10. Kapitel

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Ich parkte halb auf dem Bürgersteig, wobei ich von Glück sprechen konnte, dass mein Baby noch ganz war....ich hasste es seitlich einzuparken, das hätte mich auch beinahe bei der Prüfung durchrasseln lassen. Ich lehnte mich nach hinten und fischte mein Handy aus meiner Hosentasche. Die Sonne war gerade erst aufgegangen, die beste Zeit fürs Training. Ja ich konnte auch früh aufstehen. Ich wählte die Nummer, die ich erst gestern frisch in mein Handy eingespeichert hatte und musste grinsen, derjenige wird es gleich bereuen. ,,Was?", krächzte Stuart in sein Handy, aha er hatte also bis eben geschlafen gehabt...perfekt. Mein Grinsen wurde nur noch breiter. ,,Erste Lektion beginnt in zehn Minuten. Ich würde mich beeilen", sagte ich freudestrahlend und fuhr mein Fenster runter, als wüsste ich schon längst, was Stuart sagen würde. ,,Du liegst wetten noch im Bett und verarschst mich", sagte er und ich lachte auf. ,,Guck aus dem Fenster", meinte ich und er seufzte. ,,Würde nichts bringen, außer wenn du in unserem Garten stehen würdest", sagte er und sein Bett knarrte. Das war Strategie, so jetzt weiß ich wo er sein Zimmer hatte. ,,Du stehst nicht ernsthaft vor meinem Haus", sagte Stuart und ich sah wie ein verwuschelter Kopf aus einem der Fenster lugte. ,,Jo. Deine Zeit läuft. Acht Minuten. Ich will nicht unbedingt hochkommen müssen und dir ausziehen helfen müssen", sagte ich und er seufzte zum zweiten Mal. ,,Gib mir fünfzehn", sagte er und der Wuschelkopf verschwand vom Fenster. ,,Nein acht! Deine Haare gehen so. Wir gehen nicht auf Disko, wo man sich hübsch machen muss und nicht in einen Puff, wo man sich verkleiden muss, um älter auszusehen. Beweg deinen Arsch hier her!", sagte ich und ich hörte Schranktüren knallen. ,,Ich hasse dich", nuschelte Stuart und ich grinste noch mehr. ,,Ach Stuart, ich weiß doch, dass du mich nicht hassen kannst", sagte ich und ich hörte nur ein Piepen. Jetzt hat der auch noch aufgelegt...ich stöhnte genervt auf und drückte auf die Hupe. Jetzt ist auch der letzte wach, versprochen.

,,Ich bereue es", sagte er genervt als er sich auf den Beifahrersitz fallen ließ. ,,Was genau? Das du nicht mit mir befreundet sein willst und du leugnest, dass du mich magst oder das du heute kein Karamellshampoo trägst?", fragte ich und parkte aus. ,,Ich bereue es, mich auf das hier eingelassen zu haben....es ist halb sieben?! Was willst du um diese Uhrzeit bitte, trainieren?", fragte er und strich sich durch seine ungemachten Haaren. ,,So sieht das echt geiler aus", meinte ich und sah ihn an. ,,Verdammt guck auf die Straße!", brüllte Stuart, als wir über eine Kreuzung fuhren. ,,Vertraust du mir etwa nicht?", fragte ich und lachte. ,,Nein ich vertraue dir ganz und gar nicht", sagte er angespannt. ,,Aber trotzdem sitzt du hier im Auto, das macht keinen Sinn", meinte ich und zwinkerte ihm zu. Er verdrehte die Augen und sah aus dem Fenster. ,,Willst du jetzt echt schmollen? alter Stuart ich tue dir hier mit einen Gefallen", sagte ich, jedoch ging Stuart nicht darauf ein und ich seufzte. Der Typ konnte ja echt manchmal so stur sein, wie ein Weib.

Stuart bewegte sich erst wieder, als ich auf einen Feldweg einbog, welcher hoch zum Wald führte. ,,Okay, gibt's zu! Du wolltest mich nur hier herzerren, um mich unauffällig umzubringen", meinte Stuart und der Wagen fuhr über ein Schlagloch. Mein armes Baby...halt durch. ,,Bring mich nicht auf Ideen, mein Lieber. Was nicht ist, kann noch werden", sagte ich und lächelte, als Stuart seine Mundwinkel verzog. Ich parkte meinen Wagen am Waldrand, jedoch zögerte ich, bevor ich ausstieg. Den Wald hatte ich seit über einem Jahr nicht mehr betreten...tja und wenn man schlau im rechnen war und ein einigermaßen gutes Gedächtnis hatte, dann müsste einem einfallen, was letztes Jahr gewesen war...und wer in diesem Wald alles zu Tode gekommen war. ,,Ist irgendwas? Oder warte stopp! Bitte sag mir, dass du mich jetzt doch heimfahren willst", meldete sich Stuart zu Wort und riss mich aus meinen Gedanken und verdrängte die Bilder, die in meinem Gehirn aufgetaucht waren. Blut...Todesschreie, der Blick den mir derjenige zugeworfen hatte, bevor ich seinen Hals umgedreht hatte. Alter, als ich im Kampf war, war es mir nicht bewusst...ich habe einfach mein Gehirn ausgeschaltet mit einem Gedanken. Rette deine Freunde und überleb! Aber jetzt, als ich den Wald so vor mir sehen, wird mir nur noch schmerzhafter bewusst, was ich damals getan habe...Wölfe getötet. ,,Ist alles okay?", fragte Stuart besorgt und griff nach meinen Arm. ,,Du zitterst und...irgendwie sieht das krank aus, wie du dich in ein Lenkrad krallst", meinte Stuart und ich sah zu ihm. Ich kontrollierte meinen Atem. Meine Krallen waren ausgefahren und mein Kiefer hatte sich verändert. ,,Dean..? Was ist los?", fragte Stuart, jedoch war ich zu unfähig zu antworten, weil ich Angst hatte, dass mein Verwandlung weiter voran schritt. Dean reiß dich zusammen. Das waren vielleicht zu viele Gefühle, die auf mich eingeströmt waren, die meine Verwandlung verursacht hatten. Ich schloss die Augen und versuchte normal zu atmen...ein...aus...ganz ruhig, alles ist gut. Meine Krallen zogen sich zurück und auch mein Kiefer formte sich in die Ausgangsposition zurück. Stuarts Hand lag immer noch auf meinem Oberarm und sein Blick lag besorgt auf mir. Wie sollte ich ihm bitte was von Kontrolle beibringen, wenn ich es selber nicht konnte...ich war eine Zeitbombe, die bei zu vielen Gefühlen explodierte und Stuart...ja Stuart explodierte bei jedem Gefühl, außer wenn er von mir genervt war, dann explodierte er anders...also er würde mich eher töten, als das er sich verwandelte. ,,Es ist alles gut", sagte ich und ließ das Lenkrad los. ,,Lüg mich nicht an, das war nicht gerade normal", meinte er und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Um meine Probleme geht es hier nicht, okay?", sagte ich und stieg aus. Am liebsten würde ich schreien...so laut wie möglich und dann zusammen sacken und einfach nur auf irgendetwas einschlagen.

,,Wann erklärst du mir, was das im Auto war? Man Dean, du hättest dich beinahe vor mir unkontrolliert verwandelt, hab ich recht?", fragte Stuart, als wir durch den Wald liefen. ,,Ach egal. Nichts weltbewegendes. Ich habe nur nichts gegessen und das hat sich bezahlt gemacht", log ich und warf Stuart ein Lächeln zu. ,,Ich auch nicht...hätten wir nicht vorher was essen können?", fragte Stuart und stieg etwas überfordert über eine Wurzel. Er war definitiv kein Waldmensch. ,,Also erstens es war Strategie, da man ausgehungert viel unkontrollierbarer ist und zweitens könntest du dich einfach verwandeln und wir jagen uns ein Reh oder so", sagte ich und Stuart sah mich empört an. ,,Aber du hast doch auch nichts gegessen. Wieso das denn? Okay bei mir wahrscheinlich, das ich es lerne. Aber eins soll dir klar sein, ich verwandele mich nicht aus Hunger, das kannst du vergessen", meinte Stuart und ich zuckte mit den Schultern. ,,Das war wohl aus Dummheit und das du dich nicht verwandeln wirst...tja das ist schade", sagte ich und warf ihm mit Tannenzapfen ab. ,,Alter geht's noch", fragte er wütend und ich lachte. Ich warf ihm ein Tannenzapfen an die Stirn, was ihn noch wütender machte. ,,Kannst du mal damit aufhören?", fragte er und ich musste nur noch lauter lachen. ,,Das ist Strategie", sagte ich, als er anfing zu zittern. ,,Dean", sagte er fast gequält und sah auf seine zitternden Hände. ,,Oh nein! Fang jetzt ja nicht an Angst zu haben, dass verschlimmert es nur! Angst und Wut sind die schlimmsten Faktoren, die eine Verwandlung herbeirufen. Denk an etwas schönes...", sagte ich und blieb stehen. ,,Du darfst keine Angst haben", wiederholte ich und fasste nach seiner Hand. Er zitterte immer noch. ,,Konzentration", sagte ich und drückte sein Hand. Er sah mich an und plötzlich entspannte er sich wieder. ,,Gut. Das war echt gut", sagte ich und lächelte. ,,Ich wollt dich nicht gewinnen lassen", sagte Stuart und ich verdrehte die Augen. Tja, wieso denn auch was anderes. Hatte ich was anderes erwartet? Vielleicht.

,,Also so schlecht war deine erste Übungsstunde gar nicht", sagte ich und biss in mein belegtes Brötchen. ,,Hm...wenn du das meinst. Also was war im Auto?", fragte er und zupfte ein Stück von seiner Brezel ab. Wir saßen auf einer Bank vor dem Bäcker und aßen unser Frühstück. Es war gerade mal zehn Uhr...alter sonst lag ich bei dieser Uhrzeit noch im Bett, aber irgendwie mochte ich die Morgensonne, die mir ins Gesicht schien und Stuarts Haare leicht glänzen ließ. ,,Es ist echt egal. Deine Haare glänzen als wären sie ein extrem dunkles Gold", sagte ich und Stuart sah mich an. ,,Was hast du nur immer mit meinen Haaren?", fragte er belustigt. Das dritte Lächeln. ,,Ich mag sie", meinte ich knapp und lehnte mich zurück. ,,Ess lieber deinen Schinken, bevor ich ihn dir aus der Hand schlage...wie kann man nur so etwas essen", sagte er und ich lächelte. ,,Der böse Killerschinken wird gleich den armen Stuart angreifen und der sonst so soziale Dean wird nichts unternehmen", sagte ich und hielt ihm das Schinkenbrötchen unter die Nase. Er rümpfte die Nase und schob meinen Arm weg. ,,Okay gut...dann will mal Dean dich vor dem bösen Killerschinken retten und ihn essen", meinte ich und biss in mein Brötchen. ,,Oh mein edler Ritter. Ich bin dir so unglaublich dankbar, er hätte mich beinahe kaltblütig ermordet, um mich zu Wurst zu verarbeiten und danach für zu niedrige Preise zu verkaufen...und dafür hätte ich beinahe mein Leben gelassen", sagte er sarkastisch und ich lachte. ,,Ich mag deinen Sarkasmus", meinte ich lachend und er zuckte mit den Schultern.

,,Lass mich raten du nervst mich am Montag eh wieder? Also bis Montag?", fragte Stuart und ich nickte. ,,Hallo? Irgendwer muss dich doch mit seiner Intelligenz belästigen", sagte ich aus und lehnte mich etwas aus meinem Autofenster. ,,Kann dich auch morgen wieder so früh abholen", sagte ich und Stuart schüttelte mit dem Kopf. ,,Wag's dir! Ich bewaffne mich mit Silber und schmeiß es aus dem Fenster genau in dein Gesicht, ich schwör", sagte Stuart und schloss die Haustür auf. ,,Bis morgen bekommst du nicht so viel Silber um mich außer Gefecht zusetzen", lachte ich und lehnte mich von Fenster zurück. ,,Ich würde es trotzdem nicht probieren", meinte Stuart, hob die Hand und verschwand hinter der Haustür. Wieso hatte ich das Gefühl, das Stuart mich mochte? Zumindest ein wenig.

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