Nachdem L sicher sein konnte, dass Aburame Kenichi nichts mehr von sich geben würde, übergab er ihn der Polizei. Der Mann würde augenblicklich das Gefängnis aufsuchen, da er bereits vorbestraft war und nicht so wirkte, als würde es ihm missfallen. L blieb einen Moment in dem Verhörraum sitzen und starrte Löcher in die Luft. Er fragte sich, was in seiner Mitbewohnerin gerade vorgehen mochte. Dass die Welt ihren Namen seit der Lösung des Kira-Falls kannte, war eine schwere Bürde. In den ersten Monaten war es ihr nicht möglich gewesen, das Haus zu verlassen, schließlich war sie als Black Flash auf SakuraTV bekannt gegeben worden. Sie hatte viel für den Fall geopfert. Minerva war der Meinung gewesen, dass ihr Name schnell wieder in Vergessenheit geraten würde, doch dem schien nicht so zu sein. Jemand hatte es auf sie abgesehen. Die Sicherheit, in der sie sich gewogen hatte, war verschwunden.
L musste die Treppen hinaufsteigen, um in Minervas Zimmer zu gelangen, welches der ganze Dachboden war. Es war jedoch kein Dachboden, vor dem sich Kinder fürchten würden. Zwar sorgte das dunkle Holz für eine rustikale Atmosphäre, doch die vielen Fenster ließen den großen Raum freundlich wirken. Sein Blick wanderte zu dem Bett, auf dem sie bäuchlings lag. Das Gesicht hatte sie in ein Kissen gegraben, sodass sie antriebslos wirkte. Der Detektiv wog ab, ob sie nun in einem Zustand war, in dem er sich ihr nähern konnte.
"Geh weg", nuschelte Minerva in das Kissen und klang wie ein mürrischer Teenager.
L war genervt von ihrem Verhalten, schließlich sollte sie selbstsicher damit umgehen können und versuchen, den Fall zu lösen. Vor allem, da sie ein Teil davon war.
"Aburame Kenichi wurde von der Polizei mitgenommen", erklärte er, ohne auf die Aufforderung einzugehen.
Minerva reagierte nicht, doch er wusste, dass sie ihm aufmerksam zuhörte. "Dieser Fall gilt als so schnell wie möglich zu lösen. Deine Informationen wären hilfreich."
"Geh weg!"
"Wartest du darauf, dass sich der Fall von alleine löst?", sagte er, obwohl er sich der Konsequenzen bewusst war.
Wie erwartet fuhr sie auf, um im nächsten Moment empört vor ihm zu stehen. Wider Erwarten stieß ihre Körperhaltung ihn von sich weg. Sie kam ihm nicht zu nahe, anstatt sich direkt vor ihm aufzubauen.
"Wie kannst du so etwas nur behaupten, Lawliet? Du weißt doch gar nicht, ob ich nicht vielleicht so ziemlich alles in meiner Macht stehende in Bewegung gesetzt habe, damit das ein Ende hat. Vielleicht, nur vielleicht, habe ich Alex aufgetragen, mein Handy zu kontrollieren, ob Anrufe jemals abgehört oder Nachrichten jemals abgefangen wurden. Vielleicht habe ich einen der besten Hacker damit beauftragt, Alex auszuspionieren. Vielleicht bat ich Wedy, in Aibers Haus Kameras und Wanzen zu installieren. Vielleicht, nur vielleicht, solltest du nachdenken, bevor du mir Faulheit vorwirfst. Natürlich lege ich mich völlig erschöpft in mein Bett, der Fall laugt mich ja auch aus. Es ist ein Fall, in dem ich das Opfer bin", hielt Minerva ihm einen Vortrag.
L sah sie mit einem unergründlichen Blick an. Sie meinte, dass dies sein analysierender Blick war, doch etwas wirkte nicht so wie sonst, wenn er sie ansah. Sie fragte sich, ob der Detektiv bemerkte, dass sie ihn mit einem anderen Licht sah, dass sie unauffällig eine gewisse Distanz beibehielt. Minerva blickte zur Seite, um ihn nicht ansehen zu müssen. Sie konnte noch so lang warten, L würde nichts darauf antworten. Minerva beschloss, an dem Schwarzhaarigen vorbeizugehen und die Treppe hinunterzusteigen. L sah ihr fragend nach. Er hatte eher erwartet, dass sie sich wieder im Bett verkriechen würde.
"Kommst du?", rief sie hinauf, damit ihr Mitbewohner ihr folgte.
Als L im Erdgeschoss ankam, fand er Minerva an ihrem Schreibtisch vor. Sie drehte sich mit ihrem Drehsessel um ihre eigene Achse und sah zur Decke. L stand mit den Händen in den Hosentaschen im Türrahmen und beobachtete sie. Minerva war ihm ein Phänomen. Vorhin hatte sie noch weinerlich im Bett gelegen, nun wartete sie darauf, dass sie am Fall arbeiten konnte. L befürchtete, dass sie ihn im nächsten Moment an die Kehle springen könnte, deshalb ging er äußerst vorsichtig auf seinen Platz zu. Sie hielt in ihrer Drehung inne und sah ihm entgegen.
"Wartest du darauf, dass sich der Fall von selbst löst?", fragte sie neckisch. "Wir sollten all diejenigen kontrollieren, die ich hinter Gitter gebracht habe. Sie und ihre Angehörigen haben Grund, mich tot sehen zu wollen."
L legte seinen Daumen auf seine Lippen. Die beiden Detektiven tauschten einen Blick, niemand gab auf.
"Du bist ein wichtiger Teil des Falles, deshalb denke ich, dass wir so verfahren sollten, wie du es für richtig hältst", meinte er.
Minervas Mundwinkel zuckte, sie wandte sich an ihren Computer.
"Im letzten Jahr habe ich 23 Verbrecher geschnappt. Hilfst du mir bei der Auflistung der Angehörigen und Bekannten?"
"Nun, meinen letzten Fall habe ich abgeschlossen."
"Sehr gut. Dann übernimmst du die vom ersten Halbjahr und ich die vom zweiten."
Es fühlte sich gut an, ihm Anweisungen zu geben. Minerva band ihm es jedoch nicht auf die Nase, sie ging erwachsen damit um. Auch L versuchte seinen Unmut nicht offenkundig zu zeigen, stattdessen ging er stumm an die Arbeit. Die zwei waren schnell in ihrem Tun vertieft.
Minerva klapperte alle Verbrecher nach der Reihe ab. Die meisten besaßen keine Angehörigen mehr, und wenn doch, dann hatten diese kein Interesse mehr an ihnen. Die Detektivin konnte nachlesen, dass die Gefangenen kaum besucht wurden. In den Augen der Unwissenden waren sie eben bloß Psychopathen. Minerva dagegen würde liebend gerne mit jedem Einzeln ein stundenlanges Gespräch führen. Verrückte waren so faszinierend, deshalb ermittelte sie auch nur verrückte Fälle.
Die Schwarzhaarige war genervt von ihrer mangelnden Konzentration. Es lag nicht nur an der Tatsache, dass es jemand auf sie abgesehen hatte, auch Aibers Worte machten ihr zu schaffen. Minerva hielt in ihrer Arbeit inne und dachte kurze Zeit darüber nach. Vielleicht lag es im Bereich des Möglichen, dass Aibers Annahme der Wahrheit entsprach. Die junge Frau vermochte es nicht zu wissen, schließlich kannte sie ihre Gefühle nicht. Sie hatte noch nie geliebt, woher also sollte sie wissen, wie sich Liebe anfühlte? Ohne ihre blauen Augen davon abhalten zu können, blickte sie über den Rand ihres Monitores hinweg und musterte L. Theoretisches Wissen hatte Minerva sich aus ihren vielen Büchern angeeignet. Sie wusste, dass sie L attraktiv finden müsste, doch sie war sich nicht sicher, ob dies der Fall war. L erwiderte plötzlich den Blick. Minerva fühlte sich ertappt, doch sie unterbrach den Blickkontakt nicht. Stumm studierte sie die unendlichen Augen, die zwar tiefschwarz waren, doch gewiss nicht die Dunkelheit in ihrem Kopf ausstrahlten.
Watari erschien im Raum, blieb an den beiden Schreibtischen stehen und sah zwischen den jungen Detektiven hin und her. Sie waren beide unergründlich und kaum zu verstehen, doch sie schienen einander zu verstehen.
"Ich habe schlechte Neuigkeiten", begann der Weißhaarige, "Aburame Kenichi verstarb vor wenigen Minuten, als er zum Gefängnis gebracht wurde. Aus dem Nichts wurde er erschossen, sobald die Autotür geöffnet wurde. Es handelte sich um einen Scharfschützen, doch dieser konnte fliehen."
Minerva spürte, wie ihr Herz schneller schlug und Adrenalin durch ihre Adern pumpte. Sie wollte schlucken, doch ihre Kehle war zu trocken. L wagte es nicht, seinen Blick von ihr abzuwenden. Analysierend betrachtete er die blauen Augen, die nur leise Panik sehen ließen. Minerva bewegte sich nicht, sodass man denken könnte, sie wäre tot. Der gefasste Detektiv wartete noch ab, ob sie sich noch rühren oder etwas sagen würde, doch dies geschah nicht. Er drehte sich langsam zu Watari, als hätte er Angst, Minerva würde endgültig umkippen, wenn er nicht hinsah. Die junge Frau sah an Ls Lippen, dass dieser mit Watari sprach, doch die Worte erreichten ihr Ohr nicht. Ihr Gehirn vermochte keine Informationen mehr aufzunehmen, da nur ein Satz in ihrem Kopf Platz hatte.
Sie wollte nicht sterben.
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Minerva [L x OC]
Fanfiction[Dies ist der zweite Teil zu 'Black Flash'. Es ist vorteilhaft, mit dem ersten zu beginnen.] "Aiber?", fragte Minerva atemlos, sobald das Piepen aufgehört hatte. "Ist alles in Ordnung bei dir, Prinzessin?", fragte Aiber sofort. Er schien sie wirklic...