Lokis Sicht:
Elaine wendete sich interessiert in meine Richtung. Ich verstand, dass sie mehr über mich erfahren wollte, denn wer war schon gerne mit jemandem zusammen, der nie etwas über sich Preis gab, obwohl er schon so viel erlebt hatte? Doch es gab wenige Geschichten, die ich ihr freiwillig erzählen wollte, denn die meisten waren grausam und endeten damit, dass ich jemanden tötete oder von den anderen betrogen wurde. Es war zu schmerzlich für mich darüber zu reden und ich wollte auch nicht, dass sie mich als Mörder sah, oder zumindest jemand, der tötete. Sie wusste von Tyr und den Wölfen und das war schon mehr als genug. Doch da war diese eine Geschichte, bei der ich relativ teilnahmslos gewesen war und dazu war sie noch unglaublich unterhaltsam.
„Vor vielen Jahren, als ich noch in Asgard wohnte und viele der Asen meine Freunde waren, kam Thor eines Nachts zu mir und erklärte, dass sein Hammer gestohlen wurde", begann ich grinsend. Ich liebte die Geschichte und konnte kaum erwarten ihr Gesicht zu sehen.
"Wir gingen zu Freya, da Thor sich von ihr Magie leihen wollte, mit der er sich in einen Falken verwandeln konnte, um seinen Hammer zu suchen. Da ich aber fähiger war als er, was Magie betrifft, flog ich an seiner Stelle umher und fand schnell im Norden der Neun Welten den Riesenfürsten Thrym, der gestand Mjölnir zu haben. Doch natürlich wollte er ihn nicht einfach wieder her geben. Er verlangte von uns Freya als seine Braut nehmen zu dürfen. Diese rastete aus, als ich die Nachricht überbrachte. Natürlich weigerte sie sich, das konnte wohl jeder verstehen und so suchten wir nach einer anderen Möglichkeit. Längst hatten die anderen Götter von dem Raub erfahren und Heimdall, einer der engsten Freunde Thors schlug vor ihn an der Stelle von Freya zu schicken, mit ihrem Schmuck und Gewand."
Elaine begann zu lachen: „Ihr habt Thor, den hünenhaften Gott des Donners als Braut verkleidet?" erschrocken, aber immer noch grinsend hielt sie sich die Hand vor den Mund, als sie merkte, wie laut sie gesprochen hatte. Ein Mann zu unserer Rechten warf uns einen verstörten Blick zu. Doch ich konnte gar nicht anders, als auch zu lachen. Sollten sie uns doch für verrückt halten. Und darüber hinaus war ich unendlich froh sie wieder etwas freudiger zu sehen. Die letzte Nacht war so wunderschön gewesen und nun war all die Magie verschwunden und die Sorgen überschatteten unsere Leben. Ich wollte, dass es ihr wieder gut ging. Dies war das einzige Ziel, welches ich momentan für realistisch erreichbar hielt.
„Ja wir haben es tatsächlich geschafft Thor als Frau zu verkleiden. Er weigerte sich zwar und ich muss sagen, mich konnte er so nicht täuschen, auch nicht mit Schleier und Freyas Schmuck. Doch da es sich nur um Riesen handelte, die Freya noch nicht einmal kannten, sollte das wohl genügen. Da ich ihn nicht alleine gehen lassen konnte, du weißt ja wie schnell er ausrasten kann, verkleidete ich mich als Magd, um ihn zu begleiten."
Elaine prustete: „Irgendwie kann ich mich dich schon eher in solchen Klamotten vorstellen", neckte sie mich. „He, ich sehe doch nicht aus wie eine Frau", ich knuffte sie in die Seite, nahm es ihr aber nicht übel. Ich hatte zwar Muskeln, aber neben Thor würde wohl jeder dürr und schwach aussehen.„Thor besitzt einen Wagen, der von zwei Böcken gezogen wird. Diese trieb er schnell an und nach zwei Tagen erreichten wir die Burg von Thrym. Alles war bereits vorbereitet und wie erwartet erkannte niemand unsere List. Wir setzten uns an die Tafel und aßen mit ihnen. Doch wie Thor nun mal war, aß er ein ganzes Wildschwein und an die zehn Lachse. Du hättest die Blicke der Riesen sehen sollten. Welche Frau kann schon so viel essen? Ich schaffte es dann, es damit zu erklären, dass ‚Freya' seit vielen Tagen nichts gegessen hatte, so aufgeregt und liebeskrank war sie wegen der Hochzeit." Jetzt konnte sich Elaine nicht mehr halten: "meinst du ich kann Thor mal darauf ansprechen, wenn er mich mal nerven sollte oder ärgern?" Sie grinste verschmitzt und ich erkannte in diesem Moment ein klein wenig von mir selbst in ihr wieder. „Solange du ihm nicht erzählst, dass du das von mir hast", lachte ich.
„Der Riese glaubte mir und nach dem Essen befahl er seinen Dienern Thors Hammer zu bringen, als Gegenstand für ein Weihungsritual. Und das war ihr großer Fehler. Sobald Thor Mjölnir auf seinem Schoß liegen hatte, trat ich einige Schritte zurück und die er bewies mal wieder, warum er der Gott des Donners war und einer der besten Krieger der Asen oder gar der Neun Welten."
„Das war echt eine gute Geschichte", lächelte Elaine. „ich finde es schön mehr über deine Welt zu erfahren."
„Wenn wir mehr Zeit für uns haben und es deinem Vater wieder besser geht, werde ich dir gerne mehr zeigen. Die Schatulle des Mimir und die Geschichten waren nur der Anfang. Ich kann Dank der Zauberkraft der Wanen viele Dinge und Orte besuchen. Ich werde dir eine Welt zeigen, von der die meisten nur träumen können", versprach ich ihr und sie nickte erfreut.
Müde legte sie einige Minuten später ihren Kopf an meine Schulter, während sie meine Hand hielt und schlief ein. Ich musterte ihr wunderschönes Gesicht und blickte dann hinaus. Draußen war es stockdunkel, wenn wir in wenigen Stunden in London landen würden, würde dort gerade die Sonne aufgehen. Durch die Zeitverschiebung würden wir kurz vor sieben Uhr morgens ankommen. Ich war gespannt wie sehr ihr das zu schaffen machen würde. Dies und die fast schlaflose letzte Nacht.
Ja, die letzte Nacht... ich hatte gehofft, dass die nächste Zeit genauso wunderschön werden würde, eigentlich die ganze Zeit bis zum Ende des Sommers. Ich wollte jede Sekunde mit ihr genießen, doch das Schicksal hatte uns mal wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Keiner konnte etwas dafür und dennoch war ich wütend, dass mir schon wieder etwas verwehrt wurde. Ich hatte nicht sonderlich Lust darauf ihre Familie zu treffen, nicht dass ich sie nicht kennenlernen wollte, nein das war es nicht. Doch es würde Fragen über Fragen geben, zu meiner Herkunft und eventuell auch zu unserem Altersunterschied, denn auch wenn ich jung aussah, so war ich auch so fast zehn Jahre älter. So sah es zumindest für sie aus. Ich würde viel lügen müssen, womit ich normalerweise kein sonderliches Problem hatte, doch wenn Elaine die Wahrheit kannte und auch wusste, dass es nötig war nicht die Wahrheit zu sagen, war es doch merkwürdig in ihrer Gegenwart nicht ehrlich zu sein. Doch alleine hätte ich sie auch niemals gehen lassen. Bis auf Thor hielt mich nichts mehr in San Diego. Nur das Versprechen keine Dummheiten anzustellen oder davon zu laufen, band mich noch an diese Stadt, in der mein Freund nun ganz alleine war.
Doch ich würde ja mit Elaine wieder zu ihm fliegen und alles Weitere klären. Ich konnte und wollte ihn nicht noch einmal enttäuschen, denn das wäre dass einmal zu viel gewesen und auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, als jemand der gerne selbst die Kontrolle hatte, brauchte ich ihn, wenn ich in einigen Monaten oder Wochen noch leben wollte.
Erschöpft lehnte ich mich zurück und musterte den Mond in der Ferne, die Sterne und kleine Wolken, die im Licht des Universums umhertrieben, bis auch mir die Augen zufielen und ich ineinen traumlosen Schlaf sank.

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Ragnarök - Sommerregen✔️
Historical FictionZweiter Teil der Ragnarök Reihe Elaine ist aus Helheim zurückgekehrt und kennt die Wahrheit um Loki. Doch damit fangen die Probleme erst an. Während der Gott des Feuers versucht gut bei ihr dazustehen, möchte sie einfach nur die Wahrheit kennen. Wi...