Prolog

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Thor stand am Rande der Regenbogenbrücke beim Bifröst und blickte in die Weiten des Alls.
Er stand schon sehr lange dort und dachte über all die Geschehnisse der letzten Jahre nach. Noch vor wenigen Stunden, bei der Unterredung mit seinem Vater, war er sich sicher gewesen auf die Erde hinab zu fahren und Loki zu finden. Dafür, dass er Tyr, seinen Halbbruder umgebracht hatte, wollte er ihn zur Rechenschaft ziehen. Doch auch jetzt konnte er die Jahrhunderte der engen Freundschaft zu diesem Gott nicht vergessen. So oft waren sie gemeinsam nach Midgard gereist und hatten die Sturmriesen, die die Menschen bedroht hatten, erschlagen. Während er selbst immer ungestühm und oft zu schnell gehandelt hatte, ohne zu überlegen, hatte Loki ihn immer darauf besonnen erst Nachzudenken und nichts zu tun, was man anschließend bereuen könnte. Er musste zugeben, dass sie gute Gefährten gewesen waren und er wollte keine der gemeinsamen Erlebnisse missen. Doch wenn der Allvater so schlecht über Loki sprach, so musste auch etwas daran stimmen. Odin hatte noch nie jemanden zu Unrecht beschuldigt und auch nun musste es einen guten Grund geben, dass er alle gegen den Gott des Feuers aufgebracht hatte. Thor hatte sich mitreißen lassen, doch hier draußen, wo niemand war, der ihn beeinflussen konnte, schaffte er es endlich selbst nachzudenken.

Er wusste, dass sein Freund schon immer gerne Scherze getrieben hatte und es vielleicht auch das ein oder andere Mal dabei übertrieben hatte, doch dies hier war etwas ganz anderes. Als er seinen Vater auf die Gründe Lokis Verbannung und Verurteilung zum Tode angesprochen hatte, hatte dieser nur eine Gegenfrage gestellt. Ob Thor ihn anzweifeln würde? Der Gott des Donners kam nicht über den Gedanken hinweg, dass da etwas war, was Odin nicht erklären wollte, nicht mal seinem eigenen Kind.

"Du glaubst noch immer an seine Unschuld?", fragte Heimdall unvermittelt und trat neben den Gott. Thor wandte seinen Blick nach rechts zum Hüter der Welten.

"Du hast Loki schon immer nicht gemocht. Deine Meinung über ihn stand schon vor tausenden Jahren fest", antwortete Thor trocken. Das war der Grund warum er seinen anderen engen Freund nicht zu Loki befragt hatte. Heimdall hatte noch nie etwas für ihn übrig gehabt und hatte das auch nie sonderlich verborgen.

"Er gehört einfach nicht zu uns. Er hat immer nur Unfrieden gestiftet und jetzt ist das Maß voll. Selbst der Allvater hat erkannt, dass Loki gestoppt werden muss. Über seine Methoden lässt sich streiten, doch ich bin froh, dass er endlich Asgard verlassen hat", erklärte Heimdall seine Meinung.

Thor schaute wieder in die Ferne: "ich weiß, was du sagen wirst, wenn ich dich frage, doch bitte vergiss ein Mal deinen Hass und hilf mir die richtige Entscheidung zu treffen. Egal, was Loki Tyr angetan hat, er hatte unser Versprechen bis zum Ende des Sommers Zeit zu haben, alles wieder gut zu machen. Wie kann ich also nun nach Midgard reisen und ihn töten? Ist es das, was aus uns geworden ist? Wir verurteilen einen Gott, ohne, dass er sich selbst verteidigen kann?"

Heimdall schwieg. Thor konnte nicht genau erkennen, was in dem Gott gerade vor sich ging. Der Beschützer der Neun Welten war schon immer einer derjenigen gewesen, die an undurchschaubarsten waren.

"Ich kann dir deine Entscheidung nicht abnehmen mein Freund", begann Heimdall schließlich. "Es steht mir nicht zu dir zu sagen, was richtig ist und was falsch. Doch ich möchte, dass du weißt, dass ich Loki immer im Blick hatte die letzten Wochen. Er hat sich wirklich Mühe gegeben und hat es gerade nicht einfach. Er hat eine Sterbliche gefunden und ich denke, auch Frieden mit sich selbst geschlossen. Wäre die Angelegenheit mit Tyr nicht, so wäre ich der Meinung gewesen, ihn einfach auf der Erde zu lassen. Es geht ihm gut."

Thor blickte seinen Freund zunächst ungläubig an. Loki und eine Sterbliche? Auch wenn er nie viele Frauen gehabt hatte und er ihn im Vergleich zu sich schon als relativ treu bezeichnen würde, konnte er sich eine Menschenfrau an seiner Seite nicht vorstellen. Doch andererseits... Loki hatte die Menschen schon immer sehr gemocht und die Schönheit von Midgard geliebt. Vielleicht hatte er endlich ein Zuhause gefunden, hatte er Thor doch einst erzählt, dass er nicht wisse, wo er hingehörte. Zu klein für einen Riesen, zu stürmisch für einen Asen.

In diesem Moment hatte er seine Entscheidung getroffen. Er würde auf die Erde reisen, doch nur um mit eigenen Augen zu sehen, was Heimdall ihm gerade berichtet hatte und um Loki zu warnen. Der Gott des Feuers war wie ein Bruder für ihn und er würde nicht zulassen, dass die anderen Götter ihm etwas antaten, bevor er sich selbst verteidigen konnte.

Er war wütend auf sich selbst, wie schnell er sich von den anderen hatte mitreißen lassen. Sie vertrauten nun darauf, dass er die Aufgabe ausführte und es würde sehr schwierig werden ihnen beizubringen, dass er nichts getan hatte. Er würde sich noch etwas einfallen lassen.

Hiii,
WILLKOMMEN zum zweiten Teil der Ragnarökreihe.
Ich hoffe euch hat der Prolog gefallen und seid gespannt auf mehr.
Ich wünsche euch einen wunderschönen zweiten Weihnachtsfeiertag,

Bis zum nächsten Mal

LG eure Cristina

Ragnarök - Sommerregen✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt