drugs [s.m]

07| Drugs

𝕬𝖑𝖘 𝕸𝖞𝖘𝖔𝖕𝖍𝖔𝖇𝖎𝖊(𝕬𝖓𝖘𝖙𝖊𝖈𝖐𝖚𝖓𝖌𝖘𝖕𝖍𝖔𝖇𝖎𝖊), 𝖆𝖚𝖈𝖍 𝕸𝖔𝖑𝖞𝖘𝖒𝖔𝖕𝖍𝖔𝖇𝖎𝖊 𝖔𝖉𝖊𝖗 𝕸𝖎𝖘𝖔𝖕𝖍𝖔𝖇𝖎𝖊 𝖌𝖊𝖓𝖆𝖓𝖓𝖙, 𝖜𝖎𝖗𝖉 𝖊𝖎𝖓𝖊 ü𝖇𝖊𝖗𝖘𝖙𝖊𝖎𝖌𝖊𝖗𝖙𝖊 𝖚𝖓𝖉 𝖐𝖗𝖆𝖓𝖐𝖍𝖆𝖋𝖙𝖊 𝕬𝖓𝖌𝖘𝖙 𝖛𝖔𝖗 𝕶𝖔𝖓𝖙𝖆𝖐𝖙 𝖒𝖎𝖙 𝕾𝖈𝖍𝖒𝖚𝖙𝖟 𝖔𝖉𝖊𝖗  𝖉𝖊𝖗 𝕬𝖓𝖘𝖙𝖊𝖈𝖐𝖚𝖓𝖌 𝖉𝖚𝖗𝖈𝖍 𝕭𝖆𝖐𝖙𝖊𝖗𝖎𝖊𝖓, 𝖁𝖎𝖗𝖊𝖓 𝖊𝖙𝖈. 𝖇𝖊𝖟𝖊𝖎𝖈𝖍𝖓𝖊𝖙. 

[Lilith Green]

"Meine Mutter sagte immer, dass Menschen von Grund auf gleich sind. Es ist das Umfeld, das die Persönlichkeit jedes einzelnen herausbringt. Wie ein Rohdiamant, der geschliffen werden muss. Ich glaube man hat mich ziemlich verhunzt. Der Schleifer hat einfach Scheiße gebaut.
Während du... Du bist wahrscheinlich ein scheiß teurer Diamant", murmele ich und kneife meine Augen zusammen.

Seine Augen sind jetzt schon zwei Tage geschlossen.

"Wer bist du?", frage ich.

Menschen wie ich kommen nicht klar mit Menschen wie ihnen. Es sei denn, sie schlafen. Friedlich und stumm.

Ich lächele.

"Ich wollte dir nicht wehtun"

An seinem Bett hängt eine Krankenakte. Sie ist an das Ende geklipt. Meine Augen wandern auf den Abschnitt mit dem Namen.

"Shawn Mendes"

"Ich hasse dich! Ich hasse dich, ich hasse dich!", schreie ich. Meine Lungen sind mit unheimlicher Wut gefüllt.

Ich greife nach dem Pulli, den ich anhabe. Meine Finger krallen sich regelrecht in ihn.

"Ich hasse dich!", schreie ich doch halte inne. Langsam beginne ich meinen Kopf zu schütteln. Schnell drehe ich mich um, sodass ich nur noch das leere Parkdeck sehe.

"Ich hasse mich!", ist alles, was ich stattdessen herausbringe.

"Ich hasse nicht dich, sondern mich"

Mein Blick fällt auf einen Behälter mit Einweg-Handschuhen. Langsam bewege ich mich darauf zu. Ohne, dass ich es gemerkt habe, haben sich meine Hände in die Schachtel bewegt und ein Paar Handschuhe herausgezogen. Ich stülpe sie mir über, während meine Augen über den Jungen, der anscheinend Shawn heißt, wandern.

Wie automatisch bewegen sich meine Füße auf das Bett zu. Ich greife nach seiner großen Hand mit den langen Fingern.

"Du denkst bestimmt, dass es seltsam ist, was ich hier mache"

Bitter lache ich.

"Ist es auch"

Ich streiche über seinen Handrücken.

"Sagt dir Aphephosmophobie etwas? Nein? Das dachte ich mir. In der Umgangssprache wird es Berührungsangst genannt. Du denkst dir jetzt wahrscheinlich: Warum berührt mich diese Irre trotzdem? Ganz einfach: Meine Berührungsangst beruht teilweise auf Misophobie, die Angst vor Bakterien.

Weißt du, wie viele Bakterien auf der menschlichen Haut sind? Und wie viele durch das Anfassen jeglicher Gegenständen und anderen Dingen hinzugefügt werden? Es ist grauenhaft. In einer Handfläche alleine befinden sich über 150 Bakterien.

Würde ich dich umarmen können, wenn ich mir einen Plastiksack überstülpe? Die Antwort ist nein. Nein, das könnte ich einfach nicht. Es geht nicht"

Ich sehe auf die Hand, die ich in meiner halte, herab.

"Damit haben wir noch nicht die Frage geklärt, warum ich dich trotzdem berühre. Zum einen trage ich Latexhandschuhe. Zum anderen... Du siehst einfach so friedlich aus. Ich musste dich berühren. Es ist wie dieses Gefühl, wenn du als kleines Kind vor einem Haufen an Spielzeugen stehst. Du musst sie alle berühren.

Doch... Dieses Gefühl hatte ich noch nie. Vielleicht denke ich, dass ich meine Schuld begleichen kann, wenn ich jeden Tag mit dir rede"

"Quatscht du immer irgendwelche Mädchen an, wenn sie in einer dunklen Gasse herumlungern und sich Metamphetamin spritzen?", frage ich genervt und verdrehe meine Augen. Dabei liegen sie immer noch auf der hauchdünnen Nadel, die in meine Haut untertaucht.

"Nein. Nur wenn diese Mädchen zufällig sehr hübsch aussehen. Und wenn das Zeug, das sie sich spritzen, absolut scheiße ist. Ich könnte dir besseres verschaffen"

Ich lache auf. Mein Kopf schnallt dabei nach hinten und schlägt gegen die kühle Backsteinwand, an der ich zusammengesunken sitze.

"Kannst du das?"

"Sehe ich so aus, als würde ich lügen?", fragt der Junge, dessen Schuhe das Einzige sind, das ich von ihm gesehen habe. Abgeranzte Sneaker.

"Kann ich dir nicht sagen. Woher willst du überhaupt wissen, dass es schlecht ist? Ich denke es tut seinen Job", murmele ich und warte darauf, dass es das tut.

"Wie heißt du?"

"Wieso sollte ich das einem Wildfremden sagen? Du könntest sonst wer sein"

"Das sagt die, die sich gerade Chrystal Meth spritzt", lacht er. Sein Lachen ist rau, seine Stimme klingt verraucht.

"Touchée", lache ich und drehe das erste Mal meinen Kopf so, dass ich ihn sehen kann.

"Lass mich raten, dein Name ist... C-", ich unterbreche ihn.

"Ganz falsch"

"M-"

"Lilith", lache ich und erlöse ihn.

Seine Augen mustern mich von Oben bis unten.

"Du siehst aus wie Schneewittchen", gibt er dann von sich, was mich nicht wundert. Ich höre es jeden Tag. Selbst die Schüler an meiner Schule nennen mich so. Oder Freak.

"Weißt du, was mir gestern den Lachflash des Todes beschert hat? Die Tatsache, dass ich auf Twitter gelesen habe, dass Justin Bieber vor einigen Jahren 'Ich fühle mich wie der Kurt Cobain meiner Generation', getwittert hat. Das ist das Lächerlichste, das ich jemals gehört habe. Weiß der Junge eigentlich, wer Kurt Cobain ist? Er war eine fucking Legende. Und würde er das sehen, würde er sich im Grab umdrehen. Aber ein guter Lacher war es, das muss ich zugeben"

Er sieht gut aus. Er hat schwarze, wuschelige Haare und ein markantes Kinn. Seine blauen Augen stechen hervor, wie Vergissmeinnicht.

"Ryan"

Ich lächele ein schwaches, süß-bitteres Lächeln.

"Du kannst mich gar nicht hören oder? Irgendwie bilde ich mir ein, dass du mich hörst. Doch wenn es so wäre, würde ich wiederum nicht mit dir reden"

Ich seufze. Mir ist immer noch nicht ganz klar, was ich hier tue. Meine Gedankengänge sind wirr, ich will eigentlich nur noch aus diesem Krankenhaus heraus.

Ich zucke zusammen. Sein Auge. Es hat... Nein. Es hat nicht gezuckt. Doch, es hat gezuckt.

"Hat dein Auge gerade eben gezuckt?", frage ich und ziehe meine Augenbraue hoch. Keine Reaktion. Wie sollte es auch anders sein. Er liegt im Koma. Wieso sollte er mich gehört haben?