4

30 3 4
                                    

Ich war mir so sicher, dass ich meine Hand dafür ins Feuer gelegt hätte. Diesen Mann hatte in meinem Traum gesehen.

Auch jetzt trug einen langen, schwarzen Mantel und schwarze Locken fielen ihm unordentlich in die Stirn. Zwei silbern leuchtende Augen blickten uns alle an und selbst auf diese Entfernung erkannte ich den Kampfgeist darin.

Ein leichter Bartschatten war auf seinem kantigen Kinn und trotz seiner Entschlossenheit wirkte er erschöpft, als würde er nicht oft Schlaf bekommen. 

Ich wollte es zwar nicht, aber ich hatte erwartet, dass die Räuber ihre Waffen auf ihn richteten, doch das taten sie nicht. 

Stattdessen gaben sie etwas Unmenschliches von sich, dass einem Fauchen ähnlich war und stürzten sich nach und nach auf ihn.

Erschrocken schrie ich auf, als sie wie in einem Actionthriller miteinander zu kämpfen begannen. Nur mein Geiselnehmer blieb stehen und schien immer fester zuzudrücken.

"Boss, bitte!", rief plötzlich und mir wurde noch schlechter. 

Der Angesprochene wollte dem geheimnisvollen Typen einen Schlag ins Gesicht verpassen, welchem er geschickt auswich. 

"Na schön! Aber mach schnell!", brüllte er zurück. 

Er zerrte mich etwas weg von den anderen. 

Die Kampfgeräusche hörte ich nur noch dumpf und meine Angst lähmte mich. Was hatte er vor?

Er schob seine Maske bis zur Nase hoch, zerrte an meinem Arm und führte ihn langsam in die Richtung seines Munds. Ich kreischte laut, als da zwei länglich spitze Zähne auftauchten.

"Loslassen!", schrie ich und wehrte mich so gut ich konnte, aber er war zu kräftig.

Ich schloss die Augen in der Hoffnung, dass alles nur ein böser Albtraum war.

Von einem Moment auf den anderen wurden wir beide zu Boden gerissen und ich kam frei. Wimmernd rutschte ich weg und starrte auf die Kämpfenden.

Mein mysteriöser Helfer drängte den Einbrecher immer wieder von mir weg.

Schließlich zog er etwas aus seiner Manteltasche und rammte es dem Räuber ins Herz.

Mein Puls ging so schnell und mir wurde so schwindelig, dass ich einen Moment dachte, ich würde das Bewusstsein verlieren.

Aber ich blieb wach, auch wenn mein Blick etwas verschwommen wurde.

Drei der Räuber rannten hinaus, drei lagen reglos auf dem Boden.

Mein Helfer hockte sich vor mich und musterte mich.

"Hat er dich verletzt?", fragte er mit rauer Stimme.

Ich schüttelte den Kopf, den mein Hals schmerzte noch von dem festen Griff.

Er hatte ihn getötet.

Ich blickte ihn entsetzt, auch wenn er mir das Leben gerettet hatte. Ich hatte Angst und das sah er mir an.

Also stand er auf und spazierte einfach aus dem Museum.

"Danke.", krächzte ich, lange nachdem er verschwunden war.

Ab da bekam ich alles nur wie in einer Illusion mit.

Eine der Empfangsdamen rief Polizei und Rettungswagen. Meine Freunde und ich umklammerten uns wie Rettunsanker.

Während wir warteten, legte ich meinen Kopf auf Boos Schulter und Wayne hielt Sonja fest an sich gepresst, die immer noch nicht aufhören konnte zu weinen.

Die Polizei nahm unsere Aussagen auf und die Rettungsleute sahen sich die Presswunde an meinen Hals an.

"Und von wem ist das Blut im Foyer?", fragten sie später.

Ungläubig sah ich sie an. "Was meinen Sie!? Da liegen vier Leichen unten! Ich hab sie gesehen!"

Die Sanitäter tauschten einen Blick untereinander. "Sind Sie sicher, Miss?"

Mir klappte der Mund auf. "Ja! Glauben Sie, ich bilde mir das alles nur ein?"

"Nun ja, wenn man Angst hat und..."

"Vergessen Sie es!"

Plötzlich war ich unglaublich wütend. Ich hatte mir das nicht eingebildet. Sie hatten mir schon nicht geglaubt, als ich von meinem geheimnisvollen Retter erzählt hatte.

Von den Reißzähnen meines Geiselnehmers und dass er offensichtlich mein Blut trinken wollte, hatte ich nicht erwähnt.

Vielleicht weil ich mir selbst auch irgendwie nicht glaubte.

Es gab keine Vampire!

Anderseits...

Nein!

Wayne fuhr uns alle der Reihe nach nach Hause. Zuerst Boo, der schon an der Tür von seinem Freund empfangen wurde.

Dann blieb er vor Sonjas Wohnhaus stehen. Er legte seine Hand auf ihre.

"Schaffst es allein?", fragte ich und reichte ihr noch ein Taschentuch.

Sie nickte und ließ sich von Wayne einen Kuss auf die Schläfe geben, eher sie mich fest umarmte und ausstieg.

Schließlich brachte er noch mich heim.

"Geht es dir gut?", erkundigte er sich und ich sah seinen besorgten Blick im Rückspiegel.

"Ja. Und dir?"

Er rieb sich müde über die Augen.

"Ich komm schon klar. Fall nicht auf den Treppen hin, Kleine."

Ich rang mir ein Lächeln ab. "Ich bin 1,75m groß."

Und du immer noch über 2m, schoss es mir durch den Kopf. Ich drückte ihm die Schulter.

"Gute Nacht, Wayne."

"Gute Nacht, Carol."

In der Wohnung empfingen mich Mom, Granny und Tom bereits. Mom zog mich fest in ihre Arme.

"Oh, Gott, Carol! Wir haben's gerade in den Nachrichten gesehen! Bist du verletzt!?"

Tom klammerte sich ebenfalls an mich und ich vergrub mein Gesicht in seiner Lockenmähne.

Er schniefte und ich musste meine Tränen zurückhalten. "Alles gut, Tommy."

Zuletzt drückte auch Granny mich stumm und ich ließ mir, obwohl es schon spät war, noch ein Bad ein.

Die ganze Zeit über musste ich über meinen Retter nachdenken.

Warum hatte ich zuvor von ihm geträumt?

War er auch ein Vampir?

Inzwischen konnte ich nicht mehr leugnen, dass alles irgendwie zusammenpasste.

Die leuchtenden Augen, die Zähne, das Blut und die Tatsache, dass mein Retter ihm direkt ins Herz gestochen hatte.

Ich vergrub mein Gesicht in meinem Händen. Ein Vampir hätte mich beinahe gebissen. Und vielleicht hatte mich auch ein Vampir gerettet.

Ich musste einfach wissen, wer mein Retter war.

Also wartete ich, bis sich alle hingelegt hatten, damit sich niemand Sorgen um mich machte, eher ich einen Notizblock, mein Handy und ein Taschenmesser in meine Tasche warf und mich aus dem Haus schlich.

Nachts sah man immer diese Wesen, die unserer Stadt jahrelang solche Angst gemacht hatten.

Jeder, der ihrem Geheimnis näher kam, verschwand.

Und ich hatte es vermutlich soeben herausgefunden.

Also konnte ich darauf warten, dass sie mich holen kamen oder ich konnte meinen Retter suchen und versuchen, das alles zu verstehen.

Entschlossen lief ich zu dem Park, in dem das Pärchen verschwunden war, um nach irgendetwas Hilfreichen zu suchen.

Ich würde dieses Geheimnis lösen.

Um jeden Preis.

BlutrubinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt