Das Wiedersehen

784 21 1
                                    

Es war der 31. Dezember und Marie stand pfeifend in der Küche.Sie hatte für den Abend ihre Freunde eingeladen, um gemeinsam mit ihnen das neue Jahr zu begrüßen und war gerade dabei, kleine Häppchen vorzubereiten, die sie Abends ihren Gästen reichen wollte. Marie war bester Laune und freute sich sehr auf den Abend. Auch, wenn ein ganz besonderer Mensch nicht dabei sein würde, Paddy. Es war nun etwa zwei Wochen her, dass er ihr seine Liebe gestanden hatte und Marie bekam immer noch eine Gänsehaut, wenn sie an den Abend zurückdachte. Seine Berührungen und seine Küsse hatten sie fast um den Verstand gebracht....Leider hatte sie ihn seitdem nicht mehr gesehen. Zwei Wochen können so verdammt lang sein, dachte sie und seufzte. Sie wusste nicht, wann sie ihn das nächste Mal sehen würde. Als Musiker war er eben viel unterwegs. Dafür telefonierten sie jeden Tag. Marie freute sich jeden Tag auf seinen Anruf. Seine Stimme zu hören, sein Lachen, seine Witze...Erneut seufzte Marie.

"Mama!" Yasmin holte sie aus ihren Träumereien in die Realität zurück.
"Ja?" rief sie fragend zurück und warf einen Blick ins Wohnzimmer, wo Yasmin gerade dabei war, auf einen Stuhl zu klettern, um sich die Schokoladenkekse auf dem Tisch zu stibitzen. Schnell lief sie zu ihr hin und nahm sie auf ihren Arm. "Dich darf man ja keinen Augenblick aus den Augen lassen!" schimpfte sie lachend. Yasmin protestierte lautstark, als Marie sich mit ihr auf dem Arm immer weiter von den Keksen entfernte.
"Keke", weinte sie. "Die Kekse sind doch nicht für dich gedacht. Aber im selben Moment schimpfte sie mit sich selbst. Wieso war sie auch so dumm, die Kekse jetzt schon auf den Tisch zu stellen. War ja klar, dass Yasmin einen haben wollte.
"Na gut", willigte Marie ein. "Du bekommst einen Keks. Den Rest stellen wir in den Schrank." Sie gab Yasmin einen Keks in die Hand und stellte die Schale mit den Keksen in den obersten Küchenschrank. Yasmin strahlte und machte sich sogleich über den Keks her. Marie setzte Yasmin in ihren Hochstuhl. Dann holte sie sich ein Brett, ein Messer, die bunten Partyspieße und einen großen Teller und legte alles auf den Esstisch. Sie wollte Yasmin nicht noch einmal alleine lassen.
Sie ging noch einmal schnell in die Küche, um den Käse und die Trauben zu holen. Fluchend schlug sie die Kühlschranktür wieder zu. Sie hatte doch tatsächlich vergessen, Käse einzukaufen. Immer noch fluchend hob sie Yasmin aus ihrem Stuhl. „Wir müssen noch einmal los!" sagte sie genervt. „Mama hat den Käse vergessen!"
„O ohhh!" sagte Yasmin und Marie musste lachen. „Du sagst es. Aber vorher müssen wir noch einmal schnell ins Badezimmer du kleiner Schokozwerg", lachte Marie und gab Yasmin einen Kuss auf ihre schokoverschmierte Wange. Als sie Yasmin gerade mit einem Waschlappen säuberte, klingelte ihr Handy. „Mama Tefofon!"
quiekte Yasmin. Marie ließ Yasmin kurz im Badezimmer stehen und rannte ins Wohnzimmer. Ohne auf das Display zu sehen, drückte sie den grünen Hörer und rannte schnell wieder zurück ins Badezimmer, während sie ein gestresstes „Ja?" in den Hörer keuchte. „Marie? Bist du's?"
Maries Gesichtsausdruck entspannte sich beim Klang seiner Stimme.
„Paddy", lächelte sie und klemmte sich das Handy zwischen Ohr und Schulter, um Jasmin den Mund abzutrocknen.
„Schön, deine Stimme zu hören!"
„Alles in Ordnung bei dir? Du klingst so gestresst."
„Ja, das bin ich auch. Ich hab noch nicht dekoriert, die Häppchen sind noch nicht fertig und jetzt muss ich noch einmal in den Supermarkt, weil ich den Käse für die Käsespieße vergessen habe." Marie ging mit Yasmin ins Wohnzimmer und zog ihr die Schuhe an, das Handy immer noch zwischen Ohr und Schulter geklemmt.
„Das hört sich ja fast so an, als könntest du Hilfe gebrauchen!" meinte Paddy. Marie lachte. „Ja, das könnte ich wohl. Aber leider wüsste ich nicht, wer mir helfen sollte. Schließlich kann ich ja schlecht meine Gäste anrufen und sie bitten mir zu helfen!" lachte sie, während sie Yasmin die Jacke anzog.
„Ich würde dir ja gerne helfen, aber ich..."
„Ich weiß, du hast Termine!" unterbrach ihn Marie gespielt genervt.
Sie schlüpfte in ihre Stiefel und zog sich sehr umständlich die Jacke an. „Du Paddy, sei mir nicht böse, aber momentan ist es etwas ungünstig. Ich rufe dich nachher zurück, wenn ich etwas Luft habe, ok?" Marie legte auf, zog Yasmin ihre Mütze auf, schnappte sich ihre Tasche und verließ die Wohnung.
Als sie die Haustüre hinter sich geschlossen hatte, nahm sie Yasmin an die Hand und ging Richtung Supermarkt.
Nach einer halben Stunde kamen sie zurück. Marie sah sofort die Person, die auf der Treppe zum Hauseingang saß. Als sie näher kam, erkannte sie, dass es ein junger Mann war, der stur auf die Treppenstufen starrte, auf denen er saß. Marie war etwas genervt, weil sie es unmöglich fand, dass er so dreist im Weg saß und sie mit Yasmin nicht vorbeikam. „Kann ich ihnen irgendwie weiter helfen?" fragte sie und zwang sich dazu, freundlich zu sein. „Ich suche Marie!" antwortete der Mann mit tiefer Stimme. Marie war etwas mulmig zumute. Was wollte der denn von ihr. Schnell sah sie sich um, ob jemand zu sehen war, der ihr im Ernstfall behilflich sein konnte. Aber der Gehweg war leergefegt. Selbst der neugierige Nachbar, der sonst immer vor seiner Türe saß, um ja nichts zu verpassen, war ausgerechnet jetzt nicht auf seinem Posten.
„Was wollen sie den von Marie?" fragte sie und versuchte, sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.
„Ich habe gehört, sie könnte eventuell Hilfe gebrauchen!" antwortete der Mann und hob langsam seinen Kopf. Aber das sah Marie schon gar nicht mehr. Sie beugte sich gerade nach unten, um Yasmin, die sich gerade von ihrer Hand losreißen wollte, zu erklären, dass sie an ihrer Hand bleiben sollte, bis sie im Haus waren.
So hatte Marie auch nicht gemerkt, dass der mysteriöse Mann aufgestanden war und jetzt genau hinter ihr stand, als sie sich wieder aufrichtete. Er legte von hinten die Hände auf ihre Schultern. Marie klopfte das Herz bis zum Hals. Was wollte dieser Mann nur von ihr? Noch einmal sah sich hilfesuchend um und umfasste Jasmins Hand noch fester. Sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Hals und es schnürte ihr fast die Kehle zu. Beschützend legte sie die Hand auf Yasmins Kopf und strich ihr übers Haar.
Yasmin hob den Kopf und lächelte sie an. Dann strahlte sie plötzlich über das ganze Gesicht. „Peppi!" gluckste sie. Wie kam sie denn jetzt darauf? Fragte sich Marie. Es wäre ja zu schön gewesen. Wie sehr wünschte sie sich, dass Paddy jetzt hier wäre. Der würde dem Kerl erst einmal ordentlich die Meinung sagen.
Gefangen in ihrer Furcht, dachte sie nicht länger darüber nach, wie Yasmin darauf gekommen war. „Nein Yasmin. Paddy kommt heute nicht!" sagte sie angespannt und strich ihr erneut beruhigend übers Haar.
„Na dann gehe ich eben wieder!" bemerkte der geheimnisvolle Mann, jetzt in einer wesentlich angenehmeren und Marie durchaus bekannten Tonlage.
Er lockerte den Griff um Maries Schultern und wandte sich zum Gehen. Marie drehte sich um und sah ihn genauer an. Und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Yasmin hatte Recht gehabt. Jetzt erkannte sie ihn genau. Die Statur, der Gang und die Schuhe....Warum war ihr das denn nicht gleich aufgefallen?
„Paddy?!" Ihre Stimme klang fragend und ermahnend zugleich.
Dieser drehte sich um und grinste ihr frech ins Gesicht.
Marie wusste nicht, ob sie sich freuen, oder ihm eine scheuern sollte.
Die Wut siegte. „Paddy Kelly", schnaubte sie. „Du........." Paddy grinste noch ein wenig frecher und kam auf sie zu. „Sei froh, dass Jasmin neben mir steht, sonst könntest du was erleben!" Paddy lachte laut. Yasmin nutzte die Unachtsamkeit ihrer Mutter und riss sich jetzt doch von Maries Hand los, um Paddy entgegen zu laufen. „Peppi!" gluckste sie erneut übermütig. Paddy fing sie auf und wirbelte sie einmal im Kreis. „Hallo Prinzessin!" lächelte er. Marie sah den Beiden aus kleiner Entfernung zu. Ihre Wut schwand langsam und wandelte sich in Freude. Er war hier. Endlich durfte sie ihn wieder sehen, seine Berührungen spüren, und.. Sie konnte ihm nicht länger böse sein. Aber sie wollte ihn etwas zappeln lassen. Also legte sie einen Schmollmund auf und tat beleidigt, als die Beiden bei ihr ankamen. Paddy setzte Yasmin ab und wollte Marie umarmen. Diese drehte sich gekonnte zur Seite. „Hey!" lachte Paddy und zog sie zu sich heran. „Nicht sauer sein!" Er sah sie mit einem treuen Dackelblick an. Marie merkte, dass sie das nicht lange durchhalten würde. „Freust du dich denn gar nicht?" fragte Paddy gespielt beleidigt. Jetzt verzog sich Maries Mund zu einem Lächeln und sie umarmte ihn stürmisch. Er drückte sie ganz fest an sich. Dann schob er sie sanft von sich und sah ihr tief in die Augen.
„Ich hab dich so vermisst!" lächelte er liebevoll und wollte sie küssen. Aber Marie drehte ihren Kopf zur Seite und zog ihn an sich. „Noch nicht!" flüsterte sie ihm ins Ohr. Beleidigt schob er sie von sich. Aber er wusste, dass es so besser war. Sie hatten es am Telefon besprochen und waren sich einig, dass sie ihre Beziehung vor Jasmin noch verbergen wollten, bis sie sich ganz sicher waren. Noch eine Trennung wollten sie Jasmin nicht zumuten.

Die Kraft der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt