⚡︎ fünfunddreissig ⚡︎

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Taehyung

Ich habe in meinen jungen Jahren schon so viele geliebte Personen verloren, dass man meinen könnte, ich sei abgehärtet.
Ich habe schon so viele Tote gesehen, dass man denken könnte, es würde mich kalt lassen.
Ich habe schon so viel Leid gesehen, dass man glauben könnte, es macht mir nichts mehr aus.

Aber an den Tod und den Schmerz kann man sich nicht gewöhnen.

Still stehe ich nur daneben, als Jin weinend in Namjoons Armen zusammenbricht und Jimin ihm eine Hand auf die Schulter legt. Jungkook bettet Malis Leiche behutsam auf dem kalten Boden unseres Lagers, er konnte sie nicht zurücklassen und hat sie mitgenommen.

„Es tut mir leid", höre ich immer wieder jemanden sagen, ich hingegen schweige nur. Presse meine Lippen fest aufeinander und gebe keinen Laut von mir, stehe fast unsichtbar am Rand und beobachte das Geschehene.

Mir wird nicht klar, warum das passieren musste.
Warum musste Mali sterben?

Egal wie beschissen und verkorkst das Leben der Werwölfe hier teilweise ist, der Tod erscheint den wenigsten als attraktive Alternative. Man kämpft ums Überleben und wenn man diesen Kampf verliert, auf welche Art und Weise auch immer, ist es jedes Mal erschreckend.

Jungkook kommt zu mir, nachdem er sich seine Hände in einem kleinen Eimer gewaschen hat. Das kalte Regenwasser, aufgefangen und gebündelt von den umliegenden Dachrinnen, ist hier unser Waschbeckenersatz.

„Alles okay?" Mein Gefährte sieht mich besorgt an und ich fühle mich unter seinem Blick unwohl. Ich bin es nicht, dem es schlecht gehen sollte, immerhin kannte ich Mali nicht einmal. Aber trotzdem kann ich dieses drückende Gefühl der Trauer in mir nicht abstellen.

„Klar und bei dir?", frage ich und Jungkook schaut erst überrascht, ehe er langsam den Kopf neigt. Na was, ist er so erschrocken darüber, dass ich ihn auch mal nach seinem Wohl frage?

„Es geht so. Für mich ist es nicht so wie für Jin, aber ich kannte Mali und sie war eine herzensgute Frau. So lebensfroh, aufgeweckt und immer mit einem etwas zu großen Gerechtigkeitssinn."

Etwas sticht in meinem Herzen, als ich Jungkook so von Mali reden höre. Was würde er über mich sagen, wenn ich sterben würde? Er war so stur, frech und einfach eine Bürde. Nicht mal verteidigen konnte er sich!

„Aber fast noch mehr schmerzt es mich, Jin leiden zu sehen. Ich weiß das ihr beiden gerne zankt, aber Jin ist sonst ein echt lieber Kerl. Er kümmert sich gut um uns, fast wie ein Papa. Und wenn er dann auf einmal so schwach und zerbrochen ist... dann tut das weh."

Jungkook schluckt und schon wieder habe ich das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen. Aber als meine Hand zuckt, balle ich schnell meine Finger zu einer Faust und halte mich davon ab.

Doch bevor ich mir weiter Gedanken über meine komischen Bedürfnisse in den letzten Stunden machen kann, spüre ich auf einmal zwei starke Arme, die sich um meine Taille schlingen. Erschrocken japse ich auf und sehe wütend zu Jungkook hoch, aber er erwidert meinen Blick nicht, sondern vergräbt sein Gesicht an meiner Schulter.

„Halte einfach still, Taeby. Ich brauche das jetzt", murmelt er und sein warmer Atem prallt gegen die nackte Haut meiner Halsbeuge.

Ich bekomme eine Gänsehaut und weiß absolut nicht, was ich machen soll. Überfordert lege ich schließlich meine Hände auf Jungkooks Rücken, nur ganz zart und immer bereit, sie wieder wegzuziehen. Aber mein Gefährte seufzt nur entspannt und klammert sich noch mehr an mich.

„Ihr seid wirklich süß zusammen. Jetzt wünsche ich mir auch einen Partner, der mich trösten kann", höre ich plötzlich und als ich meinen Blick von Jungkook nehme, sehe ich direkt in Yoongis glasige Augen. Der sonst so kalt wirkende Wolf weint ebenfalls und mir wird mal wieder klar, wie sehr sich die Rudelmitglieder untereinander lieben und brauchen.

„I-Ich tröste ihn nicht", stottere ich nur und Yoongi verzieht den Mund zu einem schiefen Grinsen. „Natürlich nicht. Du backst gerade einen Kuchen für ihn", nickt er und seine Stimme tropft nur so vor Ironie, während er sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischt.
Dann dreht er sich einfach wieder um und geht zu Hoseok, der mit einem teilnahmslosen Blick auf dem kalten Lagerboden sitzt.

Ich weiß nicht mehr wie ich reagieren soll und so stehe ich hier einfach mit Jungkook. Mein Griff um ihn verfestigt sich und so langsam fühlt es sich wirklich so an, als würde ich ihn halten und stützen.

„Da kommt jemand."

Namjoon sieht plötzlich wachsam auf und spannt all seine Muskeln an, während ich ebenfalls die Luft prüfe und Jungkook sich von mir löst.
Fast hätte ich ihn wieder an mich gezogen, aber auch nur weil er eine gute Wärmequelle ist.

„Es ist G-Dragon", meint unser Alpha leise und sieht dabei ziemlich verwirrt aus. Ich ziehe ebenfalls meine Augenbrauen zusammen und frage mich, was er hier macht, bis es mir wie Schuppen von den Augen fällt.

„Er wollte doch vorbeikommen, wenn er einen Auftrag für mich hat", murmele ich und seufze dann. „Das kommt wirklich unpassend. Nicht nur, dass ich die ganze letzte Nacht nicht geschlafen habe, sondern... Mali..."

Ich stocke und werfe einen unsicheren Blick zu dem toten Mädchen und Jin, der mittlerweile neben ihr kniet und ihre Hand hält.
„Geh nur, Taehyung. Wir brauchen das Geld und du kannst hier nichts tun", krächzt der Älteste mühsam und trotz unserer Differenzen zieht sich alles in mir zusammen.

„Okay", hauche ich und merke dabei selber, wie unüberzeugt ich klinge. Gleichzeitig zeigt es mir, dass ich erschreckender Weise wirklich begonnen habe, mir Sorgen um meine Rudelmitglieder zu machen.
„Und wenn ich wieder komme... dann finden wir die Verantwortlichen."

Ich muss nicht erklären, wen ich meine. Alle nicken zustimmend, nur Jin sieht wieder weinend auf seine kleine Schwester runter. Er wirkt so gebrochen und alleine deswegen werde ich denjenigen finden, der an Malis Tod schuld ist.

Aber erst einmal, werde ich zu Jiyong gehen und beten, meinen verdammten Job gut zu machen.

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