[Kapitel 9 # Sonntag]
"Du siehst so hübsch aus, mein Liebes", umarmt mich Karen bereits zum zweiten Mal. Leicht lachend bedanke ich mich bei ihr, während ich mein rot grau kariertes Kleid glattstreiche. Ich habe es nun das dritte Jahr in Folge an und es ist somit zu einer meiner vorweihnachtlichen Traditionen geworden.
Genauso, wie wir jedes Jahr zum zweiten Advent bei der Familie Mendes zum Essen eingeladen sind. Seit ich denken kann, kocht Karen am zweiten Sonntag im Dezember Yorkshire Pudding und schiebt einen Weihnachtsbraten in den Ofen.
"Lief der Biotest gut?", erkundige ich mich bei Aaliyah, während ich sie ebenfalls umarme. "Wir werden sehen", grinst mich das Mädchen an und vermittelt mir das Gefühl, dass sie den Aufbau einer pflanzlichen Zelle erneut durcheinandergebracht hat.
Schmunzelnd wende ich mich von der Braunhaarigen ab und begrüße Manuel. Von der Statur, dem Aussehen und auch von der Persönlichkeit her gleicht er meinem Vater so unheimlich stark, dass wir die Beiden oft damit aufziehen, sie hätten ihren verschollenen Zwilling wiedergefunden.
Shawn und ich haben sogar versucht, herauszufinden, ob wir miteinander verwandt sind, als wir kleiner waren. Doch wenn man nicht einmal eins fünfzig groß ist, wird man beim Amt nicht wirklich ernst genommen. Außerdem haben unsere Mütter uns diese Flausen ganz schnell wieder aus dem Kopf getrieben.
"Den Kater überstanden, Peewee?", flüstert mir der Sänger amüsiert in mein Ohr, als wir uns kurz umarmen. Normalerweise genieße ich es, wenn Shawns starke Arme um mich geschlungen sind. Aber heute entziehe ich mich seiner Umarmung so schnell ich kann.
"Klar", murmle ich, während ich vermeide, in sein Gesicht zu sehen. Mein Blick ist starr auf seine Brust, über die sich ein dunkles Hemd spannt, gerichtet. Tief einatmend denke ich an den heutigen Morgen zurück, als ich einen weiteren Zettel vorgefunden habe.
Diesmal hatte ihn meine Mom schon aus dem Briefkasten geholt und an meine Kaffeetasse gelehnt. Ihr breites Grinsen hat mich das ganze Frühstück über verfolgt. Genauso, wie die kuriose Vermutung, dass der Satz von Shawn persönlich aufgeschrieben wurde.
When we kissed, I felt like that kid in love.
"Hey, zwischen uns ist alles in Ordnung, oder?", hält mich Shawn zurück, als sich unsere Familien auf den Weg in das Esszimmer machen. "Sicher", schüttle ich sachte seine Hand von meinem Arm ab. Einen Moment zögere ich und überlege, ob ich ihn auf die Nachrichten ansprechen soll. Doch dann entscheide ich mich dafür, meinen Mund zu halten.
"Du hast dich mal wieder selbst übertroffen", schwärmt meine Mom, nachdem Karen den Braten in die Mitte des Tisches gestellt hat. "Ach was, wir wissen doch noch gar nicht, ob er schmeckt", errötet die jung gebliebene Frau ein wenig.
Während von uns allen ein einstimmiges Lachen erklingt, fordert uns Karen dazu auf, uns zu bedienen. Möglichst unauffällig nehme ich mit dem Vorlegelöffel nur die Erbsen aus der Porzellanschüssel. Jedoch finden einige Möhren natürlich trotzdem den Weg auf meinen Teller.
Missmutig sammle ich das orangene Gemüse am Rand, bevor ich mir ein Stück von dem Braten in den Mund schiebe. "Er schmeckt", stelle ich während des Kauens fest. "Paige", ermahnt mich meine Mom sofort, dass ich erst aufessen soll.
Mit meinen Augen rollend schneide ich mir das nächste Stück ab und ertränke es regelrecht in der Bratensoße. "Danke, Liebes", lächelt mich Karen breit an, bevor sie ihr Essen selbst probiert. "Und habt ihr zwei schon Pläne, was ihr nach deiner Theateraufführung unternehmt?", wendet sich Manuel erst an mich und sieht dann zu seinem Sohn.
Eine weitere Tradition ist, dass Shawn und ich nach jeder Premiere eines Theaterstücks, in dem ich mitspiele, etwas unternehmen, sofern er zu dieser Zeit in der Stadt und nicht auf Tour ist. "Nichts Großes", behauptet der Junge gegenüber von mir. Dabei haben wir über eine mögliche Aktion noch gar nicht gesprochen.
"Ist das so?", frage ich ein wenig eingeschnappt, während ich meinen Yorkshire Pudding malträtiere. "Ja, das ist so", gibt Shawn pampig von sich. Wie selbstverständlich spießt er meine Möhren auf seine Gabel auf und platziert sie auf seinem Teller.
Meine Unterlippe zwischen meine Zähne ziehend blicke ich ihn das erste Mal an diesem Nachmittag richtig an. Ich war vielleicht sechs Jahre alt, als wir die Vereinbarung getroffen haben, dass er meine Möhren und ich seine Tomaten esse - wann immer sie in einem Gericht auf unserem Teller auftauchen sollten.
Schluckend betrachte ich seine lockigen Haare, die er mit Gel in Form gebracht hat, seine frisch rasierten Wangen und seine definierten Kieferknochen, die bei jedem Bissen ein kleines Stück mehr hervortreten. Und schließlich wage ich es, in seine braunen Augen, die mich scheinbar schon die ganze Zeit über beobachten, zu sehen.
Shawns Blick erscheint leer – beinahe leblos. Dabei erkenne ich genau, wie dahinter die Gedanken in seinem Kopf rasen. Seine Augen strahlen etwas aus, das mich erneut schlucken lässt. Es ist die Enttäuschung, die sich in dem Braun widerspiegelt, die seine Augen wieder zum Leben erwecken.
Während wir uns anstarren, vergesse ich zu essen. Ich vergesse sogar, wie man atmet. "Was ist das zwischen euch?", holt mich Aaliyahs verwirrte Stimme aus dem Sog von durcheinandergewürfelten Gefühlen. "Genau", pflichtet Manuel ihr bei, "ihr habt euch noch nie so merkwürdig verhalten. Bei jedem anderen Essen seid ihr die zwei, die das Gespräch am Laufen halten."
"Ich würde jetzt meinen Kopf schütteln und 'Männer' murmeln. Aber da deine Tochter genauso ahnungslos erscheint, kann ich das Unwissen nicht auf das männliche Geschlecht abschieben", lehnt sich meine Mom zu Karen hinüber. Sofort darauf beginnen die beiden, herzhaft zu lachen.
Fassungslos versuche ich den Blick meiner Mom einzufangen. Allerdings weicht sie mir absichtlich aus, während ihr Grinsen immer breiter wird. "Männliches Unwissen?", beschwert sich Manuel, „Soweit ich diese Situation beurteilen kann, sind die zwei füreinander geschaffen. Nur ihre jugendliche Sturheit hindert sie daran, über das, was auch immer in den letzten Wochen passiert ist, zu sprechen. Denn es ist ganz sicher etwas zwischen euch vorgefallen."
"Jugendliche Sturheit", lacht Aaliyah ausgelassen über die Worte ihres Vaters, während dieser zwischen Shawn und mir hin und her blickt. "Oh, gibt es irgendwelche Vermutungen, was zwischen den beiden vorgefallen ist?", richtet sich die Braunhaarige wieder auf, nachdem sie vor Lachen beinahe auf der Erde lag.
Kurz darauf bricht eine lebhafte Diskussion darüber aus, was unser Problem sein könnte. "Es reicht!", ruft Shawn durch das Esszimmer, "Paige und ich haben weder ein Problem miteinander, noch sitzen wir zu eurer Bespaßung an diesem Tisch."
Mit offenen Mündern blicken ihn unsere Familienmitglieder an. Sie sind es nicht gewohnt, dass er so laut wird. "Natürlich", murmeln seine Eltern, während Shawn seine Hände in seinen Nacken legt und tief durchatmet. In diesem Moment sieht er von seinem eigenen Ausbruch überwältigt aus.
"Wer möchte Nachtisch?", rückt Karen ihren Stuhl zurück, um kurz darauf in der Küche zu verschwinden. Während die anderen ein neues Gesprächsthema gefunden haben, suche ich Blickkontakt mit Shawn, der seine Lippen fest aufeinander presst.
Vorsichtig greife ich nach seiner Hand, die er wieder neben seinen Teller gelegt hat. Mit meinen Fingerspitzen fahre ich über das Tattoo auf seinem Handrücken. Ich weiß nicht, weshalb, aber ich öffne meinen Mund, um einige Worte in seine Richtung zu flüstern. "Wir haben kein Problem miteinander."
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Es dauert nicht mehr lange und dann ist Weihnachten😉
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Nur ein Stück Papier •Shawn Mendes•
FanfictionFanfiction - Shawn Mendes Adventskalender 2018 Außer Atem lehne ich meine Stirn gegen seine. Es dauert einen Moment, bis ich mich traue, meine Augen zu öffnen. Auf meine Unterlippe beißend blicke ich in Shawns glänzende Augen, die unruhig über mein...