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Ich glaubte, mich verhört zu haben. So absurd war es, dass ich lachen musste. Aber er lachte mit mir und das war ein seltsam vertrautes Gefühl und ich wünschte mir, er würde das öfters tun.

"Du gehst wirklich mit mir was trinken?"

"Ich denke, das wäre nur fair."

Vielleicht hatte ich ihn mit meinem Blut angesteckt und plötzlich ließ er mehr von seiner düsteren Seite ab? Oder ihm hatte tatsächlich einfach nur Blut, Schlaf und ein guter Freund gefehlt?

"Okay! Okay, ja. Das klingt fair und verlockend, weil mir ehrlich gesagt kalt ist."

Er nahm wieder meine Hand und führt mich die Treppen hinunter.

"Gut, denn ich möchte dir bei dieser Gelegenheit jemand Wichtiges vorstellen."

An der dieser Nacht war etwas besonders, das spürte ich schon, als uns diesmal keine feindlichen Vampire angriffen. Etwa zehn Minuten lang führte Luke mich durch die dunkelsten Gassen, in denen mir ziemlich mulmig zumute wurde.

Aber schließlich erreichten wir einen Hinterhof, in dem es eine kleine Bar gab. Sie sah eigentlich ganz unauffällig aus, bis auf die weißen Leuchtbuchstaben, die zusammen das Wort Devilsnight ergaben.

"Teufelsnacht?", fragte ich und musste ein Kichern unterdrücken.

"Ja. Hör mal, Carol. Was ich dir jetzt sage, ist wirklich wichtig."

Sein Ausdruck war wieder ernst und ein bisschen fehlte mir der aufgeweckte Luke. Seine silbernen Augen funkelten und nahmen all meine Konzentration auf sich.

"Wenn wir je etwas passieren sollte und du brauchst Hilfe, dann komm hierher. Diesen Leuten da drin würde ich mein Leben anvertrauen und deines genauso."

Mit diesem Gedanken verflog auch all meine gute Laune, aber ich merkte, wie wichtig es ihm war.

"Warum? Wer sind diese Leute? Auch gute Vampire?"

"Zum Teil. Komm einfach mit."

Ich zuckte mit den Schultern.

"Solange sie Kaffee haben."

Die Scheiben waren getönt und nur ein kleines Geöffnet-Schild mit einer aufgemalten Fledermaus ließ darauf schließen, dass hier jemand war. Eigentlich witzig, denn Luke sagte ja, dass Vampire sich nicht in Fledermäuse verwandeln konnten.

Er öffnete die Tür und warme, stickige Luft schlug mir entgegen. Statt Lampen erhellten Dutzende von Lichterketten den großen Raum. Die Möbel waren dunkel und die Wände schwarz. Aus einer altmodischen Jukebox in der Ecke drang leise Musik.

Eigentlich eine netter Ort, wenn uns nicht etwa zehn Augenpaare angeglotzt hätten. Eins davon gehörte John, der mit einem Glas roter Flüssigkeit, vermutlich kein Rotwein, am Rand saß und eins dem sehr, sehr hochgewachsenen Barkeeper hinter der Theke. Er hatte eine tätowierte Glatze und ein Piercing an der Nase, aber seine leuchtend blauen Augen wirkten eher freundlich.

Spätestens als er breit lächelte und dieses so offen und ehrlich wirkte, wie ich es bisher kaum bei einem Menschen gesehen hatte, war er mir sympathisch.

"Luke, mein Junge! Wen bringst du da mit?"

Auch die anderen musterten mich, da sie Luke anscheinend hier kannten, neugierig. Ich brachte den Mund nicht auf und spürte, wie Luke aufmunternd meine Hand drückte.

"Das ist Carol. Sie ist meine Socinem."

Ein plötzliches Raunen ging durch die Bar. Luke ignorierte es und führte mich seelenruhig zur Bar.

"Was um alles in der Welt ist ein Socinem!?", fragte ich.

"Ein Mensch, der durch das Überreichen seines Blutes mit einem Vampir verbunden ist.", antwortete der Barkeeper freundlich und hielt mir daraufhin seine Hand hin. "Ich bin Danny. Freut mich wirklich, dass sich Luke mal jemanden genähert hat."

Ich musste zurücklächeln, vor allem weil sein Händedruck und auch seine ganze Ausstrahlung der eines fürsorglichen Onkels glichen.

"Carol. Also woher kennt ihr euch? Und warum ist es wichtig, dass ich seine Socinem bin?"

Danny sah zu Boden. Plötzlich verflog all seine Fröhlichkeit.

"Ich weiß nicht, wie viel Luke dir erzählt hat, aber nicht nur Menschen und Vampire, sondern auch die Vampire selbst sind gespalten. Nicht jeder von ihnen will den Menschen Böses. Sie kommen deshalb hierher, wo Menschen und Vampire Seite an Seite etwas trinken und miteinander reden können. Die Bar ist mein Lebenswerk und ich halte an meinem Grundsatz fest. Genau wie meine Freunde."

Er deutete in die Runde. Eine Frau in etwa seinem Alter saß zwei Hocker von uns entfernt und lächelte uns zwischen ihren dunkellilafarbenen Strähnen an. An einem runden Tisch saßen fünf junge Männer, die wie eine kleine Gang wirkten und in der Ecke neben der Jukebox ein Pärchen, das uns kaum zu bemerken schien, da sie zu sehr damit beschäftigt waren, sich irgendetwas Lustiges ins Ohr zu flüstern. Zuletzt hob John kurz sein Glas und prostete uns zu, eher er wieder in seiner eigenen Welt zu versinken schien.

"Das sind Enna, John, Lola, Rick und die Jungs da hinten, die nicht ansatzweise so Furcht einflößend sind, wie sie wirken, heißen Steve, Sam, Johnny, Adam und Dave. Enna, John, Lola, Rick, Sam und Adam sind Vampire. Steve, Johnny, Dave und ich sind normale Menschen wie du. Wobei..."

Sein Blick glitt zu Enna und sie strahlte ihn an.

"Ich bin Ennas Socinem. Schon als vor zehn Jahren zwei Kinder in diese Bar kamen. Ein Junge und ein Mädchen, Geschwister. Sie brauchten Hilfe und wir haben sie aufgenommen und der Junge von damals steht nun neben dir. Das ist seine Geschichte und er soll sie dir selbst erzählen. Bis dahin ... Du hast doch sicher Durst, oder?"

"Äh ... Ja! Ein Cappuccino wäre wirklich nett, danke.", sagte ich, aber meine Aufmerksamkeit galt Luke.

Er hatte eine Schwester.

Als Danny ihm nach seinem Wunsch fragte, winkte er und sah mich an. Er seufzte und führte mich zu einem der Tische. Einige davon hatten statt Stühle rote Ledersofas, die praktisch zum Entspannen einluden.

"Wenn du es mir nicht erzählen, Luke... ", flüsterte ich.

Er schüttelte nur den Kopf.

"Ist schon gut. Es ist nur ... eine lange Geschichte."

Kurz darauf stellte Danny den Cappuccino vor mir ab und ich bedankte mich, bevor ich Zucker hineinrührte und mich zurücklehnte.

"Ist schon gut. Wir haben die ganze Nacht Zeit."

BlutrubinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt