Kapitel 12

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Für eine lange Zeit geschah nichts. Ich starrte einfach in die Dunkelheit und konnte mich nicht regen. Dann auf einmal flimmerten Bilder auf. Vorsichtig flogen sie durch mein Blickfeld, wie Puzzleteile, die ich nicht richtig zuordnen konnte. Doch nach einiger Zeit erkannte ich eine Frau. Sie lächelte mich freundlich an. Ihr Lächeln war lieb und ehrlich und doch erkannte ich Angst und Besorgnis in ihren Augen. Meine Mutter. Ich wusste es. Sie war es. Ich wollte meinen Mund öffnen. Ihr unzählige Fragen stellen, doch ich konnte nicht. Es fühlte sich an als ob ich da war, aber nichts unternehmen konnte. Mum strich mir eine hellbraune Haarsträhne hinters Ohr und gab mir einen Kuss auf die Wange. ,,Ich habe dich lieb, Julia. Meine Kleine. Für Immer, okay? Vergiss das nicht." ,,Ich dich auch, Mommy", sagte ich. Also ich habe es gesagt, aber meine Stimme hörte sich kindlicher und leiser an. Ich war gefangen. In einer jüngeren Version von mir selber. Mom wand sich an jemanden neben mir. ,,Thomas. Mein Großer. Dich habe ich auch lieb." Ich drehte mich zu Thomas um. Tatsächlich er war es. Jünger zwar und mit einer anderen Frisur, aber er hatte die gleichen Augen und das leichte Lächeln auf den Lippen. ,,Ich dich auch, Mom", sagte Thomas. ,,Pass auf deine kleine Schwester auf." Thomas nickte und nahm meine Hand. Moment!!! Kleine Schwester? Heißt das etwa, dass Thomas mein... großer Bruder ist? 

Nächstes Bild. Ich und Thomas saßen in einer Bahn mit vielen anderen Kindern und Soldaten. Ängstlich starrte ich auf die riesigen Maschinengewehre, die jede Wache mit sich führte. Ich kuschelte mich näher an Thomas, als mein Blick auf eine Frau fiel, die mich freundlich anlächelte. Dieses Lächeln war aber nicht ein ehrliches Lachen, wie bei meiner Mutter. Es war falsch. Gestellt. ,,Keine Angst. Alles wird gut, Julia", sagte Ava Paige. 

Im nächsten Bild waren Thomas und ich schon älter. Wir hockten vor einem großen Bildschirm, wo wir das Labyrinth beobachten. Oh mein Gott. Ich war im Labor. Genau in dem, in den wir alle angekommen, als wir es durch das Labyrinth geschafft haben. Moment. Heißt das etwa...? Nein. Nein das kann nicht sein. Das würde ich niemals machen. Plötzlich sah ich alles verschwommen und hörte mich schluchzen. Ich weinte. Aus welchem Grund auch immer. ,,Ich will nicht, dass sie noch mehr leiden, Tommy. Das ist nicht richtig. Sie sind doch unsere Freunde." Thomas nickte gedankenverloren. ,,Ja das stimmt schon, aber willst du das alles aufgeben? Wir haben lange gebraucht um das Projekt fertig zu stellen. Das Labyrinth zu bauen. Willst du das alles zerstören?" Ich nickte schnell. ,,Wir haben einen Fehler gemacht. W.C.K.D ist nicht gut, Thomas." Kurzentschlossen schnappte Thomas sich ein Blatt Papier und schrieb etwas rauf. Was schrieb er? Was war los? Waren Thomas und ich wirklich so grausam? Thomas faltete das Stück Papier zusammen und gab es mir. ,,Du hast Recht. So kann es nicht weitergehen. Wir setzen dem allen ein Ende." Plötzlich ließ ein lautes Krachen uns zusammenfahren. Arbeiter von W.C.K.D stürmten herein und packten uns grob. Ich wehrte mich. Schrie. Doch nichts half. Sie schnallten mich an ein Tisch. Ich zappelte verzweifelt, doch ich konnte mich nicht befreien. Dann ein Stich in meinem Arm und alles war weg.

Ich fiel in die Tiefe und war wieder in meinem richtigen Körper. Es fühlte sich so an, als ob ich schlafen würde, aber ich bekam alles um mich herum mit. Ich spürte eine warme und kuschelige Decke auf meinem Körper und ein weiches Kissen unter meinem Kopf. Ich hörte Stimmen, konnte sie aber nicht richtig zuordnen. Irgendjemand saß neben mir auf dem Bett. Ich versuchte meinem Körper irgendwie zu signalisieren, dass ich jetzt bereit bin. Dass er sich bewegen soll. Meine Fingerspitzen zuckten. Meine Augen flackerten etwas. Ich gab ein leises Geräusch von mir. Und dann schlug ich ruckartig meine Augen auf und hob meinen Kopf. ,,Julia?" Newt blickte mich besorgt und glücklich an. ,,Hey", brachte ich mit einem Krächzen hervor. Newt lachte und umarmte mich. Ich schlang meine Arme um seinen Körper und drückte mein Gesicht in seine Schulter. Ich atmete seinen Geruch tief ein. Er war da. Er war bei mir. Irgendwann ließen wir uns los und ich blickte mich um. Ich befand mich auf der unteren Etagen eines Etagenbettes. Es stand in einem kleinen Raum mit ein paar anderen Etagenbetten. Ein großer Tisch mit vielen kleinen Stühlen stand an der Wand rechts neben einer schweren Eisentür.

Thomas stand etwas abseits an einer Kommode gelehnt und beobachtete mich besorgt. Er ist mein Bruder. Mein großer Bruder. Mein Herz klopfte. Minho, Winston, Bratpfanne und Alby lagen in ihren Betten, setzen sich aber auf, als sie sahen, dass ich wach war. ,,Was ist passiert?", fragte ich müde. ,,Naja. Ein Typ hat dir einem Griewerstachel in die Schulter gerammt. Du warst sofort weg. Dann hat sich der Typ eine Kugel durch den Kopf gejagt", begann Minho. ,,Dann sind auf einmal viele Soldaten hinein gestürmt und haben uns mitgenommen. Sie haben uns hier her gebracht. Uns frische Kleidung und Betten gegeben. Wir sind in Sicherheit. Vor W.C.K.D. wurde uns erzählt." Ich nickte etwas überfordert. Warum wurde gerade mir das Serum gespritzt? Warum ich? 

Eine Stille breitete sich im Raum aus. Ich wusste, dass wie warten. Sie warten darauf, dass ich anfange, darüber zu reden, was ich erfahren habe. Aber ich konnte nicht. Thomas und ich haben für W.C.K.D gearbeitet. Wir sind grausame Menschen. Wie können sie mir und Thomas je verzeihen? Eine Träne rollte über meine Wange. ,,Hey, Süße", flüsterte Newt und lag seinen Arm um mich. Ich schmiegte mich an ihn. Meine Stimme zitterte als ich sagte: ,,Leute? Ich muss euch was sagen. Was wollt ihr zuerst? Eine Überraschung oder die schlechte Nachricht?" ,,Man. Jetzt spuck es aus", zischte Winston. Ich zuckte zusammen. ,,Hey, du Neppdepp. Siehst du nicht wie schwer es für sie ist? Lass ihr Zeit", verteidigte Alby mich. Winston musterte mich. ,,Sry, Julia. Ich bin gestresst." Ich erwiderte nichts darauf, sondern platzte heraus: ,,Thomas? Du bist mein Bruder. Mein richtiger, großer Bruder." 

Unsicher schaute ich ihn an. Seine Augen weiteten sich etwas, in denen sich viele, verschiedene Emotionen spiegelten. Dann kam er langsam auf mich zu. Er zog mich hoch und legte seine warmen und starken Hände auf meine Schultern. Danach drückte er mich fest an seinen Körper. Ich vergrub mein Gesicht in seine Brust und fing an zu weinen. Vor Freude und vor Erleichterung. Irgendwann lösten wir uns voneinander. Wir blickten uns an und lächelten. ,,Das ist eine gute Nachricht, Julia. Wirklich." Ich nickte. ,,Ja. Das ist es." Minho räusperte sich. ,,Ähm. Tut mir leid. Ich will diesen unglaublich emotionalen Moment wirklich nicht stören, aber was ist die schlechte Nachricht?" Ich setzte mich seufzend zurück zu Newt auf das Bett. Newt schlang sofort wieder seinen Arm um meine Hüfte. Ich knetete nervös meine Hände. ,,Es ist schwer zu erklären. Bitte hasst mich und Thomas danach nicht okay? Das würde ich nicht aushalten." ,,Moment", unterbrach Thomas mich. ,,Ich habe etwas mit der schlechten Nachricht zu tun?" Ich nickte traurig. ,,Jetzt sag schon. Es wird bestimmt nicht soooo schlimm sein", sagte Alby sanft. Ich seufzte wieder und schaute auf meine Hände. Newt nahm mit seiner freien Hand meine und drückte sie sanft. ,,Thomas und ich. Wir haben für W.C.K.D. gearbeitet. Wir haben geholfen dieses blöde Labyrinth zu bauen und den ganzen Plan mitzugestalten."

Stille. Keiner rührte sich. Ich beobachtete Thomas Reaktion. Er starrte mich an. Dann drehte er sich seufzend um und kratzte sich kopfschüttelnd am Hinterkopf. Er war verzweifelte und wusste nicht wie er damit umgehen sollte. Oder er glaubt mir nicht. Ich stand auf. ,,Tommy", begann ich. Er drehte sich wütend zu mir um. Seine Augen schimmerten etwas. ,,Soll das etwa heißen, dass wir unseren Freunden das alles angetan haben? Willst du mich verarschen? Das glaube ich nicht." ,,Es ist aber so, Thomas. Unsere Mutter hat uns an W.C.K.D gegeben um uns vor dem Brand zu beschützen." Thomas hielt eine Hand hoch, um mich zum Schweigen zu bringen. ,,Lass es, Julia. Im Ernst. Es reicht. Ich glaube dir kein Wort. Das würde ich niemals tun." Er drehte sich wutentbrannt um und verschwand aus dem Raum. 

Ich atmete enttäuscht aus und ließ mich auf den Boden fallen. Newt ließ sich neben mir nieder und umarmte mich. Ich schmiegte mich an seinen Körper. Ich will für immer bei Newt bleiben. Nicht an Thomas wütendes Gesicht erinnert werden. Nicht daran zu denke, dass ich meinen großen Bruder vermutlich schon verloren habe. Ich atmete schwer gegen Newts T-Shirt und versuchte mit aller Kraft meine Tränen zurück zu halten.

Maze Runner - NewtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt