Kapitel 90: Sucht

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"Und ich dich erst..." flüstere ich, als wir uns wieder lösen.

"Ziel der Woche: 52,5 Kilo?" fragt mich Doc. Marinsheftel und mustert mich prüfend.
Mit mir selbst ringend, zwinge ich mich zu einem leichten Nicken, doch sein Blick wird nicht zufriedener.
Ruhig nimmt er seine Brille ab, um mir in die Augen zu sehen und verknotet seine Hände auf dem Tisch.
"Wenn dir das zu viel ist, dann sag es. Sonst bringt das alles hier nichts." sagt er ruhig.
"Ich will es aber..." murmle ich und sehe in eine geweiteten Augen.
"Ich... Ich..." stottere ich, was die Interesse des Arztes auf mich zieht.
"Was 'Ich'?" fragt er, während er sich seine Brille wieder aufsetzt.
Reiß dich zusammen...
"Warum bin ich so? Warum fällt es mir so schwer? Warum denke ich, dass ich fett bin, obwohl all meine Knochen einen Wettkampf untereinander haben, wer am meisten zu sehen sein kann?" frage ich deprimiert und lasse mich gegen die Rücklehne des Stuhles fallen.
"Weil es eine Sucht ist, kein Gramm Fett am Körper haben zu wollen. Es ist das selbe wie nach Nikotin, Alkohol oder Drogen. Man hat einfach das verlangen danach." antwortet er ruhig, während einen Stift über das karierte Blatt vor sich fahren lässt.
"Und wer hat sich sowas ausgedacht?" frage ich bockig und kritzle ebenfalls mit einem Stift aus seiner Stiftebox auf einem kleinen Zettelchen herum.
"Der Mensch." antwortet er knapp und mustert mich.

"Und warum habe ich das?" frage ich, doch sehe immer noch konzentriert auf das Blatt vor mir.
"Das versuchen wir ja herauszufinden." antwortet er ruhig.
"Als ich dünner wurde, hat mein Vater aufgehört, mich zu verprügeln." sage ich seelenruhig, als ob ich nie ein Geheimnis daraus gemacht hätte.
"Meinst du, wenn du wieder zu nimmst, fängt es wieder an?" kommt es von meinem Arzt, wodurch ich nur mit meinen Schultern zucke.
"Ich denke, egal was ich mache, irgendwann werden sie mich töten." hauche ich gedankenverloren, da meine Aufmerksamkeit noch immer noch auf dem Blatt liegt.
"Wie kommst du darauf?" fragt er mit hochgezogener Augenbraue, weshalb ich ihn ansehe.
"Schweigepflicht, nicht wahr? Das geht nicht an die Polizei? Ich will nicht, dass sie dran glauben müssen." sage ich ernst und mustere die erschrockenen Augen meines Arztes.
"Schweigepflicht, wird zwar in Ausnahmefällen gebrochen, aber wer soll dir sonst helfen?" schmunzelt er, was mich auch zum Lächeln bringt.

Kurzerhand schiebe ich ihm meine beendete Zeichnung zu, welche er nur verwirrt mustert.
Langsam beuge ich mich über den Tisch und sehe dem Arzt in die Augen, nur um auf meine Zeichnung aufmerksam zu machen.
"Das... ist meine Mutter." fange ich an und zeige auf die Frau, die eine Pistole in der Hand hält.
"Das... mein Bruder." fahre ich fort und zeige auf den gefesselten Jungen, auf den die Pistole gerichtet wird.
"Sie hat ihn erschossen, warum? Weil er schwul ist." beende ich die Sache.
"Bist du dir sicher?" fragt er kritisch.
"Warum sollte ich es mir ausdenken?" stelle ich eine Gegenfrage.
"Rache." antwortet er ernst, doch mein Gesichtsausdruck bleibt standhaft kalt.
"Und deswegen erzähle ich es niemandem, es ist einfach krank." hauche ich ihm entgegen und lasse mich wieder auf den Stuhl fallen.
"Hast du Beweise?" fragt er wieder ruhig.
"Ich weiß, was ich gesehen habe."
"Wann hast du es gesehen?"
"Einen Tag, bevor ich ihnen gesagt habe, dass er umgebracht wurde." antworte ich mit finsterer Miene.
"Layla, weißt du... Das Unterbewusstsein, kann einem leicht Streiche spielen..." will er mich überzeugen, aber mein Kopf bewegt sich schon längst zu einer verneinenden Antwort.
"Sie hat ihn umgebracht. Sie hat mein Leben zerstört." bleibe ich stur.
"Das ist eine schlimme Beschuldigung."
"Und da sie mich jetzt lang genug kennen, wissen sie, dass ich niemand unschuldigen beschuldige." erwidere ich, was ihn nachdenklich zu mir sehen lässt.
"Dann ist ja gut, dass du nach deinem Aufenthalt hier nicht zurück kommst." sagt er noch immer kritisch, doch langsam realisiert glaube ich auch er, dass ich mit sowas nicht spaßen würde.

"Um Gottes Willen! Was ist denn mit deinem Rücken passiert?!" ertönt es plötzlich hinter mir, als ich mir meinen Pullover über den Kopf ziehe.
Erschrocken fahre ich herum und sehe in die klaren Augen von Stella, die meinen Körper prüfend mustert.
Sie sieht mich das erste mal ohne Pullover...
"Wie konntest du dir das antun?!" fragt sie geschockt, läuft auf mich zu und streicht über meinen vernarbten Arm.
"Das Leben als Bonze ist nicht gerade... angenehm... zumindest nicht mit diesen Eltern." antworte ich kalt und ziehe meinen Arm aus ihrer Hand.
"Ich dachte, dass es geklärt ist, dass ich mal zwanzig Minuten Auszeit habe." sage ich genervt und ziehe mir einen anderen, lockeren Pullover über den Kopf.
"Die sind vorbei." kommt es verwirrt von Stella, welche mich noch immer mustert.
"Was ist denn nur mit dir los?!" frage ich etwas lauter, wodurch ihre Augen meine fixieren.
"Das solltest du lieber dich selbst fragen." antwortet sie schnippisch und verschränkt ihre Arme vor ihrer Brust.

"Ich will hier raus." zische ich und werfe mich auf mein Bett.
"Wenn du jetzt weiter so mit machst, dauert das maximal noch zwei Monate. Dann kannst du eine ambulante Psychotherapie beantragen." erklärt sie kurz, weswegen ich direkt wieder auf meinem Bett sitze und sie mit großen Augen mustere.
"Wirklich?" frage ich ungläubig nach, was sie zu einem Nicken bringt.
"Dann kann dir dein Mädchen jeden Tag den Rücken so krass zerkratzten. Junge, junge... Hat das nicht weh getan?" lacht sie und schmeißt sich zu mir aufs Bett.
"Im Nachhinein schon... ein bisschen." antworte ich lächelnd und mache bei den Worten 'ein bisschen' Gänsefüßchen mit den Fingern nach.
"Ich hole eine Creme, viele sind noch offen." grinst sie, streift mir mit zwei Fingern über den Pullover, der direkt auf die Kratzer drückt.


"Arschloch!" zische ich auf und zerre an ihrem Arm, weshalb sie halb auf mich fällt und nur wenige Zentimeter unsere Gesichter trennen.
"Das könnte jetzt eine dramatische Filmszene sein." lacht Stella leise auf und sieht mir tief in die Augen.
"Könnte, wird es aber nicht. Ich wäre selbst für einen kleinen Kuss zu treu." lache ich ebenfalls und schubse sie unsanft von meinem Schoß auf den Boden.
"Och Manno! Ein Küsschen!" schmollt sie bockig.
"Nein, nein. Mein Herz, das ist nur für eine Person." sage ich über dramatisch, fahre mit meiner Hand ein Kreuz über meine Brust und sehe nach oben an die Decke.
"Mach dich nicht über Christen lustig!" sagt sie lachend, doch ich sehe sie nur gefaked geschockt an.
"Mach ich nicht! Ich wurde als Christin erzogen! Nagut, eigentlich nicht. Aber das bleibt unter uns." lächle ich und stupse sie mit meiner Fußspitze an.

"Weißt du, wenn meine Ex und ich unsere Eltern besucht haben, war das ein ganz besonderes Stichzeichen." lächelt sie zwinkernd und macht gewisse Bewegungen mit den Händen.
"Okay, to much." lache ich, nur um mir dann mit einem: "Lalalalalalalalalalalalalalalalalala." die Ohren zuzuhalten.
"Okay, ich hol erstmal die Creme." lächelt Stella, steht auf und lässt mich in meinem Zimmer zurück.

Psycho and Cutie /girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt