Chapter Sixteen: Der Gedanke und die Erinnerung

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Als die Maschine auf dem Boden aufsetzte wurde ich wach. Müde rieb ich mir die Augen und musste mir erst einmal meiner ungewohnten Umgebung bewusst werden. Ich hob meinen Kopf von Lokis Schulter und musterte den Gott, der noch immer die Augen geschlossen hatte.

Das Flugzeug machte eine Kurve auf der Landebahn und Sonnenlicht durchflutete das Innere. Lokis Lider begannen zu zucken und dann wurde auch er wach. Verschlafen öffnete er die Augen und lächelte, als er bemerkte, dass ich ihn ansah. „Guten Morgen", murmelte er und streckte sich in alle Richtungen. „Morgen", antwortete ich und gab ihm einen Kuss.

Der Flughafen war bis auf wenige Reisende verlassen, so früh am Morgen. Die Zeitverschiebung schien mir jetzt schon schaffen zu machen, denn ich fühlte mich total gerädert. Nachdem wir unser Gepäck hatten, verließen wir die große Eingangshalle des Heathrow Flughafen und bahnten uns einen Weg durch die wartenden Taxis. Mason stand etwas abseits neben seinem Auto und rauchte. Als ich ihn bemerkte, drückte ich Loki meinen Koffer in die Hand und eilte über die regennasse Straße zu ihm. Er lächelte und kam mir entgegen. Glücklich fielen wir uns in die Arme und ich konnte die aufkommenden Tränen nicht verbergen. Es war so lange her, dass ich daheim gewesen war. Ich freute mich so sehr ihn zu sehen und konnte es kaum erwarten meine Eltern zu treffen. Doch, da er jetzt vor mir stand wurde mir der Grund, weshalb ich überhaupt hier war wieder schmerzlich bewusst. „Schön dich zu sehen", begrüßte mein Cousin mich. Ich nickte und löste mich von ihm. „Wie geht es Dad?", fragte ich, während ich mir die Tränen aus dem Gesicht wischte. Masons Blick wurde traurig: „nicht viel besser als seit unserem Telefonat. Die Ärzte können nicht sagen, ob er es schaffen wird. Aber dich zu sehen wird ihn bestimmt sehr freuen." Er versuchte mich aufzumuntern und legte mir seine Hand auf die Schulter.

Mittlerweile war auch Loki bei uns angekommen und reichte Mason die Hand: „Hallo, schön dich kennen zu lernen. Ich bin Aidan." Wie komisch es war diesen Namen zu hören, nach all dem, was ich nun über ihn wusste. Mein Cousin lächelte: „ich bin Mason. Auch schön dich kennen zu lernen" und an mich gewandt fuhr er fort. „ich wusste ja gar nicht, dass du einen Begleiter mitbringst?"

Ich war mir nicht sicher, was ich antworten sollte. Wie komisch mochte es wohl für ihn sein? Ich war jünger als Mason und stand hier plötzlich mit einem viel älteren Mann vor ihm.

„Er konnte es sich nicht nehmen mich zu begleiten. Aidan ist mein Freund, aber da alles noch so frisch ist, wollte ich noch abwarten, bis ich es euch erzähle", versuchte ich es schließlich mit einer harmlosen Erklärung, die Wörter wie ‚Dozent' oder ähnlichem ausließen. Mason musterte mich und dann Loki skeptisch, dann nickte er: „also gut, lasst uns fahren, sie warten auf uns."

Der Weg vom Flughafen zum London Bridge Hospital dauerte eine gute Stunde. Loki hatte sich nach vorne zu Mason gesetzt und sie redeten über Belanglosigkeiten, während ich es mir auf dem Rücksitz bequem machte und die Aussicht genoss. Die Stadt erwachte langsam zum Leben und die Straßen füllten sich an diesem Frühsommermorgen. Letzte Wolken verzogen sich, in der letzten Nacht musste es aufgrund der nassen Straßen heftig geregnet haben und die Sonne strahlte vom Himmel. Ungewöhnlich für London, denn wie jeder wusste regnete es hier sehr häufig. Doch ich liebte dieses Wetter und den Meeresgeruch in der Luft. Auch wenn San Diego ebenfalls am Meer lag, so mochte ich den stetigen Wind und die kühlen stürmischen Tage.

Mason überquerte die Lambeth Bridge und ich beobachtete die Schiffe auf dem grünlichen Wasser der Themse. Möwen kreisten dicht über der Wasseroberfläche auf der Suche nach Nahrung. Plötzlich spürte ich etwas Warmes unter meinem Oberteil. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich begriff, dass es sich um das Amulett von Helia handelte. Ich zog es hervor und konnte es kaum noch in der bloßen Hand halten. Ein Gott. Irgendwo da draußen musste ein Ase sein, denn so hatte es das letzte Mal nur reagiert, als Thor im Krankenhaus aufgetaucht war. Ich suchte die Umgebung ab, so gut es während der Fahrt ging, doch konnte ich nichts entdecken. Bis auf zwei Raben, die in einiger Entfernung parallel zum Wagen flogen. Sie stiegen hoch in die Lüfte und setzten sich auf ein Hausdach, doch als wir an ihnen vorbei fuhren, flogen sie wieder los und quer über das Auto. Niemandem sonst würden schon Vögel in der Luft auffallen und auch noch auf die Idee kommen, dass sie einem folgen könnten, aber warum sonst sollte das Amulett brennen wie Feuer? Und da kam mir ein beunruhigender Gedanke. Hatte Odin nicht zwei Raben? Hugin und Munin? Der Gedanke und die Erinnerung. Die treuen Begleiter des Allvaters flogen über alle Neun Welten und flüsterten ihrem Herrn alles ins Ohr, was sie gesehen und gehört hatten. Konnte es wirklich sein, dass Odin Loki gefunden hatte und nun beschatten ließ? Nachdem Geri und Freki gescheitert waren, versuchte er nun vielleicht eine andere Möglichkeit, um Loki zu schnappen.

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