18. Dezember 2018

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[Kapitel 18 # Dienstag]

Erschöpft lehne ich mich an den Türrahmen, während Karen mehrere Runden durch ihre Küche dreht. Eilig packt sie einige Dosen und Pappschachteln in einen Jutebeutel. Soweit ich es ausmachen kann, handelt es sich um Suppen und homöopathische Medikamente, die meiner Mom bei ihrer Genesung helfen sollen. 

"Setz dich doch, mein Kind", bietet sie mir an, "du siehst müde aus." Lächelnd schüttle ich meinen Kopf. Auch wenn ich das Gefühl habe, kaum noch stehen zu können, habe ich keinen längeren Aufenthalt geplant. Ich bin nur hier, um die Sachen für meine Mom abzuholen. Danach würde ich mich ganz rasch in meinem Bett verkriechen.

"Mein Lehrer macht langsam Druck. Er erwartet diese Woche den doppelten Einsatz, damit unsere Aufführung am Freitag kein Reinfall wird", seufze ich, um mein erledigtes Auftreten zu erklären. "Ich kann mich nicht an eine einzige Aufführung erinnern, die ein Reinfall war", lacht die blondhaarige Frau, "ich bin mir sicher, dass die Neue großartig wird."

"Danke", ziehe ich meine Mundwinkel leicht in die Höhe. "Ich hoffe es", füge ich einige Sekunden später murmelnd hinzu. Aufmunternd streicht mir Karen einige Male über meine Schulter, als sie sich an mir vorbeidrückt. "Ich hole noch rasch die Wärmflasche aus dem Schlafzimmer und bin dann sofort wieder für dich da", ruft sie mir noch zu, bevor sie die Treppe nach oben verschwindet.

Die Schule hat mich dermaßen gestresst, dass ich mir nicht einmal die Liedzeile auf dem Zettel, der heute in meinem Spind lag, durchgelesen habe. Während ich darauf warte, dass Karen zurück in die Küche kommt, hole ich den kleinen Papierschnipsel, der dieses Mal rosa ist, aus meiner Hosentasche.

I love it when you go crazy.

Grinsend schüttle ich meinen Kopf. Nach unserem gestrigen Gespräch war ich viel zu aufgedreht, um mich normal zu verhalten. Das Vorhaben, die gebackenen Plätzchen ordentlich zu verzieren, ist eher in eine Schlacht, in der die bunte Glasur und die Zuckerperlen als Geschütze dienten, ausgeartet.

Shawn hatte nicht wirklich eine Chance gegen Aaliyah und mich anzukommen, da wir an vereinter Front kämpften. Und so schön das Gefühl, ihm überlegen gewesen zu sein, auch war, desto deprimierender war es, als Karen nach Hause gekommen ist und wir die Küche putzen mussten.

"Gut, ich hätte nun alles Notwendige zusammen", holt mich die Blondhaarige aus meinen Gedanken. "Du kannst wirklich noch gerne bleiben und ich brühe dir eine heiße Schokolade", überreicht sie mir den gefüllten Beutel. "Das ist lieb", lächle ich Karen aufrichtig an, "aber ich mache mich lieber auf den Weg nach Hause."

"Ich freu mich auf Freitag", verabschiedet sie sich von mir, bevor sie die Haustür schließt. Seufzend versuche ich, die Aufregung, die langsam immer präsenter wird, zu unterdrücken. Damit ich meine Mütze besser anziehen kann, stelle ich den Jutebeutel auf eine Steinplatte, die beinahe als einzige nicht von der dicken Schneeschicht bedeckt ist, ab.

"Wen haben wir denn da?", schmunzelt Shawn, als er hinter der Hecke hervortritt. Meine Augenbrauen in die Höhe ziehend mustere ich den Jungen, dessen Blick von Hinterhältigkeit nur so trieft. "Fragen dich nicht mehr genügend Mädchen nach einem Selfie?", lache ich laut los, "Jetzt musst du hier draußen sitzen und unschuldigen Mädchen nachstellen?"

"Du glaubst, dass du unschuldig bist?", nähert sich mir Shawn langsam. Das verschmitzte Lächeln, das ihn schon längst verraten hat, weicht für keine Sekunde von seinen Lippen. "Was würdest du tun, wenn ich mich schuldig bekenne?", stelle ich schon wieder eine Frage.

"Vermutlich das hier", ruft der Junge, während er zeitgleich seine Hände hinter seinem Rücken hervorholt und die Schneebälle, dessen Existenz ich bereits vermutet habe, durch die Luft fliegen lässt. "Zielen sollte gelernt sein", ziehe ich ihn auf, nachdem ich der Attacke ausgewichen bin.

Nur ein Stück Papier •Shawn Mendes•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt