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Natürlich war Preston über Nacht nicht aufgetaucht. Ich saß mit meinen Freunden in der Unicafeteria und schüttete schon den zweiten Kaffee in mich rein.

Wayne hatte einen Arm um Sonja gelegt und sie lehnte gegen seine Schulter. Beide sahen genauso betrübt wie Bo aus, der lustlos an einem Muffin knabberte. Ich fühlte mich nicht anders und rührte gedankenverloren in meinem Latte herum.

"Ob es Professor Preston gut geht?", fragte Sonja irgendwann leise.

Wayne zog sie noch näher an sich und Bo seufzte.

"Wahrscheinlich nicht."

Ich fühlte mich schrecklich. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass alles meine Schuld war.

Und ausgerechnet heute Abend musste ich mit irgendeinem Kollegen von Mom essen gehen und vorher noch mit Luke praktisch bei den Prestons einbrechen.

Ein wundervoller Donnerstag.

"Habt ihr heute die Morgennachrichten gehört?", wechselte ich das Thema.

Sonja und Wayne schüttelten den Kopf und Bo nickte langsam.

"Sie wollen die Sicherheit wegen der ... Todesfälle erhöhen."

Bo und ich wechselten einen Blick mit Wayne, der inzwischen von der ganzen Geschichte wusste. Nur Sonja wirkte unbeteiligt. Sie traf das Ganze am meisten ohne dass sie überhaupt wusste, wer wirklich für die Morde verantwortlich war.

"Glaubt ihr, sie setzten die geplante Spezialeinheit in die Tat um?", fuhr Bo fort.

"Keine Ahnung, aber wenn das weitergeht, will hier nicht mehr leben. Vielleicht ziehe ich nach dem Studium an die Ostküste.", murmelte Sonja und nicht nur Wayne sah sie daraufhin geschockt an.

Er fing sich als Erster wieder.

"Was!? Aber du kannst uns doch nicht einfach verlassen!", rief er und Bo und ich nickten heftig.

"Komm schon, das legt sich alles wieder. Lässt du dich so leicht entmutigen?", fragte Bo ungläubig.

Sonja sagte nichts mehr und Wayne sah genauso ratlos wie sie aus. Bo senkte den Blick und ich ahnte, dass die letzten Wochen nicht nur bei mir Spuren hinterlassen hatten.

Ich wollte zumindest meiner besten Freundin helfen. Dann konnte sie meine besten Freunde mit ihrer guten Laune anstecken.

"Hey, Sonja, ich hab eine Idee, die dich sicher aufheitert. Ich muss doch heute mit diesem George essen gehen. Wie wär's, wenn du mir beim Fertigmachen hilfst? Davon hab ich doch sowieso keine Ahnung."

Sofort hellte sich ihre Miene auf.

"Okay! Am besten wir gehen sofort ein Kleid kaufen! Golden hat so schöne Kleider und die sind nicht mal teuer!"

Bevor ich überhaupt protestieren konnte, zog sie mich hoch und schleifte mich nach draußen. Die Jungs hörte ich hinter uns leise und lachen und das war es mir wert.

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"Das ist echt albern, Sonja."

Kritisch drehte ich mich im Spiegel. Ich brauchte eigentlich gar kein Kleid, aber meine beste Freundin hatte sich nicht umstimmen lassen.

Nun presste sich ein grässlicher Stoff in Magenta an meine Haut und schnitt mir die Luft ab.

Sie musterte mich von allen Seiten.

"Hm, nein, das ist nicht deine Farbe."

"Und nicht meine Größe.", brummte ich und versuchte etwas unbeholfen den Reißverschluss zu erwischen.

"Okay, ich glaube, ich hab eins im Schaufenster gesehen, das perfekt für dich ist!" rief sie aufreget und schon war sie weg.

Seufzend schälte ich mich irgendwie aus dem rosafarbenen Albtraum.

Ich hatte schon Panik, als ich wieder ihre Absätze hörte, aber dann hielt sie mir ein weißes Kleid mit Ärmeln, die bis zu den Ellbogen reichten hin.

Schwarze Blumenranken zogen sich über den gesamten Stoff und der Rock ging ungefähr bis zu den Knien.

Sonja grinste mich an, weil sie wusste, dass ich das Kleid absolut umwerfend fand.

Als ich mich dann damit vor dem Spiegel begutachtete, war ich begeistert. Es betonte die Figur, ohne mir die Luft abzuschneiden.

"Ich geb dir noch die passenden schwarzen Schuhe dazu und dann ist es perfekt. Also solange du den schwarzen Mantel trägst.", sagte zufrieden.

Ich wusste, dass ihre Leidenschaft neben der Kunst die Mode war.

Zumindest stellte sie mir die Schuhe hin, in denen ich halbwegs laufen konnte und nicht solche hohen Absätze, wie in der Museumsnacht.

Sie versprach, kurz vor dem Treffen mit George nochmal vorbei zu kommen wegen der Frisur und dem Make-up. Obwohl ich mich wegen einem Abendessen nicht so auftackeln wollte.

Erst recht nicht, wenn ich dem Typen vorher noch nie begegnet war und nur mit ihm essen ging, um meiner Mom einen Gefallen zu tun.

Aber vorher musste ich noch mit Luke bei Mrs Preston vorbei schauen. Ich hatte immer noch kein gutes Gewissen dabei, sie anzulügen, doch anders ging es nicht.

Hoffentlich hatte Rick wie versprochen die Marke besorgt.

Nachdem Sonja weg war, machte ich mich sofort auf den Weg ins Devilsnight.

Luke saß bereits an demselbem Platz wie gestern.

Einen Moment lang wollte ich mich umdrehen und wieder verschwinden. Ob er wegen gestern sauer auf mich war? War ich sauer auf ihn?

Meine Gedanken drehten sich, als er schon den Kopf und mich ansah. Jetzt hab es kein Zurück.

Ich atmete tief durch und setzte mich zu ihm.

"Hey.", begrüßte ich ihn leise.

"Hey.", erwiderte er in demselben Ton. "Carol, wegen gestern..."

"Lass es. Erst mal holen wir uns Prestons Recherchen und dann ... können wir immer noch reden."

Alles in mir schrie nach Lügner. Ich wollte das sofort klären. Ich wollte nicht, dass das noch eine Minute länger zwischen uns stand, aber es gab Wichtigeres.

Er nickte ausdruckslos und machte es mir so unmöglich, seine Gedanken zu erraten.

"In Ordnung. Rick hat uns die Marke besorgt. Gehen wir."

Er stand auf und verließ mit so schnellen Schritten die Bar, dass ich mir sicher war, dass er sauer auf mich war. Danny und Enna sahen mich achselzuckend an.

Ich stand auf und lief ihm hinterher. Auf dem zu Mrs Preston sah er mich nicht einmal an.

BlutrubinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt