Kapitel 12

411 20 0
                                    

Eine Weile blieb ich alleine im Schlafzimmer, bis Clara hereinlief. Schnell wischte ich mir die Tränen weg. Sie schenkte mir ein Lächeln und ich half ihr dabei, sich zu mir aufs Bett zu setzen. Dort umarmte sie mich dann einfach nur. Kurz darauf betrat auch mein Ehemann den Raum. 

"Azzurra scheint wirklich das beste Beispiel zu sein. Raziel hat die Aufnahme nicht so gut verkraftet", sagte er seufzend und ich stimmte dem zu. Er hatte also auch bemerkt, dass etwas anders war. "Kenna sagte, man sei nur halbwegs man selbst. Wir werden wohl damit klarkommen müssen." Nun war er es, der mir zustimmte.

"Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass wir dort alle durchmüssen", meinte er dann. "Mir auch nicht", sagte ich. "Aber wir werden es schaffen." Mit diesen Worten küsste ich ihn sanft. Wir mussten es einfach schaffen. Für uns und für diese Welt.

Dann verfielen wir über ein Gespräch über die Kinder und stimmten in unserer Meinung überein. Nach diesem Gespräch suchte ich Brooke und nahm sie mir zur Seite, mit den Worten, ich müsse mit ihr reden. Gespannt sah sie mich an.

"Ich möchte, dass du morgen mit Freya zu ihrem Landsitz fährst", erklärte ich. "Mit den Kindern. Dort sind sie sicher." Es gab niemandem, dem ich die Kinder mehr anvertrauen würde als Brooke. Sie liebten sie und vertrauten ihr. Auf einen Urlaub, wie wir es nennen werden, freuen sie sich bestimmt. Raphael redete gerade mit Troy.

"Aber ihr müsst das überleben, City", sagte sie und zog mich in eine Umarmung. "Natürlich", versprach ich. Doch sie musste wissen, dass das eine Lüge war, denn kurz darauf schubste sie mich weg und sah mir in die Augen. "Versprich es. Bitte. Du musst das schaffen. Ich kann niemanden mehr verlieren. Und die Kinder auch nicht." Sie hatte alles verloren. Ihre Familie und ihr Zuhause. Bis sie bei uns war. Für sie waren wir ihre Familie.

Also versprach ich es ihr. Sofort umarmte sie mich erneut. Am nächsten Morgen verließen sie uns dann. Freya war glücklich darüber, gehen zu können. In den Kampf hatte sie sich bisher auch nicht eingemischt. Doch wir verloren zwei weitere Personen, die an unserer Seite kämpften.

So war unser Sieg nicht mehr sicher. Wir brauchten einen Plan B. Oder einen Unterplan von Plan A. Also lief ich zu Kenna und Dave. Jedoch war nur sie dort. Verwirrt sah sie mich an. "Ich brauche deine Hilfe."

* * *

Mit diesen Worten hatte ich sie gelockt. Nun, eine halbe Stunde später, standen wir vor dem Haus, welches Raziels Doppelgänger gehört hatte. Der Putz war an einigen Stellen herunter gebröckelt. Es war einfach verfallen. Nach den beiden Kriegen scheint sie keiner darum gekümmert zu haben.

 Niemand wusste, dass ich hier war. Erst wollte ich Raziel mitnehmen, doch in seinem Zustand wollte ich das nicht. Und nun stand ich hier mit Kenna."Als du sagtest, du bräuchtest meine Hilfe, hatte ich an Training oder so gedacht", meckerte sie, als wir das Haus betraten.

"Keine Selbstmordaktion. Wenn du sterben willst, spring von einem Hausdach. Das wäre weniger Qualvoll als dieser Tod hier." Ihr Gefiel der Plan nicht. Sie war im Grunde komplett dagegen. Und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass sie Angst hat. Doch sie kam dennoch mit. Denn wenn sie etwas noch weniger wollte als hier zu sein, dann das ich aufgenommen werde.

Wir stiegen die Treppen hinab zum Keller und nun wurde auch mir langsam mulmig zu mute. Ich zweifelte sogar etwas an meinem Plan, weshalb ich einfach stehen blieb. Kenna lief leicht gegen mich. "Was? Hast du jetzt doch deinen gesunden Menschenverstand eingeschalten?", wollte sie wissen. Ich drehte mich zu ihr um.

Da sie eine Treppe höher stand, war sie größer als ich. Ich sah zu ihr auf. "Können diese Kreaturen auch einen Bund mit einem Menschen eingehen?", fragte ich, anstatt auf ihre Frage zu antworten. Sie hob eine Braue. "Diese Frage stellst du dir jetzt erst?" Ich verdrehte die Augen. "Aber ja, im Grunde ist es möglich", antwortete sie dann. "Nur willst du das nicht. Denn der Bund bricht in dem Moment deines Todes." 

Damit wollte sie mir erklären, dass die Kreatur mich einfach töten müsste. Doch bei einem Bund konnte sie das nicht, oder? Sie seufzte. "Du darfst nicht vergessen, dass sie extrem schlau sind. Sie halten sich immer ein Schlupfloch offen." Extrem schlau. Das war das Gegenteil von dem was Raphael sagte.

Wenn er über sie redete, klang es, als seien das wilde Tiere. Bei Kenna hingegen wirkte es fast so, als hätten sie etwas menschliches. Kurz dachte ich nach. Wollte ich das hier? Nein. Doch es wäre ein Vorteil. Etwas womit die anderen nicht rechnen würden. Also ging ich weiter, weshalb Kenna stöhnte. Doch ich hörte ihre Schritte; sie folgte mir.

Unten angekommen sah ich viele Käfige. Der Keller war riesig. Und einige von diesen Käfigen waren gefüllt. Die Kreaturen, die meist im Schatten verborgen zu sein schienen, rührten sich nicht. Als würde es sie nicht interessieren, dass wir hier waren. Langsam näherte ich mich einem und musterte die Kreatur dort drinnen.

Was dort lag, hatte nichts menschliches. Es waren hauchdünne Arme. Anstatt Finger hatte es Krallen. Dort wo die Augen sein müssten, war gar nichts. Als es mich bemerkte, rannte es in Richtung der Gitter. Auf vier Beinen, wie eine Spinne. Ich wich zurück und schrie leicht. Dabei sah ich, wie auch Kenna leicht zuckte.

"Das Ding ist...giftig. Wenn die Krallen dich berühren, stirbst du", erklärte Kenna beiläufig. "Nimm es lieber nicht. Nimm nichts hier." Ich fragte mich, ob sie alle so aussahen. Das Ding war gruselig. Vor allem im Dunkeln. Doch vor den Gittern blieb es stehen und beäugte mich, auch wenn ich nicht wusste, womit. 

Dann ging es gelangweilt wieder zu seinem Schlafplatz. Ich erinnerte mich an Kennas Worte, sich zu verbeugen. Auch vor dem hier? Sie tat es nicht. Also beschloss ich, es ebenfalls nicht zutun. Wir liefen weiter an den Käfigen vorbei. Jede Kreatur sah anders aus. Auf ihre eigene Art erschreckend und gefährlich. Das waren Monster für Albträume.

"Wie werden sie hier festgehalten?", wollte ich wissen. Kenna blickte nach vorn, während sie sprach. "Ein altes Ritual. Es gleicht einem Zauber. Gehört zu den ersten Dingen, die meine Art lernt", erklärte sie. Was wohl nur klug war, wenn solche Wesen in der Unterwelt lebten.

"Es ist eines der grausamsten Dinge, die ihr lernt", ertönte eine dunkle raue Stimme. Ich wusste nicht, woher sie kam und drehte mich etwas. Kenna tat es mir gleich. Bis jetzt hatte nichts hier geredet. Und sie wirkte genauso erschrocken wie ich.

"Hier." Wir folgten der Stimme und kamen schließlich an einem Käfig an. Er war kleiner als die anderen. Ich erkannte eine Figur die saß und dabei der menschlichen Gestalt sehr nah kam. Es stand auf und trat näher zum Gitter. Auch sein Gesicht hatte menschliche Züge. Zwei Augen, einen Mund. Doch Nase und Ohren fehlten. Genauso wie die Haare.

Die Finger hatten lange Nägel und wenn man genau hinsah, konnte man sehen, dass Feuer seine Haut verließ. Zumindest an einigen Stellen. Vermischt mit schwarzem Rauch. Die Kreatur musterte mich ebenfalls, dann Kenna. Ein leises schlucken konnte ich mir nicht verkneifen. Vielleicht war das hier eine schlechte Idee.

A/N: War es eine schlechte Idee? Oder findet City vielleicht einen Verbündeten?

New World: AfterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt