7. Dezember 2018

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[Kapitel 7 # Freitag]

"Was möchtest du trinken?", legt Shawn seinen Arm um meine Schulter, bevor er mich vorwärts schiebt. Zusammen betreten wir die kleine Küche, die bereits eine kleine Anzahl an Menschen beherbergt. "Uhm, eine Cola", hebe ich am Ende meine Stimme an, sodass der Wunsch eher wie ein Vorschlag klingt.

"Jetzt hab dich nicht so", verdreht der Braunhaarige seine Augen, während er auf die Getränke zusteuert. "Deine Ma ist nicht hier, um dir einen Vortrag über illegales Trinken zu halten", schüttet Shawn Cola in einen Plastikbecher.

Doch bevor ich ihn entgegennehmen kann, dreht sich der Junge von mir weg. Seufzend drücke ich mich an seinem breiten Rücken vorbei, um zu sehen, was er noch in den Becher schüttet. "Ein bisschen Rum hat noch keinem geschadet", zwinkert mir Shawn frech zu, bevor er sich sein eigenes Getränk mixt.

Vorsichtig nehme ich einen Schluck von dem Alkoholgemisch. Der Geschmack ist mir durchaus nicht unbekannt. Wegen Shawn habe ich schon viel zu oft das Gesetz missachtet und dementsprechend schon viel zu oft eine Standpauke von meiner Mom bekommen, wenn ich meine Alkoholfahne zu schlecht überdeckt habe.

Das erste Mal, dass ich Alkohol getrunken habe – und ich meine so richtig und nicht den Schluck Sekt zum Neujahrsbeginn oder zur Graduierungsfeier von Shawn – war, als die Verkaufszahlen von Illuminate durch die Decke geschossen sind. Da bin ich gerade erst sechszehn geworden und Shawn war achtzehn.

Nachdem er die Hausbar seines Dads geplündert hat, haben wir uns in seinem Zimmer eingeschlossen und gehofft, dass seine Eltern nichts von uns wollen, ehe wir wieder nüchtern sind. Da ich mich jedoch in den Papierkorb von Shawn übergeben musste und er ihn nicht über Nacht neben dem Schreibtisch stehen haben wollte, sind wir schon viel zu früh aufgeflogen.

Würde die Presse wissen, welchen schlechten Einfluss der Sänger auf mich ausübt, würde sie ihn sicherlich nicht als einen unschuldigen und vernünftigen Jungen verkaufen. Doch ich will Shawn auf keinen Fall anprangern. Ich liebe den Rausch, in den er mich mit seinen unvorhersehbaren Aktionen versetzt, und würde das, was wir haben, auch nicht missen wollen.

"Trink, Peewee", lacht der Braunhaarige, während er seine Finger gegen den Boden meines Bechers hält, sodass ich nicht absetzen kann. Die Flüssigkeit brennt in meinem Hals und hinterlässt in meiner Brust eine angenehme Wärme, die sich langsam ausbreitet.

In meinen Wangen sammelt sich das Alkoholgemisch, das ich nicht zügig genug unterschlucken kann. So schnell ich kann, löse ich meine Lippen von dem Becher und springe einen Schritt rückwärts, damit mein grauer Pullover nicht von der Cola versaut wird.

"Macht da jemand schlapp?", zieht mich Shawn auf, nachdem er meinen Becher aufgefangen hat. "Fresse", grummle ich ihn an, während ich mit meinem Handrücken über mein nasses Kinn wische. Lachend setzt der Junge meinen Becher an seine Lippen und trinkt den Rest, bevor er sein eigenes Getränk in einem Zug leert.

Mit einer Hand nach meiner greifend schnappt sich Shawn mit seiner anderen Hand zwei Flaschen Desperados und zieht mich aus der Küche hinaus. Zwischen den vielen Leuten im Wohnzimmer bleibt er schließlich stehen. Geschickt öffnet der Junge die Getränke mithilfe der jeweils anderen Bierflasche und drückt mir eine in die Hand.

"Dann zeig mal, was du gelernt hast", rufe ich Shawn über die laute Musik hinweg zu. Vor einigen Wochen hat er tatsächlich behauptet, dass er jetzt tanzen könnte. Doch wirklich glauben kann ich ihm das nicht. "Du solltest deinen Spott das nächste Mal Zuhause lassen. Du wirst noch früh genug staunen", legt der Sänger seine freie Hand an meine Hüfte und kommt mir langsam näher.

***

Meine Sicht ist zeitweise unklar, die Watte in meinem Kopf breitet sich stetig aus und mein Magen rebelliert. Schluckend versuche ich das schummrige Gefühl wegzublinzeln. Jedoch hält es weiterhin an.

Ich habe das Bedürfnis mich an Shawns Brust anzulehnen und mich von seinen starken Armen stützen zu lassen. Aber er hat mich vor einiger Zeit verlassen, als er Carter Morris am Eingang des Wohnzimmers erblickt hat.

Seitdem lässt die Wärme, die vom Körper des Sängers ausging, immer mehr nach. Dennoch habe ich das Gefühl, ich könnte den Druck, den seine Hände auf meine Hüfte ausgeübt haben, immer noch spüren.

Ich bilde mir ein, dass seine Fingerspitzen weiterhin über meinen unteren Rücken fahren. Dass sein heißer, von Alkohol getränkter, Atem gegen meine Wange prallt. Und dass seine Beine von Zeit zu Zeit meine berühren, wenn er einen Schritt vorwärtsgeht.

Shawn hat definitiv nicht gelogen, als er mir lachend versichert hat, dass er heute Abend mit mir besser denn je tanzen würde. Mein Blick liegt starr auf ihm und Carter. Sie scheinen lautstark über etwas zu diskutieren. Allerdings bin ich viel zu träge, um mich den beiden zu nähern und herauszufinden, was ihr Problem ist.

Stolpernd – weil ich die Fuge der Schiebetür übersehen habe – betrete ich den kleinen Garten, bevor ich die vielen tanzenden Menschen hinter mir lasse. Obwohl einige Mitschüler an der Hauswand lehnen und rauchen, hilft mir die kalte Luft einen klareren Kopf zu bekommen.

"Peewee?", lässt mich die Stimme von Shawn herumfahren. Sanft lächle ich den Jungen, der nicht mehr ganz so aufrecht, wie am Anfang des Abends, vor mir steht, an. "Es ist viel zu kalt hier draußen", behauptet er, während er mir eine Wasserflasche reicht.

Ohne jegliche Aufforderung trinke ich den Rest, der sich in der Flasche befindet, aus. Dann schüttle ich meinen Kopf. "Im Haus ist es viel zu warm", ziehe ich einen Schmollmund. Leise lachend umarmt mich Shawn von hinten und atmet gegen meinen Nacken, sodass sich die warme Luft unter meinem Rollkragen ausbreitet.

"Denkst du, dass wir unsere Freundschaft besser hüten müssen?", frage ich plötzlich, als ich wie so oft über unsere Beziehung nachdenke. Wahrscheinlich bin ich genau die Art von Betrunkene, die man als philosophisch betiteln würde. "Wieso besser hüten?", nimmt mir Shawn die leere Flasche aus der Hand, damit ich sie nicht länger halten muss.

"Unsere Freundschaft ist wertvoll, richtig?", lehne ich meinen Hinterkopf an seine Brust, "Wertvolle Sachen muss man wie einen Schatz hüten. Ansonsten werden sie einem irgendwann entrissen. Und ich bin mir nicht sicher, ob wir uns einander fest genug halten."

Nachdem ich die Worte ausgesprochen habe, lässt mich ein Windstoß erschaudern. Gleichzeitig verstärkt Shawn seinen Griff um mich und ich komme mir unheimlich dumm dabei vor, an der Strapazierfähigkeit unserer Freundschaft zu zweifeln.

"Du weißt, dass du eine der größten Rollen in meinem Leben spielst. Der Verlust unserer Freundschaft würde das Leben wohl nicht mehr lohnenswert machen", flüstert mir der Braunhaarige in mein Ohr. Schluckend stelle ich fest, dass der Alkohol auch noch bei Shawn viel zu stark durch die Blutbahn rauscht.

"Shawn", beginne ich leise. Allerdings werde ich von ihm unterbrochen. "Wenn unsere Freundschaft jemals auseinanderbrechen sollte, dann wird auch ein Teil in mir zerbrechen", atmet der Junge schwer ein- und aus, während ich mich zu ihm drehe.

"Denn ich brauche dich", blicken Shawns trübe Augen geradewegs in meine, "es ist, als würde ich nur funktionieren, wenn du bei mir bist. Es ist, als wäre ich nur wirklich ich selbst, wenn ich dein Herz im Gleichtakt mit meinem schlagen höre."

Auf meiner Lippe kauend präge ich mir jede Einzelheit seiner Gesichtszüge ein. Ich habe Shawn schon so unheimlich oft angesehen. Aber noch nie sah er so wunderschön, wie in diesem Moment aus.

"Take a piece of my heart and make it all your own."

Wie in Trance gebe ich die Nachricht, die ich heute Mittag ungewöhnlicher Weise von der unbekannten Nummer zugesendet bekommen habe, wieder. Wahrscheinlich ist Carter aus der ganzen Sache ausgestiegen, weil er nicht länger den Laufburschen spielen möchte.

"Hm?", grummelt Shawn, bevor die Wasserflasche aus seinen Händen rutscht und auf meine Ferse fällt. "Nichts", schüttle ich meinen Kopf. Sanft löse ich mich aus seiner Umarmung, um die Flasche vom Rasen aufzuheben. "Was hältst du davon, wenn wir wieder reingehen?", schlägt der Sänger vor und bietet mir seine Hand an. Leicht fröstelnd nehme ich sein Angebot an und achte diesmal darauf, nicht über die Fuge zu stolpern.

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Dieser braunhaarige Typ, der in letzter Zeit unheimlich flauschige Jacken trägt und abends gerne den Barkeeper mimt, hat tatsächlich direkt zwei GRAMMY Nominierungen abgeräumt! 🙉

Nur ein Stück Papier •Shawn Mendes•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt