Chapter Twenty-Six: die Göttin der Heilkunst

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Auf der Fahrt nach London zogen immer dichtere Wolken auf. Schon bald fing es an zu regnen. Teilnahmslos saß ich auf dem Beifahrersitz und starrte in die Dunkelheit, während mein Großvater sich alle Mühe gab bei dem schlechten Wetterverhältnissen so früh wie möglich anzukommen. Lorena war daheim geblieben, um sich um das Haus und die Tiere zu kümmern.

Warum hatte Loki das nur getan? Was war geschehen, dass er einfach ging, ohne mir ein Wort davon zu sagen? Lag es daran, dass er wusste, dass ich es ihm mit allen Mitteln versucht hätte auszureden, wenn er mir davon erzählt hätte? Ich machte mir wahnsinnige Sorgen um ihn, da ich wusste wie grausam die Welt dort draußen war und dass er von den meisten Göttern mehr als nur gehasst wurde. Wo war er wohl in diesem Moment?
Ich war unfassbar wütend auf ihn gewesen, doch die Wut wich immer mehr der Angst vor der Ungewissheit. Ich konnte nicht einfach nichts tun. Schließlich war Asgard nicht einfach ein Ort, an den ich ohne Umstände gelangen konnte.

Außerdem war da noch mein Vater, zu dem wir unbedingt laut Loki fahren sollten, obwohl sich nach einem Telefonat direkt nachdem wir losgefahren waren, herausgestellt hatte, dass sich sein Zustand nicht verändert hatte. Was hatte Loki also damit beabsichtigt, als er meinem Großvater dies auftrug?

Bjarne, der mich immer wieder von der Seite anschaute, brach nach einer Ewigkeit die Stille und holte mich für einen Moment aus meinen Gedanken.

„Elaine, Schatz. Ihm wird es schon gut gehen. Götter haben immer einen Plan, den wir Menschen nicht verstehen werden."

Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Ich verstand genauso wenig wie Lokis Verschwinden, die Rolle meines Großvaters dabei. Noch immer hatte er mir nicht erklärt woher er von all dem wusste und was er mit dem Gott besprochen hatte, bevor er gegangen war. Es wurmte mich, dass er vermutlich mehr wusste als ich. Also nickte ich nur stumm und drehte mich dann wieder Richtung Fenster.

Der Regen schlug gegen die Scheiben, die Tropfen trommelten auf das Autodach. England war zwar für seinen Regen bekannt, aber dies hier war anders. Es war kalt und trist geworden. Einzelne Bäume verloren ihre Blätter. Das da draußen war ein Sommerregen, der immer mehr an Herbst erinnerte. Dazu kam auch noch der unfassbar starke Wind, der immer wieder versuchte das Fahrzeug zur Seite zu drücken.

Ich war froh, als wir endlich nach Stunden in den Hinterhof des Krankenhauses einfuhren. Ich wartete gar nicht, bis Bjarne den Motor ausgemacht hatte, schon war ich aus dem Auto gesprungen und rannte durch den Regen. Dass ich binnen Sekunden komplett durchnässt war, störte mich nicht im Geringsten. Ich war der festen Ansicht, dass ich bei meinem Vater angekommen eine Antwort auf die Frage nach Lokis Verschwinden bekommen würde.

Ich stolperte durch die tiefen Pfützen auf dem Pflaster und war schon bei den Aufzügen angelangt, bevor Bjarne überhaupt den Eingangsbereich betreten hatte. Ich warf ihm einen Blick zu, doch er winkte mir zu, dass ich nicht auf ihn zu warten brauchte.

Das Krankenhaus war wie ausgestorben, als ich oben ankam und eilig über den Flur lief. Diesmal aber langsamer, um die Patienten in den anderen Zimmern nicht zu wecken. Auf dem spärlich beleuchteten Gang kam mir nach einigen Metern eine Frau entgegen. Ich bremste einen kurzen Moment ab, um sie zu mustern. Irgendetwas hatte sie an sich, was mich stutzen ließ. War es ihre untypische Schwesternkleidung oder doch das Lächeln, das sie mir zuwarf, welches eine fast schon magische Ausstrahlung hatte? Doch schon war sie an mir vorbei geschwebt und ich bei dem Zimmer meines Vaters angelangt. Ich spürte wie das Amulett unter meinem Pulli warm wurde und pulsierte, doch nahm ich es nicht wirklich bewusst war. Zu sehr war ich mit meinen Gedanken bei meinem Vater.

Die Tür stand einen Spalt offen. Leise drückte ich sie weiter auf und erkannte im Schein der Lichter der Stadt, welcher durch die Fenster eindrang, meine Mutter schlafend in einem Sessel sitzen. Mein Vater hatte ebenfalls die Augen geschlossen.

Ragnarök - Sommerregen✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt