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Als einzige Chance, an Lukes Infos zu kommen, sah ich Professor Preston. Seine Frau hatte ihm sicher alles erzählt und das musste ich mir zum Vorteil machen. 

Es tat weh, meinen Professor auszunutzen, aber vielleicht konnte Luke die Räuber so finden. 

Also besuchte ich am nächsten Montag wie gewohnte seine Vorlesung. Normalerweise fuhr Wayne uns, aber er hatte sich krank gemeldet.

Wir wollten am Nachmittag zu ihm und ihm etwas Medizin und Suppe verbringen. Vor allem Sonja machte sich Sorgen und redete auf der Fahrt über nichts anderes.

Bo und ich grinsten uns währenddessen wissend an, sagten jedoch nichts. 

Professor Preston schien nur halb bei der Sache zu sein. Er vertauschte immer wieder Jahreszahlen oder sogar Namen und das passierte ihm nie, denn eigentlich war er der Perfektionist in Person. 

Aber weil jeder von uns an dem Abend im Museum gewesen war, hatte jeder Verständnis dafür. Nach der Vorlesung fragten ihn einige Studenten, ob alles in Ordnung sei, aber er winkte immer ab.

Ich wartete geduldig, bis alle draußen waren und sagte meinen Freunden, dass ich gleich nachkommen würde.

"Meine Güte, Miss Riviera!", rief er, als er mich bemerkte. "Dass Sie an dem Abend von diesem Diebespack mitgeschleppt wurden ... Das tut mir wirklich leid."

"Nein, es ist alles gut. Aber wie geht es Ihnen? Sie wirken ziemlich angespannt."

"Ja, meine Frau ist auch mit den Nerven am Ende."

"Das tut mir leid. Was haben die Räuber denn mitgenommen?"

Er schüttelte müde den Kopf.

"Viel zu viel. Rubine im Gesamtwert von über 3,5 Millionen Dollar. Sie glauben mir ja gar nicht, was das für das Museum bedeutet! Es ist eine Katastrophe!"

Ich hatte meine Info, aber auch ein schlechtes Gewissen. Professor Preston sah so unendlich verzweifelt aus. Und ich konnte weder ihm, noch seiner Frau helfen. 

Also zwang ich mich zu einem mitfühlenden Lächeln. 

"Ich bin sehr gut mit einem Polizisten befreundet.", log ich. "Wenn ich vor Ihnen etwas Neues erfahren sollte, sag ich es Ihnen."

Er sah auf und erwiderte mein Lächeln halbherzig. "Danke, Miss Riviera."

Ich verabschiedete mich und ging zu meinen Freunden. Hoffentlich fand Luke diese Kerle. 

Als wir zu Wayne fuhren, schrieb ich ihm eine Nachricht.

Sie haben Rubine gestohlen, die zusammen über 3 Mio bringen. Wie viele weiß ich nicht

Die Antwort kam blitzschnell.

Gut gemacht. Ich melde mich wieder

Sehr nett. 

Ich hab meinem Professor versprochen, ihm was zu sagen, wenn ich etwas weiß. Seine Frau arbeitet im Museum. Also weih mich bitte ein, wenn es was Neues gibt

Darauf bekam ich keine Antwort mehr, was mich irgendwie wütend machte. Wir hatten einen Deal, also konnte er mich ruhig einweihen, wenn er Fortschritte machte. 

Bei Wayne hatte ich allerdings ganz andere Sorgen. Er sah aus wie ein Toter. In Sachen Blässe hätte er Luke gut Konkurrenz machen können und er hatte über 40 Grad Fieber.

Die Augen konnte er kaum offenhalten und selbst als Sonja sich auf den Boden neben sein Bett setzte und seine Hand nahm, reagierte er nicht.

Ein wenig ungewohnt war das schon. Wayne wurde nie krank. Dieser Überfall veränderte einfach schon viel zu viel. 

Andererseits hatte doch alles schon in der Nacht vor dem Supermarkt angefangen. Ich hatte den Kampf gesehen, wurde am nächsten Abend beinahe von einem der Vampire ausgesaugt und hatte danach selbst gehört, dass sie nach mir suchten.

Sie jagten mich und das fühlte sich schrecklich an.

Auch wenn Luke versprochen hatte, auf mich aufzupassen. 

Aber was war mit meinen Freunden und meiner Familie? Wenn Luke nur durch beobachten herausgefunden hatte, wo ich wohnte, wie musste einfach musste es dann für eine ganze Horde Vampire sein, mein Leben zu ruinieren?

Ich wollte mir für den Sommer und die Wochenenden einen Job suchen, da das Café, in dem ich jahrelang gekellnert hatte, schließen musste. Ich konnte dann nach Sonnenuntergang keine Gäste bedienen oder mich um Kunden kümmern!

Übelkeit kroch in mir hoch und ich schloss mich kurz im Badezimmer ein. Nicht, weil ich mich übergeben musste, aber ich brauchte einen Moment für mich allein. 

Was sollte ich bloß machen?

Ich stützte mich am Waschbecken ab und schüttete mir kaltes Wasser ins Gesicht. Ich konnte es nicht ändern, nur entscheiden, ob ich mich davon unterkriegen lassen wollte oder nicht. 

Ich blickte meinem Spiegelbild entschlossen entgegen.

Nein!

Nein, ich wollte mich nicht unterkriegen lassen!

Ein Klopfen an der Badezimmertür riss mich aus meinen Gedanken. "Carol?", ertönte Bos Stimme. "Alles okay?"

Ich atmete nochmal tief durch. "Ja, alles gut! Ich komme gleich!"

Als ich wieder das Schlafzimmer betrat, sah Bo mich besorgt an. "Geht es dir wirklich gut, Carol?"

"Ja, sicher. Wie geht's dir, Wayne?"

Er murrte nur etwas, gab aber schon seit heute Morgen keine genauen Worte von sich. 

"Vielleicht sollte ich heute noch bei ihm bleiben.", murmelte Sonja. 

Bo legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Kommst du allein nach Hause oder soll ich dich abholen?"

"Ich komm schon klar, danke. Fahrt ihr lieber mal, ich wette nämlich, ich habt beide noch nicht den Aufsatz für morgen fertig!" Sie lächelte schwach und Bo und ich fluchten laut.

"Da habt ihr's!"

"Okay, passt auf euch auf." 

Ich drückte sie kurz, strich Wayne über den Arm und zog Bo raus zur Tür.

Als wir im Auto saßen, fuhr Bo allerdings nicht weg. "Was ist los?"

Er sah mich streng an. "Dasselbe sollte ich dich fragen. Du bist komisch seit der Museumsnacht. Ich würde es ja verstehen, aber du bist immer nur ganz kurz so. Als würde dich etwas Bestimmtes bedrücken, über das du mit uns nicht reden kannst."

War das so offensichtlich?

Aber so sehr ich Bo auch mochte, ich konnte es ihm nicht sagen. Er hätte mir als Skeptiker nicht geglaubt. Er und sein Freund waren vermutlich die einzigen in der Stadt, die die Nachtwesen für Einbildung hielten.

Und wenn er nicht mal daran glaubte, wie sollte ich ihm dann von Vampiren erzählen können?

"Es ist alles in Ordnung, Bo. Wirklich!" 

Ich kam mir wie die größte Lügnerin überhaupt vor.

Gar nichts war in Ordnung. Ich konnte weder mit meinen Freunden noch mit meiner Familie darüber reden. 

Der Einzige, der von meiner Situation wusste, war ein Vampir, der zwar nicht meinen Tod und oder mein Blut wollte, aber dafür so kalt wie die Schneeflocken schien, die in diesem Moment vom Himmel fielen.

BlutrubinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt