Kapitel 12

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Heute war das vorletzte Spiel, welches wir im Westfalenstadion bestreiten würden.
Heute war aber ein besonderer Tag. Zumindest für mich.
Lynn würde heute endlich wieder im Stadion sitzen und mir dabei zusehen, wie ich spielte.
Heute wollte ich mehr als nur 100 Prozent geben.
Ich würde alles dafür geben, dass sie am Ende stolz auf mich war, auch wenn sie das immer war.
Heute sollte sie besonders stolz sein.

,, Na, Captain. Bereit?" Peter lächelte mich an.
,, Ich bin ehrlich, nervös bin ich. Besonders heute. Heute wird der Fokus auf ihr liegen, das merke ich. Sie war ewig nicht mehr im Stadion, geschweige denn wurde sie mit mir gesehen." Peter bot mir an, mich neben ihn zu setzen, was ich auch tat.
,, Findest du nicht besser, vorher bekannt zu geben, dass sie Krebs hatte aber diesen jetzt besiegt hat?" Ich kratzte mir den Kopf.
,, Ich weiß nicht, dann liegt der Fokus ja noch mehr auf ihr, jeder sieht sie an, jeder will sie fotografieren.. Das mag ich ihr nicht antun."
,, Dann kann sie sich vorher aber darauf einstellen, wenn die Leute dann auf sie losgehen, ist das sehr überraschend.
Das wäre mein Rat an euch aber das müsst ihr entscheiden.", er klopfte mir auf die Schulter und stand auf.

Einige Zeit ließ ich mir seine Worte durch den Kopf gehen.
Im Grunde hatte er Recht, in mir tobte trotz allem diese Angst, dass das alles zu viel für sie werden würde. Sie schien sich auch nicht beruhigen zu lassen.
Ich beschloss, dass ich Lynn anrufen sollte, damit ich ihre Meinung dazu hören konnte. Dazu verzog ich mich allerdings auf mein Hotelzimmer.
,, Hey, Marco. Was gibt's?", ging sie gut gelaunt dran.
,, Hey, babe. Ich habe gerade mit Peter geredet und der hat mir gesagt, dass er es besser für uns und besonders für dich fände, wenn wir alles rund um deine Erkrankung jetzt schon öffentlich machen." Stille.
,, Ich weiß nicht, Marco."
,, Wir müssen nicht, wirklich nicht. Er hat nur gesagt, dass du dich dann besser auf die Reaktion der Leute im Stadion einstellen kannst etc. Damit hat er auch gar nicht so unrecht."
,, Schon klar..", sie stockte.,, Dann lass es uns machen."
,, Bist du dir sicher? Wir müssen nicht."
,, Nein, ist okay. Übernimm' du das bitte..", die letzten paar Worte hauchte sie nur.
,, Ich liebe dich. Du bist die stärkste Frau, die ich kenne."
,, Ich liebe dich auch, Marco."

Lange habe ich überlegt, wie ich die Worte unter meinem Post richtig formulieren sollte.
Ich entschied mich dazu, mich kurz zu halten, ich war eh nicht der Mensch für lange Sätze.
She did THAT. #beatencancersbutt
Mir war egal, was mein Management von dem Hashtag hielt. Sie hatten nur begrenzt Zugriff auf meine Social Media Profile und wenn ich ehrlich war bereute ich selbst dies.

Was genau die Leute darauf antworteten wusste ich nicht, die Benachrichtigungen für die besagten Apps waren ausgeschaltet.
Ich wollte auch nicht wusste, wie darauf reagiert wurde.
Meine Konzentration galt dem heutigen Spiel. Wirklich nur dem Spiel, für mich hing viel daran.
Nicht nur, dass Jogi Löw schon bald einen vorläufigen WM-Kader wählen musste. Das sicherlich auch.
Wie gesagt hatte ich aber das Gefühl, dass ich mich heute beweisen musste. Mal wieder.
Bewiesen hatte ich mich zwar erst, als ich nach zwei Monaten wieder auf dem Platz stand. Nachdem das mit Lynn jetzt aber bekannt wurde, war es wieder dieses Gefühl, dieser Druck.
Dieser Druck, der aber eigentlich gut tat. Denn auch heute wusste ich, dass ich überzeugen würde.

Dass ich das Hotel noch verlassen musste und somit auf Fans traf, war mir klar. Etwas fürchtete ich mich davor. Allerdings nur etwas.
Vielleicht würde sich auch niemand trauen, mich darauf anzusprechen.

Ich setzte mir meine Beats auf und atmete ein letztes mal tief durch, bevor ich mir meinen Rucksack schnappte, die Musik anmachte und in Richtung Aufzug lief.
Bereits als sich die Tür von diesem öffnete, sah ich einige Menschen in schwarz gelb, welche auf Autogrammjagd waren.
An der Rezeption gab ich schnell den Zimmerschlüssel ab und lief schließlich nach draußen.
Ich schloss die Augen und biss mir auf die Unterlippe.
Was machte ich nun?
,, Marco?", rief jemand mit einem wahnsinnigen Stimmenvolumen, da ich es trotz meiner lauten Musik hörte.
Ich drehte mich um.
Eine Mädchen, circa 16 Jahre alt, stand vor mir und lächelte mich schief an. Ich schob mir die Kopfhörer vom Kopf.
,, Ich kann verstehen, wenn du jetzt keine Autogramme oder so-", entschlossen unterbrach ich sie.
,, Es ist schon okay, an wen soll ich das widmen?"
,, Für.. Für Vanessa." Mein Blick schoss nach unten.
,, Kennen wir uns irgendwo her?", rutschte es mir raus.
,, Ähm.. Ich.. Das ist möglich.. Vielleicht.."
,, Bist du nicht das Mädchen, das auf der Station von meiner Freundin ihr Praktikum gemacht hat?" Verlegen sah sie weg.
,, Ja.."
,, Ich finde es toll von dir, dass du niemanden von Lynn und ihrer Krankheit erzählt hast."
,, Das.. Das ist selbstverständlich. Ich habe schließlich eine Schweigepflicht unterschrieben.
Außerdem hätte das ihrem Genesungsprozess vielleicht geschadet und-", sie erstummte und lief rot an.
,, Trotzdem, das finde ich nicht selbstverständlich. Danke."
Ich schoss noch ein Foto mit ihr und verschwand dann im Bus.
Diese Begegnung ließ mir einige Minuten lang keine Ruhe, bis ich schließlich meine Kopfhörer wieder aufsetzte und mir klar machte: Nicht jede Seele eines Mensch war schlecht, nur weil die meisten es waren.

In der Kabine hatte ich äußerst gute Laune.
Ich tanzte sogar zu der Musik unseres heutigen Kabinendjs mit.
Ich sang sogar.
,, UND DER RICHTER SCHREIT ICH WAR DER TÄTER DOCH HEUT' BIN ICH EIN STAR SO WIE NEYMAR!", unwillkürlich begann ich zu lachen, da das Lied mich leider an mich und meine Führerscheingeschichte erinnerte.
Auch die anderen Jungs fingen an zu lachen. Die Stimmung war ausgelassen.
Für mich war das wirklich wichtig, da mich das vor einem Spiel entspannte.

Ich sollte Recht behalten. Dieses Spiel war eines meiner besten überhaupt.
Danach ließ ich mich feiern. Mein Blick hielt jedoch an Lynn und Jonas fest, welche so unglaublich stolz waren und sich nicht auf den Sitzen halten konnten.

Nach dem Spiel wollte jemand mich rund um Lynn interviewen. Das einzige was ich jedoch jemals zu einer Zeitung à la Bild sagen würde war:,, Ich bin stolz auf sie. Stolzer könnte ich nicht sein."




fix you - Ich rette Dich [ Marco Reus ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt