Kapitel 7

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Wir beließen es dabei. Beschlossen aber auch, dass keiner der Erzengel sich aufnehmen lassen dürfe. Das wäre zu gefährlich. Den Verlust eines Kontinents konnten wir nicht riskieren. Dennoch ließ mich der Gedanke an einen Plan nicht los. Auch dann nicht, als ich mich um die Kinder kümmerte. 

"City, denk an etwas anderes", bat Brooke mich und sah besorgt zu mir. Ich seufzte. Wenn das nur so einfach wäre. "Wenn wir nicht bald eine Lösung haben, sind wir am Arsch", sagte ich und nahm dabei kein Blatt vor den Mund. Denn was brachte das? Wir könnten alle in einer Woche tot sein, wenn wir nicht bald herausfanden, wie wir das lösen. 

Cora betrat den Raum. Auch sie wirkte angeschlagen, weshalb Brooke frustriert seufzte. Sie war wohl die optimistischste von uns allen. Und ich fragte mich, wie sie das sein konnte. Obwohl sie wusste, was auf dem Spiel stand. Doch ich sah zu Cora, die mit Troy einen Turm baute. 

"Was ist los?", wollte ich wissen. "Azzurra", antwortete sie und ich runzelte meine Stirn. "Sie ist seltsam, seitdem sie zurück ist." Das bereitete ihr also Sorgen. Ich stand auf. "Ich rede mal mit ihr", sagte ich. Vielleicht würde sie mir ja sagen, was sie bedrückt. Oder ich konnte sie ermutigen, mit Cora darüber zu reden. 

Cora nickte und ich ging nach oben. Dort klopfe ich an der Zimmertür an, bevor ich hineinging. Azzurra lag in dem Bett. Die Beine angezogen. So kannte ich sie gar nicht. Es war seltsam, sie so zu sehen. Als sie nichts sagte, schloss ich die Tür und ging zu ihr. "Was ist los?", fragte ich auch sie. Azzurra seufzte. 

"Ich habe es zugelassen", antwortete sie. Diese Aussage verwirrte mich. "Ich bin meinem Doppelgänger begegnet." Sie hatte sie aufgenommen. Das meinte sie. Und dennoch wollte sie, oder ihr Doppelgänger, uns nicht töten. Wieso?

"Ich war stärker. Viel stärker scheinbar", fuhr sie dann fort. "Zwar habe ich das Gefühl, als wäre noch jemand da, aber dem ist nicht so. Sie hat verloren und es akzeptiert." Es klang seltsam, das zu hören. Dave hatte nicht allzu viel dazu gesagt. Nur, dass ihm die Gefühle nicht gefielen. Doch scheinbar war es auch möglich, dass die gute Seite komplett gewinnt. War man dann wirklich noch man selbst?

Azzurra wirkte noch wie sie. Doch andererseits auch irgendwie nicht. Es war nicht wirklich zu beschreiben. "Wie fühlst du dich?", fragte ich deshalb. "Ich dachte immer, ich könnte meine Vergangenheit hinter mich lassen", antwortete sie. "Doch ich habe mich geirrt." Eine weitere Aussage, die mich verwirrte. 

Sie sah zu mir. "Ich habe grausame Dinge für Gabriel getan. Und ich wurde gezwungen, mich daran zu erinnern. An alles", meinte sie, als sie sah, dass ich nicht wirklich verstanden hatte, was sie meinte. Diese Gedanken, diese Taten, schienen sie zu quälen. "Ich habe seine Drecksarbeit gemacht, City." Während sie das sagte, setzte sie sich auf. 

Eine Träne rollte ihre Wange hinunter, doch ich wischte sie weg. "Das war vor über zehn Jahren. Diese Person bist du nicht mehr", versuchte ich sie aufzumuntern. Erneut sah sie zu mir und schenkte mir ein leichtes Lächeln. "Doch. Ich bin immer noch die gleiche. Würde Raphael mich um so etwas bitten, ich würde es tun. Nichts hat sich verändert", meinte sie. "Ich denke, weil ich das akzeptiert und nicht bestritten habe, habe ich gewonnen." 

Kurz sah ich nach vorn. Sie hatte ihre dunkle Seite akzeptiert. Ich wollte nicht wissen, was genau sie tun musste. Auch nicht wie gern oder ungern sie es tat. Aber ich wusste, dass Raphael so etwas niemals verlangen würde. Und auch, dass jeder etwas dunkles und böses in sich trägt. Es kommt darauf an, wie man sich entscheidet. 

"Azzurra", begann ich, "das ändert nichts an dir. Du bist immer noch du. Die Freundin meiner besten Freundin. Und eine loyale Freundin von Raphael und mir. Jemand, für den ich sehr viel riskieren würde. Und wenn du es nicht willst, wird niemand von all dem erfahren", versicherte ich ihr. Leicht überrascht sah sie zu mir. Als hätte sie so etwas nicht erwartet. 

Sie bedankte sich und bat mich um Verschwiegenheit. Ich stimmte zu. "Nur lüge Cora nicht an. Und lass nichts an ihr aus. Man kann mit ihr reden", versprach ich. Sie nickte und sagte, sie würde mit Cora reden. Wer weiß, was genau sie ihr erzählt. Vielleicht kommt es irgendwann so oder so ans Tageslicht. Aber es spielte keine Rolle. Nichts davon. 

Dann erzählte ich ihr die Sache mit Dave und dem Gespräch danach. Sie musste schließlich auf dem Laufenden gehalten werden. Auch die Sache mit Michael hatte ich nicht ausgelassen. Nun verdrehte sie genervt die Augen. "Wieso kann er nicht einfach mal seinen Mund halten? Hat er doch bei Gabriel auch", meinte sie und dem stimmte ich zu. Ohne Michael wäre die ganze Sache leichter. Doch Raphael hatte recht als er sagte, dass wir ihn bräuchten.

Er hatte eine große Armee und noch immer Einfluss auf den ein oder anderen Engel. Auch in Europa gab es noch Personen, die seine Meinung eher vertraten als die von Raphael. Würde er nicht helfen wollen, könnte das die Sache nur unnötig kompliziert machen. Und das konnten wir nicht gebrauchen. 

Wir redeten noch eine Weile darüber. Azzurra hielt nicht viel von Michael und hatte die Entscheidung, ihn am Leben zu lassen, nicht gut geheißen. Doch sie hatte sie akzeptiert. Zudem war sie nicht sehr erfreut, dass Freya sich wieder hier in der Nähe aufhielt. Ich stimmte dem zu. Mir gefiel es auch nicht. 

"Ich kann verstehen, dass sie notwendig ist", meinte ich dann. "Aber sie hat nicht die gleichen Ziele wie wir. Die Menschen sind ihr egal." Azzurra nickte. "Der einzige Grund, weshalb sie helfen wird, ist ihr eigener Arsch", sagte sie dann. Ich wusste nicht, ob ich das dem Egoismus zuschreiben würde, denn jeder wollte irgendwie überleben. Doch Freya war jemand, der nur an sich selbst dachte. Solange sie lebend aus etwas herauskam, spielte der Rest kaum eine Rolle. 

Seufzend stand ich dann auf. "Wir sollten langsam mal etwas essen gehen", meinte ich. Die normale Zeit zum Essen war bereits seit zwei Stunden vorbei. Doch als wir beide unten ankamen, standen dort zwei Teller auf dem Tisch. Ich lächelte. Sie hatten uns nicht vergessen. 

Wir setzten und aßen relativ schnell. Jedenfalls ich. Nach zehn Minuten war mein Teller leer und ich beschloss, etwas spazieren zu gehen. Eigentlich tat ich so etwas immer mit Raphael und den Kindern. Doch für diese war es zu gefährlich und Raphael war beschäftigt. Also lief ich alleine etwas durch die Straßen, bevor ich mich wieder auf den Rückweg begab. 

Als jemand meinen Namen rief, drehte ich mich verwirrt um. Es klang nach Raziel. War er etwa ebenfalls unterwegs? Das wäre möglich, denn er und Malia hatten auch noch andere Verpflichtungen, schließlich ging es auf ihrem Kontinent gerade sehr chaotisch vor. Doch als ich mich umdrehte, sah ich niemanden. Stattdessen spürte ich einen harten Schlag auf den Kopf, bevor alles schwarz wurde.


New World: AfterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt