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Die Prestons lebten in einem großen Haus am Stadtrand. Soweit ich wusste, hatten sie keine Kinder.

Als wir die Stufen zur Haustür raufgingen, wurden meine Knie immer weicher. Meine Hand zitterte, als ich in Richtung Glocke schob.

Das rhythmische Klingeln hörte sich wie ein böses Lachen in meinen Ohren an.

Luke sagte nichts, aber er drückte kurz meine Hand. Ich war ihm dankbar dafür und wollte zumindest irgendetwas sagen, aber da öffnete sich auch schon die Tür.

Mrs Preston sah uns mit vom Weinen rot geschwollenen Augen entgegen. Ihre Brille war verrutscht und sie schob sie immer wieder mit zitternden Fingern nach oben.

Ihre dunkelblonden Haare waren wohl mal zu einem Knoten gebunden, aber nun hingen ihr die meisten in unordentlichen Strähnen ins Gesicht.

"Miss Riviera?", fragte sie sichtlich verwirrt. "Wie kann ich Ihnen helfen?"

"Guten Abend. Erst mal, tut es mir wirklich leid, dass Ihr Mann verschwunden ist. Falls es Sie tröstet, er fehlt uns allen und wenn sie irgendetwas brauchen, sind wir für Sie da. Darum bin ich auch hier. Das ist -"

"Tim Lancaster.", log Luke. "Ich bin Detective beim HPD und wegen Ihrem verschwundenen Gatten hier. Miss Riviera hat mich auf den Fall aufmerksam gemacht und ich denke, wir könnten vielleicht in seinen Sachen Hinweise auf seinen Verbleib finden. Hatte er ein Arbeitszimmer und wäre es in Ordnung, wenn ich dieses kurz durchsuche?"

Er präsentierte ihr seine gefälschte Marke. Ich wäre selbst darauf hereingefallen. Überhaupt schien Luke ein passabler Schauspieler zu sein.

"Selbstverständlich. Möchten Sie solange eine Tasse Tee, Miss Riviera?"

"Ich ... äh ..."

"Als Mr Prestons Studentin wäre es vielleicht hilfreich, wenn Miss Riviera mich unterstützt. Möglicherweise finden wir was und das erinnert sie an etwas, dass Ihr Mann zufälligerweise in den Vorlesungen erwähnt haben könnte."

Einen Moment wirkte Mrs Preston skeptisch, aber schließlich nickte sie und führte uns nach oben in Mr Prestons Arbeitszimmer.

Erst als sie die Tür hinter uns schloss, erlaubte ich mir, wieder richtig Luft zu holen und tief durchzuatmen.

"Du durchsuchst seinen Computer, ich seinen Schreibtisch.", sagte Luke kühl und ich widersprach nicht.

Wir würden das klären.

Sein Passwort war nicht schwierig zu erraten. Es war der Name seiner Frau, Alexandra.

Anfangs sah alles nur nach Dateien für die Vorlesungen aus. Arbeiten, Recherchen und Präsentationen.

Aber sein Suchverlauf war deutlich interessanter.

Tatsächlich hatte er sich auf jeder verdammten Website, die es über Vampire gab, aufgehalten. Dazu hatte er einen eigenen Ordner mit allen Zeitungsartikeln und Berichten über den Raub im Museum angelegt. 

Ich wusste es doch!

Ich speicherte den Ordner auf dem USB-Stick ab, den ich sicherheitshalber mitgenommen hatte. 

"Hast du was gefunden?", fragte ich leise.

"Ich weiß es nicht, ich-"

Ein schrilles Fauchen unterbrach. Darauf folgte ein Poltern und etwas zerbrach. Ich ahnte Schlimmes. Ich wollte nach unten und nach Mrs Preston sehen, aber da wurde auch schon die Tür aufgestoßen und sie kam blutüberströmt herein. 

"Einbrecher!", brachte sie noch heiser hervor, eher sie zusammenbrach. 

Einen Moment lang ging ich vom schlimmsten aus, aber ihr Oberkörper senkte sich. Sie war bloß ohnmächtig. 

"Die anderen wollen bestimmt alle Spuren vernichten!", knurrte Luke und drückte mir einige Papiere in die Hand. "Vielleicht ist da was dabei. Ich halte sie auf, solange ich kann. Ihr müsst euch hier verstecken. Versuch sie aufzuwecken. Wenn ich dir ein Zeichen gebe, läufst du mit ihr auf den Dachboden und dort wartest du, kapiert?" 

Ich konnte gar nicht antworten, da schob er Mrs Preston schon von der Tür weg und drängte einen Vampir zurück. Er war nicht so wild, wie die Bestie von neulich. Er hatte keinen Rubin. 

Ich schüttelte Mrs Preston so fest ich konnte und tatsächlich schlug sie die Augen auf. 

"Wir müssen hier weg!", schrie ich panisch und zog sie mit aller Kraft hoch. 

"Carol, jetzt!", hörte ich Luke rufen.

Aus dem Erdgeschoss kamen schreckliche Kampfgeräusche und auch Schreie, aber ich durfte nicht stehenbleiben. Mrs Preston war eindeutig hilfloser als Luke. Und er hatte recht, es gab einen Dachboden. 

Wir hatten schon eine schmale Treppe am Ende des Gangs erreicht, als einer der Vampire um die Ecke schoss und auf uns zustürmte. Er war bei dem letzten Angriff dabei und auch er schien mich wiederzuerkennen. 

"Mörderin!", fauchte er. 

Ich konnte nicht anders, ich zog das Taschenmesser und trat und schlug um mich so gut ich konnte. Ich erwischte ihn mit der Klinge an der Hüfte, aber er trat mir dafür so heftig in den Bauch, dass ich einige Meter zurücktaumelte. 

Er entriss mir das Messer und drängte mich so fest gegen die Wand, dass mir einen Moment schwarz vor Augen wurde.

"Ich werde dir für den Mord an meinem Bruder die Kehle herausreißen, du Miststück!"

Ich war zu benommen, um mich zu wehren. Seine Zähne glänzten im Licht der Deckenlampe. 

Plötzlich brach etwas und er und einige Scherben vielen zu Boden. Mrs Preston hatte ihm eine Vase über den Kopf gezogen.

Kurz darauf rannten ihr Tränen über die Wangen und sie wollte wieder zusammenbrechen. Ich auch, wenn ich ehrlich war, aber wir hatten es fast geschafft. 

Mit letzter Kraft zogen wir uns die Treppen hoch auf den Dachboden und schlossen die Tür hinter uns. 

Mrs Preston ließ sich auf den Boden fallen und wurde von Heulkrämpfen durchgeschüttelt. 

"Danke, dass Sie mich gerettet haben.", flüsterte ich und ließ mich ebenfalls sinken.

"Was sind das für Wesen?", fragte sie mit brüchiger Stimme.

Ich wollte nicht lügen. Nicht solange die Möglichkeit bestand, dass wir das hier nicht überstanden. 

"Vampire.", erwiderte ich.

Wir schwiegen, bis ich Lukes Stimme durch die Tür vernahm. 

Er war ebenfalls verletzt. Er humpelte und blutete sogar im Gesicht, aber zuerst musste ich mich um Mrs Preston kümmern. 

Ich rief einen Krankenwagen für sie, aber mehr konnte ich nicht tun. Ich konnte sie nicht mit der Erklärung belasten, weshalb Vampire in ihr Haus eingebrochen sind und uns angegriffen haben.

Kaum waren die Sirenen verklungen und die Blaulichter in der Nacht verschwunden, drehte ich mich zu Luke um.

"Brauchst du Hilfe?"

"Nein. Es sind keine schweren Verletzungen. Sie waren bloß zu dritt. Wie geht es dir?"

"Nur ein Tritt in den Bauch, aber es geht schon. Ich gehe jetzt. Ich hab noch was vor."

Im Moment war er wieder so distanziert und kalt, dass ich genug hatte. Aber er packte mich an der Schulter und riss mich beinahe schroff herum.

"Du willst nach diesem Abend wirklich noch auf ein Date gehen? Ist das dein Ernst, Carol?"

Da explodierte etwas in mir.

"Ja, verdammt nochmal! Ich hab das satt, verstehst du!? Ich bin kein Kämpfer, so wie du! Ich kann das nicht Nacht für Nacht! Ich muss dringend etwas tun, das normal ist! Und dieses Essen ist etwas Normales! Ich will dahin gehen und es geht dich nichts an, was ich tue! Ich tue immer noch, was ich will!"

Seine Hand schüttelte ich auf dieselbe grobe Art ab und machte mich auf den Weg nach Hause.

BlutrubinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt