Also hat er mich die letzte Stunde über nur angelogen. Was für ein Arsch! Und doch kann ich nicht sauer auf ihn sein, vielleicht liegt das an seinem Lachen, dass sich warm und liebevoll anhört. „Du bist echt süß."

„Nein, ich bin nicht süß!", protestiere ich und schlage auf die Theke. Seine dichten, dunklen Augenbrauen huschen in die Höhe und das amüsierte Funkeln will einfach nicht verschwinden. Wieso finden mich eigentlich alle witzig? „Wirklich, was bist du denn dann? Etwa rebellisch?"

Obwohl ich heraushöre, dass er sich über mich lustig macht, gehe ich nicht drauf ein und denke scharf nach. Was kann man denn sagen, um...

„Nein, ich bin mutig.", sage ich entschieden und recke mein Kinn in die Höhe. Immer noch breit grinsend, fängt er an mit einem Kopf zu nicken, so als würde er mir kein bisschen glauben.

„Da muss ich dir zustimmen, es ist ganz schön mutig fast eine gesamte Tequila-Flasche in einer Stunde auszutrinken." Just in jenem Moment gesellt sich eine junge Frau neben mich und bestellt mehrere Getränke. Während Josh sie ihr zubereitet, denke ich über seine Worte nach. Komme ich wirklich süß und unschuldig rüber? Bin ich nicht so tough wie ich mich eigentlich fühle?

Is it possible?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt