28

13 1 1
                                    

Ich wollte meinen Arm langsam wegziehen, als mir schwindelig wurde. Aber Luke ließ mich nicht los.

"Luke, es ist genug!"

Meine Stimme klang so brüchig wie seine und ich konnte mich kaum noch aufrecht halten. Er nahm zu viel Blut. Er konnte sich nicht mehr kontrollieren und ich konnte kaum noch wachbleiben.

Plötzlich hörte ich eine Stimme.

"Carol! Carol, er muss weg von dir! Danny, hilf mir!"

Luke und ich wurden voneinander weggezogen und dann konnte ich überhaupt nicht mehr. Die Dunkelheit griff immer mehr nach mir, bis ich nur noch schwarz sah und darin versank. 

<><><>

Als ich meine Augen wieder öffnete, war das kleine Zimmer verschwunden. Kein Luke, keine Enna und kein Danny. Stattdessen lag ich in einem Krankenhausbett. Mein Arm hing an einer Blutinfusion. 

Wahrscheinlich hatte mich einer von ihnen hergebracht. Das musste allerdings schon länger her sein, denn durch die orangenen Vorhänge schien helles Sonnenlicht. 

Nur schemenhaft suchten mich die Erinnerungen der letzten Nacht heim. 

Ich hatte mich mit George getroffen und kurz darauf hatte Danny mich angerufen. Luke hatte gefährlich viel Blut verloren und ich hatte ihm erneut welches von meinem abgegeben. Aber er hatte nicht mehr aufgehört und ich hatte das Bewusstsein verloren. 

Meine Tasche lag auf einem Tisch neben dem Bett. Mein Handy. 

Ich hatte mehrere Anrufe in Abwesenheit.

Mom, Sonja, Granny und eine unbekannte Nummer. Dort rief ich zuerst zurück.

"Wer ist da?", fragte eine schroffe Stimme.

"Carol Riviera. Sie haben mich angerufen!"

"Oh, Carol. John. Enna hat dich angerufen, aber jetzt gerade schläft sie. Sie hatte eine lange Nacht, wie du dir vielleicht denken kannst."

Autsch. Seine Stimme triefte vor Vorwürfen.

Ich dachte nach. Ich wusste, dass Luke mehr als geschwächt war und nicht klar hatte denken können. Trotzdem hatte ich eine Situation heraufbeschworen, die ich nicht hatte kontrollieren können.

Enna und Danny hatten sich also um zwei Leute kümmern müssen, die beide ein Krankenhaus nötig hatten, aber nur einer eins betreten konnte.

Toll gemacht.

"John, es tut mir leid."

"Bei mir brauchst du dich nicht zu entschuldigen. Danny und Enna sind dir nicht böse, sie verstehen es sogar. Sind ja selbst Socinem. Du solltest lieber mal mit Luke reden."

"Ich dachte, es wäre besser, wenn ich nicht mehr mit ihm spreche."

"Ist es auch, aber das müsst ihr klären. Hab ich ihm auch schon gesagt. Und jetzt reiß dich zusammen und beweg deinen Hintern her, sobald sie dich entlassen."

Dann legte er auf. 

Ich war ihm nicht böse. Er hatte recht. Genauso wie Luke recht gehabt hatte. Ich passte nicht in ihre Welt und es war endgültig an der Zeit, mich von ihnen zu verabschieden. 

Keine Ahnung was Danny und Enna den Ärzten erzählt haben, aber sie stellten keine Fragen und ließen mich nachmittags wieder nach Hause.

Ich nahm mir fest vor, noch am selben Abend ins Devilsnight zu gehen und die Sache ein für alle mal zu klären. Aber vorher musste ich mich um meine Freunde und meine Familie kümmern.

Ich traf mit Sonja auf einen Kaffee, um ihr von meinem Treffen mit George zu erzählen, aß mit Bo und seinem Freund zu Mittag und ging mit Wayne einige Cappys aussuchen, da er sie in Zukunft häufiger brauchen würde.

Ich fuhr nach Hause, um sowohl meine Mom, als auch Granny, als auch Tom auszuschimpfen, weil sie mich allein zu einem Essen mit einem Fremden schicken.

Auch wenn ich den Abend nicht bereute (was ich selbstverständlich verschwieg), fand ich es unhöflich. Und fies obendrein, weil sie wussten, was für eine graue Maus ich war.

Natürlich grinsten mich alle drei unschuldig an. 

Meine Laune wurde besser. Ich verbrachte Zeit mit den Menschen, die mir wichtig waren. 

Im Krankenhaus hatte ich mich vor meinem Verschwinden auch noch nach Mrs Preston erkundigt. Ihr ging es soweit ganz gut.

Sonja redete auch nicht mehr von einem Umzug. Die Welt schien sich ausgerechnet in der Nacht, in der ich akzeptiert hatte, mich von den Vampiren verabschieden zu müssen, wieder gebessert zu haben.

Aber meine Meinung änderte es nicht. Es machte die Entscheidung nur noch schmerzhafter.

Als die Sonne unterging, hatte ich keine Angst, dass mich Vampire angriffen. Ich hatte mein Messer und die Tricks aus dem Kurs. Und wenn das nicht reichte, dann war es eben so.

Nicht, dass ich bereit wäre, zu sterben. Aber ich musste das erledigen. Ich hatte mich selbst in die Sache hineinmanövriert und konnte mich somit nicht immer hinter Ausreden verstecken.

Hell schienen die Neonbuchstaben des Devilsnight und ich konnte mich nicht entscheiden, ob sie mich faszinierten oder abschreckten.

Zögerlich öffnete ich die Tür und sofort fixierten mich sämtliche Augen. John und die fünf Jungs funkelten mich böse an. Rick und Lola wichen nach wenigen Sekunden meinem Blick aus.

Nur Danny und Enna wirkten erleichtert und traurig zugleich.

Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. Ich spürte, wie ich zitternd meine Hände ineinander verschränkte und zwang mich zur Ruhe.

"Es tut mir wirklich leid, dass ich euch allen solchen Ärger gemacht habe. Danke für alles."

Ich wollte wieder gehen, um mich auch noch von Luke zu verabschieden.

"Carol, warte bitte!"

Enna kam zu mir und zog mich in ein Zimmer hinter der Theke. Sie hatte gerötete Augen, als hätte sie viel geweint.

"Carol, Danny und ich sind dir nicht böse. Wir sind selbst Socinem und wissen, was das bedeutet. Bitte mach dir keine Vorwürfe. Die anderen verstehen das einfach noch nicht."

Nun brannten auch meine Augen. Ich nahm ihre kalten Hände und drückte sie fest.

"Danke, Enna. Aber es ist für jeden das Beste, wenn ich euch in Ruhe lasse."

"Das ... Ist nicht meine Entscheidung und auch nicht die der anderen. Das musst du selbst wissen. Aber lass dich dabei nicht von Luke beeinflussen. Du kannst dir vorstellen, wie es ihm geht."

"Ich muss mit ihm reden. Weißt du, wo er ist."

Sie überlegte kurz, eher sie seufzte.

"Nein, aber ich hab da eine Ahnung."

BlutrubinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt