Kapitel 43

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Ich war entschlossen aber nicht naiv. Metatron zu besiegen war schwer und mühselig. Jedenfalls nach Seths Geschichten. Ihn unter Kontrolle zu halten, würde einfacher werden. Das hoffte ich wenigstens.

Also lief ich zurück Nachhause, wo ich Raphael zur Rede stellen wollte. Ich würde ihm alles erklären und auf seinen Verstand hoffen, den er trotz der Aufnahme seines Doppelgängers sicher noch nicht verloren hatte. 

Wenn wir es unter Kontrolle halten wollten, müsste Metatron glauben, er habe die Oberhand. Dass es nicht so sein würde, musste er nicht wissen. Raphael würde das Sagen haben. Sein Wort würde über Metatrons stehen. Und so würde alles bleiben wie es war. Friedlich.

Als ich im Haus ankam, war Metatron allem Anschein nach in der Küche. Cora sah Fern, aber wo war Raphael? Ich lief zu meiner ehemals besten Freundin. "Wo ist er?", wollte ich wissen. Sie sah zu mir. "Oben", antwortete sie knapp, bevor sie sich wieder dem Gerät vor ihr widmete.

Erst wollte ich noch etwas sagen, doch ich behielt es für mich. Was brachte es, sich immer und immer wieder zu entschuldigen, wenn sie noch nicht bereit war, mir zu verzeihen? Seufzend machte ich mich auf den Weg nach oben und fragte mich, in welchem Raum er sich befand.

Aus einem kamen Stimmen, also nahm ich an, dass er dort war. Also ging ich dorthin und öffnete die Tür. Doch auf das, was ich dort sah, war ich nicht vorbereitet. Und es hätte mich auch nichts jemals auf so etwas vorbereiten können.

Dort lag Raphael. Oberkörperfrei. Doch er war nicht allein. Unter ihm lag eine Frau. Ich legte eine Hand auf meinen Mund und Tränen schossen mir in die Augen. Nein. Nein, das geschah gerade nicht wirklich, oder?

Als er mich gehört zu haben schien, sah er in meine Richtung und bekam große Augen, als er mich erkannte. Schnell sprang er vom Bett und zog sich ein Shirt drüber. Jetzt konnte ich einen Blick auf die Frau erhaschen und es tat nur noch mehr weh.

Es war Freya. Nicht, dass wir je Freundinnen waren. Doch ich hatte begonnen, ihr zu vertrauen. Und ich hatte Raphael vertraut, als er mir sagte, nichts mehr von Freya zu wollen. Dass er sie nicht mehr liebt. Doch das war wohl zu naiv.

Ich hätte damals hören sollen, als er sagte, eine solche Liebe würde nicht vergehen. Aber ich dachte, jemanden, der einem so wehgetan hatte, könnte man nicht länger lieben. Da hatte ich mich wohl getäuscht.

"City", sagte er und kam auf mich zu. "Nenn mich nicht so!", fauchte ich ihn an und ließ meinen Tränen freien lauf. "Den Namen dürfen nur noch Freunde benutzen." Ich war verletzt und er nun auch. Wer war er, dass er jetzt verletzt sein durfte? Dachte er wirklich, ich würde ihm das verzeihen können?

Er sagte noch etwas, doch ich hörte ihm nicht länger zu, sondern rannte hinaus. Aus dem Raum. Dann aus dem Haus. Irgendwann blieb ich stehen, hockte mich hin und weinte. Ich hatte gerade niemandem, mit dem ich darüber reden konnte und der wirklich alles verstand.

Dave und Raziel waren die zwei einzigen, die die Geschichte mit Freya kannten und selber miterlebt hatten. Mit ihnen hätte ich reden können, doch sie waren beide tot. Ich könnte mit Cora reden, doch sie würde mir jetzt wohl kaum wirklich zuhören. Sie hatte eigene Probleme. Und ich wollte sie nicht noch mit meinen eigenen belasten.

Wie sollte ich Raphael je wieder in die Augen sehen können, ohne zu weinen? Er hatte mich betrogen. Mit seiner Exfreundin, was alles nur noch schlimmer machte. Ich konnte meinen Plan nicht vollenden, denn er involvierte Raphael. Und er war die letzte Person, die ich gerade sehen wollte.

Das alles versetzte mir einen Stich ins Herz. Ich dachte, er würde mich innig lieben. Dass er mich niemals verletzen würde und doch hat er heute genau das getan. Was auch immer ihn dazu getrieben hatte, es war seine eigene Entscheidung gewesen. Er hätte es nicht tun müssen und er tat es dennoch. 

Schniefend wischte ich mir die Tränen weg, stand auf und lief zurück zur Stadt. Zu dem Haus, in dem Noabelle, Seth und Luc darauf warteten, dass ich mit Raphael wieder kam und alles genau nach Plan funktionierte. Nur ungern brachte ich die schlechten Neuigkeiten mit.

Kurz vor dem Haus bekam ich erneut rote Augen, doch ich versuchte es zu unterdrücken. Ich war eine erwachsene Frau. Meinen Gefühlen würde ich mich später widmen. Nach kurzem durchatmen ging ich hinein. Alle Augen waren auf mich gerichtet.

"Wo ist er?", wollte Seth wissen und runzelte die Stirn. Ich wollte nicht weinen. Wirklich nicht. Doch ich konnte die Tränen jetzt auch nicht mehr halten. Sie liefen einfach meine Wangen hinunter. "Raphael ist für mich gestorben", sagte ich während ich mir die Tränen wegwischte. Ich meinte jedes Wort in diesem Satz ernst.

Geschockt sah er mich an und wusste scheinbar nicht, was er machen sollte. Noabelle hingegen drückte das Baby in Lucs Arme und kam zu mir. Dann umarmte sie mich und ich schlang meine Arme um sie, bevor ich weiter weinte. 

Eine Weile standen wir so stumm da. Sie versuchte mich zu trösten und kam mir dabei wie eine wirklich gute Freundin vor. Ich war froh, dass auch sie gerade hier war. Irgendwann lösten wir uns voneinander und ich setzte mich zu ihnen, wo ich dann alles erzählte.

Wie ich hineinging und es sah. Meine und seine Reaktion und wie ich schließlich wieder hier her lief. "Wir müssen es also ohne Raphael schaffen", meinte Seth. Es klang herzlos. So, als würde er sich nicht für meine Probleme interessieren. Doch das tat er. Ich hatte kurz die Wut in seinen Augen aufflattern sehen, als ich ihm davon erzählte.

"Und wie?", wollte Noabelle wissen. "Er hat die Engel." Die hatte er tatsächlich. Nur eben nicht alle. Uriel stand nicht hinter ihm, soweit wir wussten. Und die, die ihm loyal ergeben waren wohl ebenfalls nicht. Nur allzu viele werden das leider nicht sein.

"Ihr habt mich, was ein Vorteil ist", sagte Seth und sah uns an. "Ich werde euch unsterblich machen und du wirst deine Fähigkeiten behalten, City", fuhr er fort und überraschte mich somit. Unsterblich? Ich wusste nicht einmal wirklich, ob ich das wollte. Und ich sah den Sinn dahinter auch nicht. 

"Wir können ihn nicht ewig in Schach halten. Er ist mächtig", gab ich zu bedenken. Seth nickte zustimmend. "Aber wir haben Nephilim. Die einzigen auf dieser Welt. Und Nephilim sind den Legenden nach sehr mächtig. Sie können der Triumph oder der Untergang der Engel werden."

Ich schluckte leicht. Er sprach von meinen Kindern. Seth wollte sie als Waffe gegen Metatron einsetzen, dabei waren sie noch so jung. Ich wusste auch nicht, ob ich das wollte. Doch hatten wir denn überhaupt wirklich eine Wahl? Metatron konnte den Menschen gefährlich werden. Sogar die Doppelgänger hatten ihn gefürchtet. 

Wenn meine Kinder das wirklich verhindern könnten, sollten sie es versuchen, sobald sie alt genug waren. Und bis dahin werden wir alles daran geben, um Metatrons Macht zu schwächen, solange wie wir konnten.

New World: AfterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt