Hass

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Vivien's Sicht:

Wir hörten, wie Lilly schrie. Erschrocken sprang ich auf. "Bin gleich wieder da" rief ich während ich schon den Flur entlang rannte. Ich riss die Tür der Umkleide auf. "Lilly, beruhig dich, ich bin da!" wenige Sekunden später saß ich schon neben ihr und hielt ihre weiche Hand in meiner. Ihr Gesicht war Tränenüberströmt und ihre Lippen sprörde vom vielen weinen. Zuerst wollte ich fragen was los ist, aber diese Frage war völlig überflüssig. Es war verständlich, dass man in Panik geriet wenn man wie aus dem nichts erblindet. "Ich kann nichts versprechen, aber ich hoffe alles wird wieder gut" murmelte ich leise. Lilly sagte nichts, sie zitterte am ganzen Körper und ich konnte ihre schnelle Atmung auf meiner Haut spüren. Ihr Brustkorb hob  und senkte sich im Sekundentakt. 
Ich dachte nocheinmal über das nach, was ich gerade gesagt hatte. 'Ich hoffe alles wird wieder gut.' Das war so ziemlich das dümmste was ich je gesagt hatte. Das alles wieder gut wird war ausgeschlossen, es sei denn ich würde aufwachen  und feststellen, dass das alles nur ein schrecklicher Traum war. Niemals würde wieder alles gut werden. Das was geschehen ist kann ich nicht rückgängig machen, niemand kann das. Meine Freunde, Meine Klassenkameraden, mein Lehrer sie waren alle Tod! Waren vor unseren unschuldigen Gesichtern ums Leben gekommen. Ich hatte alles verloren, alles was ich glaubte zu haben war plötzlich weg. Es ging alles so schnell. Alles hatte sich verändert, wir hatten uns verändert. Ich stellte mir immer wieder vor, wie ich die Zeit zurück drehen würde, zu dem Zeitpunkt bevor dieser Horror begann. Ich hatte schon vergessen wann das alles angefangen hatte. Wann hatten wir nochmal Sport? Donnerstag? Oder war es doch Mittwoch?
Ich schüttelte meinen Kopf. Meine Locken wackelten. Antonio hatte meine Locken geliebt. Tränen stiegen in meine Augen. Nie wieder, da war ich mir sicher, würde ich jemanden so sehr lieben wie ich Antonio liebte. Allgemein konnte ich niemanden mehr vertrauen. Jetzt, in so einer Sitiuation, konnte ich die wahren Gesichter der Menschen sehen, von denen ich immer dachte, dass ich sie so gut kannte wie mich selbst...besser als mich selbst. Ich spürte wie die Wut in mir hoch kam. Als würde jeden Moment ein Vulkan ausbrechen. Ich wollte schreien, doch ich befürchtete dann würde ich Blut spucken. Kotzen hätte ich können! Ich hatte so einen Hass auf den jenigen, der Schuld an all dem war, was passierte. Doch wer war dieser jemand? Gott? Ich selbst? Das Schicksal? Keine Ahnung. Aber egal wer es war, ich wollte, dass er genauso leiden muss wie wir es müssen! Wahrscheinlich macht es ihm spaß! Ich begann meinen Glauben zu verlieren, meine Hoffnung. Entweder Gott gab es gar nicht, oder er hasste mich! Aber wieso? Was habe ich jemals so schlimmes getan, dass ich das verdiene? War ich wirklich so egoistisch? Ich weiß, ich konnte manchmal unaustehlich sein, eine verdammt, eingebildete Zicke. Wie ich Angab mit mir und dem Chearleeding...aber in wirklichkeit war ich so nicht und das wussten die Menschen, die mich wirklich kannten auch. Meine Familie, Meine Freunde, Antonio...und wenn Gott uns doch angeblich alles so gut kennt, dann müsste er auch meine Gute Seite kennen! War es falsch, dass ich so oft meckerte obwohl ich innerlich doch meistens Glücklich war, alles hatte um ein nromales, glückliches Leben zu führen? Nahm Gott mir all das weg, weil ich eine undankbare Ziege war? Ich begann an allem zu zweifeln, was ich jemals tat, begann an mir selbst zu zweifeln. Plötzlich war ich mir sicher. Ich war Schuld, schuld an all dem was mir wiederfahren war, was uns wiederfahren war! Es gab doch soetwas wie Kama! Und ich hatte nichts anderes verdient als diese ganzen Grausamkeiten! Viel zu selten hatte ich Menschen hinter meine Fassade blicken lassen, viel zu selten hatte ich gezeigt wie zufrieden ich war, wie viel ich lachte, wie lustig ich eigentlich war. Und das obwohl ich wusste, dass meine Freunde mich genau an diesen Tagen am liebsten hatten.
Klar sicher hätten sie auch meine Zickereien vermisst über die sie gerne so herrlich lachten, aber ich war viel zu oft so. War viel zu abwertend! Wie ich mit Celina umgesprungen war, nur weil sie etwas dicker war. Vielleicht konnte sie gar nichts dafür?! Was war ich nur für ein Mensch, sie musste sich furchtbar gefühlt haben, musste sich gehasst haben. ich hatten sie oft genug spüren lassen, dass sie unter uns stand. Jetzt hasste ich mich auch, es fühlte sich schrecklich an und ich hatte es dennoch verdient! Mehr als das! 
Ich riss mich mit Mühe aus meinen düsteren Gedanken, mir war ganz schwindelig vor lauter denken! Lilly saß neben mir, sie wirkte wieder seelenruhig, auch wenn ich wusste, dass es in ihrem Inneren vermutlich ganz anders aussah. "Ich komm gleich wieder." Ich schrie diese Worte fast, so wütend war ich. Schnell eilte ich aus der Umkleide und schmiss die Tür mit einem lauten knall zu. Ich ballte meine Hände zu fäusten und schlug gegen die Wand, die Wunden von vorhin rissen sofort wieder auf und ich bluetete. Aber es war mir egal. ich hatte es nicht anders verdient. Ich war selbst schuld an meinem Leid! Es war mir egal, dass ich Schmerzen hatte, ich hatte es verdient, ich hasste mich! 
Ich hatte bisher immer anderen die Schuld für alles gegeben, wenn ich etwas falsch machte...doch jetzt war mir klar wer wirklich daran Schuld war. Es war niemand anderes außer ich selbst! Ich fand mich plötzlich ganz abscheulich und verstand nicht wie meine Freunde, wie Antonio mich überhaupt so lange ertragen konnten! 
Ich rannte zurück zu Ben. Er sah müde aus. Enttäuscht schaute er auf meine blutigen Hände. Er sagte nichts, schaute weg und schwieg. Das machte mich noch wütender! Wieso tröstete er mich nicht? Es stimmt, er hasste mich auch! Ich schaute zu Katy, die langsam wieder zu sich kam. Sie war ein toller Mensch. Mutig, lieb, hatte die besten Ideen! Und jetzt? Sie hatte sich in den letzten Tagen verändert! Sie war schrecklich geworden! Ich kniete mich neben sie, wollte eigentlich mit ihr reden, wollte das sie wieder die alte wird. Doch ich war wie Ferngesteuert, hatte die Kontrolle über mich selbst verloren. ich schlug sie mit meiner blutigen Faust kräftig ins Gesicht. Sie sackte wie ein schlaffer Sack zusammen, sofort war sie wieder Ohmmächtig. Ich erschrack über mich selbst. Wieso hatte ich das getan? Ich zitterte und fühlte mich wie benebelt, alles in meinem Kopf drehte sich.

Sport ist MordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt