Überraschungen

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Es war Mittwochnachmittag und Marie saß vor einer nicht enden wollenden Urlaubsliste, die sich über zwei Seiten ihres DIN A5 Notizheftes erstreckte. Bereits Anfang der Woche hatte sie mit Wäschewaschen angefangen, damit ja alles, was an Kleidung benötigt wurde, auch sicher gewaschen war, wenn es ans Kofferpacken ging. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie erst zu spät bemerkte, dass ihr Lieblingstop noch in den Untiefen des Wäschekorbes vergraben lag, obwohl sie es dringend mitnehmen wollte.
Also hatte sie auch hierfür eine eigene Liste erstellt, um die wichtigsten Teile nicht zu vergessen. Nun war sie gerade dabei, diese Liste abzuhaken. Vor ihr auf dem Boden lag ein großer Hartschalenkoffer. Nach und nach packte Marie die Kleidungsstücke in den Koffer und hakte sie sorgfältig von ihrer Liste. Der Koffer füllte sich sehr rasant. Hatte sie doch mal wieder zu viel eingeplant? Aber immerhin würden sie drei Wochen unterwegs sein und Marie wollte nichts dem Zufall überlassen. Sie wollte auf alles vorbereitet sein.
Als sie gerade ihren absoluten Lieblingspullover sorgfältig in den Koffer legte, klingelte es an der Tür. Marie stöhnte leise auf. Wer störte sie denn jetzt? Bestimmt wieder der Postbote mit einem Päckchen für die Nachbarn. Genervt stand sie auf und öffnete die Tür. Zu ihrer Überraschung war es nicht etwa der Postbote, sondern Sandra, die ihr sogleich um den Hals fiel. Etwas überrumpelt taumelte Marie nach hinten, konnte sich aber wieder fangen. „Hey, nicht so wild" kicherte sie und hielt sich am Türrahmen fest. „Jetzt komm erst mal rein." Sandra löste sich von ihrem Hals und hüpfte mit einem Dauergrinsen auf dem Gesicht an Marie vorbei, in die Wohnung.
„Was ist denn mit dir los? Du strahlst ja wie ein Honigkuchenpferd!" wollte Marie wissen.

Sandra sah sie geheimnisvoll an. Dann zog sie ihre Hand hinter ihrem Rücken hervor, die sie die ganze Zeit unauffällig dort versteckt hatte und hielt sie Marie mit einem lauten „Tadaaaa!" unter die Nase. Marie brauchte einen kurzen Augenblick, um die Situation zu begreifen. Dann blieb ihr der Mund vor Staunen offenstehen. Sie nahm Sandras Hand in ihre und betrachtete sie ganz genau, ohne dabei den Mund schließen zu können.
Immer wieder drehte und wendete sie Sandras Hand und bestaunte was sie da sah. „Ernsthaft?" fragte sie und schaute Sandra ungläubig an.
Diese nickte immer noch grinsend. Jetzt war Marie nicht mehr zu halten. Sie fiel Sandra leise kreischend um den Hals.
„Das glaub ich nicht!" quietschte sie immer wieder.

Dann sahen sich die beiden Freundinnen lange an. „Dann hast du also Recht gehabt mit deiner Vermutung", stellte Marie fest. Erneut nahm sie Sandras Hand und begutachtete den glitzernden Ring, der ihren Ringfinger zierte. „Er ist wunderschön!" stellte sie fest. Dann zog sie Sandra zum Sofa, setzte sich und verlangte: „So, jetzt will ich aber die ganze Story hören. Von Anfang bis Ende!" Sandra setzte sich neben sie und begann zu erzählen.

Sie erzählte, dass sie mit Gabriel im Park spazieren gewesen war und dass sie sich unter IHREM Baum geküsst hatten. "Es war wie beim ersten Mal", schwärmte Sandra und verdrehte verliebt die Augen. Dann war Gabriel vor ihr auf die Knie gefallen, hatte ihr seine Liebe gestanden und ganz romantisch um ihre Hand angehalten. Sandra kam aus dem Grinsen und Schwärmen gar nicht mehr heraus. Auch Marie freute sich sehr für ihre beste Freundin. Auch, wenn es sie an das Scheitern ihrer eigenen Ehe erinnerte. Plötzlich kam es ihr vor, als sei es gestern gewesen, als sie Sandra erzählt hatte, dass sie Thomas heiraten würde. Auch damals hatten sie sich beide total gefreut...und sie konnte Sandra nur von ganzem Herzen wünschen, dass ihre Ehe nicht das selbe Ende nehmen würde.

Aber schnell verdrängte Marie diesen Gedanken wieder. Schließlich konnte man das doch wirklich nicht vergleichen. Es musste nicht zwangsläufig jede Beziehung so enden. Ausserdem wollte sie Sandra jetzt nicht die Freude und die gute Laune verderben.

Sie freute sich wirklich für sie und das wollte sie ihr auch zeigen. Stürmisch zog sie Sandra in eine innige Umarmung, bewunderte noch einmal ihren Ring und ging dann in die Küche, um einen Tee zu kochen. Sandra folgte ihr und sah ihr dabei zu, wie sie Wasser aufsetzte und das Teesieb mit der, wie Marie immer behauptete, besten Grünteemischung des Planeten füllte.

Die Kraft der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt