Geständnisse

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In der nächsten Woche nutzte Marie jede freie Minute, um sich auf das kommende Casting vorzubereiten. Die Band hatte einige Songs zur Auswahl gestellt und Marie hatte sich zwei davon ausgesucht, die sie nun einstudieren und perfektionieren wollte.
Sobald Yasmin im Bett war, schnappte sie sich ihre Gitarre und ihren Laptop und verschwand nach oben in ihr Schlafzimmer um die Songs einzustudieren.
Eigentlich fiel es ihr nicht weiter schwer, denn sie hatte sich Songs ausgesucht die ihr gefielen und deren Text sie eigentlich schon auswendig kannte. Dennoch gab es immer wieder kleine Stellen, die sie noch nicht ganz beherrschte. Sie wollte es perfekt machen. Da stand sie Paddy in nichts nach. Auch sie war eine Perfektionistin, schon immer gewesen.
Auch am Donnerstagabend saß sie auf ihrem Bett und hörte sich noch einmal eine Stelle ganz genau an, bei der sie sich mit der Intonation noch nicht ganz sicher war, als das Telefon klingelte. Leise fluchend warf sie den Laptop aufs Bett, sprang auf und rannte nach unten ans Telefon.
Wer um alles in der Welt wagte es, sie so spät noch zu stören?
Schnell schnappte sie das Telefon, welches auf dem Wohnzimmertisch lag.

„Honey? Bist du's?"
„Äh ja, klar. Ich bin dran!" stotterte sie nun mit sanfter Stimme.
„Was ist denn los? Störe ich dich? Wir können auch morgen telefonieren wenn es gerade nicht passt!"
„Nein. Es ist alles gut. Sorry, dass ich so unfreundlich war. Ich verzweifele nur gerade an einer Stelle, die ich jetzt schon tausendmal ausprobiert habe. Aber ich treffe einfach nie den richtigen Ton, es ist grausam."
„Ah, du übst für Samstag? Sehr lobenswert!" sagte Paddy fast schon feierlich.
„Hast du etwa geglaubt, ich würde da unvorbereitet hingehen?" erwiderte Marie entrüstet.
„Ich glaube du kennst mich noch nicht gut genug!"
Paddy lachte am anderen Ende der Leitung.
„Ich merke schon, du bist wirklich genervt. Vielleicht kann ich dir helfen. Um welchen Song geht es denn?" wollte Paddy wissen.
„Eigentlich wollte ich dir das nicht verraten", entgegnete Marie.
„Warum denn, ist das etwa ein Geheimnis?... Oder singst du etwa eins von mir?"
Jetzt musste Marie schmunzeln. „Sorry Paddy, aber deine Songs waren leider nicht in der Auswahl."
„Hab ich mir schon fast gedacht", erwiderte Paddy gespielt beleidigt.
„Oh, nicht traurig sein, sweety. Ich finde deine Musik toll!" stichelte Marie.
„Na dann bin ich ja beruhigt", lachte Paddy.
„Dann kannst du mir ja jetzt verraten, welchen Song du vorbereitest. Dann helfe ich dir, wenn ich kann."
Marie überlegt kurz. Eigentlich wollte sie es alleine schaffen. Sie kam sich irgendwie blöd vor, Paddy um Hilfe zu bitten. Andererseits hatte sie ihn ja nicht darum gebeten, er hatte sich angeboten und einen besseren Coach würde sie momentan nicht finden....
„Also gut. Ich habe mir Every breath you take ausgesucht. Das Lied fand ich schon immer toll und es ist eigentlich auch nicht schwer zu singen. Aber ich bekomme diesen blöden Übergang in die Bridge nicht hin. Ich liege immer einen viertel Ton daneben!"
„Du meinst den Part: Since you've gone I've been lost without a trace.."
Marie bekam eine Gänsehaut. Selbst durchs Telefon. Seine Stimme...und wie er das sang...unglaublich!
„Ja genau. Die Stelle meine ich."
„Die ist auch echt knifflig. Vor allem wenn du keine Musikbegleitung hast."
„Haha. Bei dir klang das jetzt aber nicht knifflig!"
„Ich hab ja auch nur diesen Part gesungen. Du Dummerchen. Das bekommst du auch hin.
Der Übergang ist ja das Schwierige."
„Ok, stimmt", erwiderte Marie kleinlaut.
„Ich kann dir sagen, wie ich das immer mache. Vielleicht hilft es dir auch:
Also ich höre mir die Stelle ein paar Mal an. Dann hole ich mir die zwei Töne aus dem Übergang heraus und summe sie ganz oft vor mich hin. Nur die zwei Töne. Damit bekomme ich ein Gefühl für den Tonabstand. Anschließend versuche ich die Töne wieder in die Stelle einzubauen. Und dann summe ich diese Stelle auch noch einmal ganz oft vor mich hin, bis ich das Gefühl habe, es sitzt. Erst wenn ich mir ganz sicher bin, baue ich die Stelle wieder in den ganzen Song ein, et voila!"
„Das klingt ja ganz einfach und irgendwie auch logisch. Danke Paddy, du bist ein Schatz! Ich werde das mal so versuchen. Vielleicht klappt das ja."
„Das klappt bestimmt. Du hast ja ein gutes musikalisches Gehör!"
Marie lachte leise.
„Daran glaube ich noch nicht ganz. Sonst hätte ich den Ton ja gleich getroffen!"
„Honey!" erwiderte Paddy sanft aber bestimmt.
„Hör auf, dich immer so schlecht zu machen! Wenn du kein musikalisches Gehör hättest, wäre dir überhaupt nicht aufgefallen, dass du einen viertel Ton daneben liegst!"
Darauf wusste Marie keine Antwort. Er hatte ja Recht...irgendwie.
„Dann leg ich jetzt mal auf, damit du Ruhe zum Üben hast. Du kannst mich ja morgen mal anrufen und mir sagen, ob meine Methode funktioniert hat."
„Ja, das mache ich. Danke Paddy!"
„Sehr gerne Honey. Ich liebe dich! Bis morgen!"
„Ich liebe dich auch! Bis morgen!"
Einige Sekunden lauschte Marie noch, in Gedanken versunken, dem eintönigen Tuten des Hörers, bevor auch sie auflegte und wieder nach oben ging.

Die Kraft der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt