Kapitel 6

199 13 1
                                    


Veronica kaut auf ihrem Kugelschreiber herum und sieht nachdenklich auf die Blätter hinunter. Dabei vergräbt sie ihre Finger in ihrem Dutt, der mittlerweile wie ein Vogelnest aussieht und gibt einen Laut von sich, der zeigt, dass sie mit den Nerven am Ende ist. Das tut sie sicher schon zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Abend und langsam kriege sogar ich die Krise. 

„Ich hole mir was zum Trinken.", verkünde ich und stemme meine Hände gegen den kleinen Wohnzimmertisch. Als ich mich jedoch erhebe, durchfährt mich ein brennender Schmerz, der meine Beine knacken lässt. Ich werde nie wieder zwei Stunden auf diesem harten Boden sitzen. Nie wieder.

Mit dem Stift im Mund murmelt Veronica: "Fühl dich wie Zuhause." Ich folge ihrem Angebot und strecke mich stöhnend. Gott, tut es gut sich zu bewegen!

Als ich mich einigermaßen befriedigt fühle, mache ich mich auf den Weg in ihre Küche und fülle mir dort ein Glas mit Wasser. Während ich genüsslich die kühle Flüssigkeit meine ausgetrocknete Kehle runtergleiten lasse, sehe ich mich in der Küche um. Auf dem Fensterbrett ist ein Bilderrahmen aufgestellt, der meine Aufmerksamkeit sofort auf sich zieht. Darauf ist Veronica mit einer jüngeren und einer älteren Frau abgebildet. Sie lächeln glücklich in die Kamera und mir fällt gleich auf, wie ähnlich sie sich an. Alle haben blonde Haare und strahlend, blaue Augen, die einen sofort in ihren Bann ziehen.

Vollkommen in die Schönheiten auf dem Foto vertieft, erschrecke ich bei dem Klingeln der Haustür. 

„Kannst du aufmachen?", höre ich Veronicas laute Stimme aus dem Wohnzimmer. Ich stelle mein Glas auf der Arbeitsplatte ab und gehe zur Haustür. Hoffentlich sehe ich nicht allzu schlimm aus, mit meinem Dutt, aus dem mehrere Strähnen raushängen. Nachdem ich tief durchgeatmet habe, öffne ich die Tür und stutze. Was macht Trevor denn hier? Und wieso hat er einen Hugo in der einen und ein Bier in der anderen Hand?

„Rose, was machst du denn hier?", fragt er überrascht, lässt mich aber nicht zu Wort kommen. „Das kannst du mir aber auch drinnen erzählen. Hier ist es ganz schön kalt." Ohne große Umschweife quetscht er sich zwischen mich hindurch in die Wohnung. Erst jetzt fällt mir auf, dass Ryan direkt hinter ihm ist und sich ebenfalls den Weg hineinbahnt. Nur würdigt er mich dabei keines Blickes. 

„Ich habe nur einen Hugo mitgenommen, wusste ja nicht, dass du auch hier bist.", spricht er weiter und hebt die Flaschen hoch. Okay, bleib einfach cool, Rose. Benimm dich normal und hör auf so versteift zu sein. Mit einem kleinen Lächeln nehme ich ihm die Flasche ab und er zieht sich die Jacke aus. 

„Kein Problem. Ich habe eigentlich auch nicht damit gerechnet, heute jemand anderem als Veronica zu begegnen.", scherze ich und zeige auf meinen Kopf. Trevors Augen huschen zu meinen Haaren und sein Lächeln wird wärmer. „Ich find den Dutt süß." Dank seinen Worten fangen meine Wangen an zu glühen, weshalb ich mich schnell von ihm abwende und Ryan ins Wohnzimmer folge.

„Wer ist es, Rose?", schreit Veronica, noch bevor wir den Raum richtig betreten haben. Als Antwort bekommt sie einen mit in die Höhe gerissenen Armen Ryan, der einen jubelnden Schrei von sich gibt. Unwillkürlich zucken meine Mundwinkel. Er kann wohl auch gutgelaunt sein, krass. Und obwohl ich mir vorgenommen habe ihn nicht mehr anzustarren, kann ich meine Augen nicht von ihm nehmen. Von seinem breiten Rücken, seiner in blaue Jeans gesteckte, muskulöse Beine. 

Und als sein Blick auf unsere Blätter fällt, kann ich mich nicht mehr auf seinen Körper fokussieren, sondern mich konzentrieren, nicht laut loszulachen.

„Was ist das?", fragt er angewidert und zeigt auf unsere Blätter, als wären sie das Ekligste der ganzen Welt. Ich verdrehe die Augen und gehe um ihn herum, um die Flaschen auf den Wohnzimmertisch abzustellen.

Is it possible?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt