1.Kapitel

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Tag der Ernte:

,,Amanda bist du fertig?“, kommt es von meiner Mutter aus dem Flur.

,,Ja, ich komme schon“, rufe ich zurück. Ein letztes Mal betrachte ich mein Spiegelbild. Mir steht ein Mädchen mit braunen Augen, ebenso braunem, glattem Haar, das ihr Gesicht umrahmt und mit einem schlichten beiges Kleid, das ihr wie angegossen passt, gegenüber. Das Kleid war ein teures Weihnachtsgeschenk von meinen Eltern, für das sie womöglich ein ganzes Jahr hart arbeiten mussten. Ich habe es bis jetzt nur zu einem Anlass tragen können. Und das war die vergangene Ernte, im letzten Jahr.

Ich blicke mich noch einmal in meinem kleinen Zimmer um, dass ich mit meiner Schwester teile. Wenn ich Glück habe, werde ich später wieder in diesem Zimmer, bei meiner Familie sein. Doch wenn nicht, dann werde ich in dem Zug ins Verderben sitzen. Ich kann nur hoffen, dass ich heute nicht gezogen werde. Die letzten zwei Jahre hat mich scheinbar irgendetwas davor bewahrt, doch dieses Jahr sind meine Chancen höher, ausgelost zu werden. Denn ich habe mich seit meinem ersten Jahr, in dem ich gezogen werden könnte, für jeweils drei Tesserasteine eingetragen, um meine Familie zu unterstützen. Das heißt dieses Jahr sind es insgesamt neun Lose zusätzlich zu den drei Normalen. Das sind zwölf Lose. Zwölf Lose auf dessen Innerem mein Name steht. Zwölf Lose, die über mein Schicksal entscheiden werden.

Es sind nur zwölf. Denk an all die anderen Kinder im Saum, die sich für 30, wenn nicht sogar 40 Tesserasteine eintragen mussten. Wie wahrscheinlich ist es schon, dass du, als eine von zich tausenden Losen gezogen wirst?, sage ich zu mir selber, um mich irgendwie zu beruhigen.
Doch dann errinnere ich mich wieder an das zerbombte Distrikt 12 vor 25 Jahren. Es sind so viele Menschen gestorben, Distrikt 12 hat nicht mehr so viele Kinder zubieten die als Tribute in Frage kommen könnten.

Da reißt mich die Stimme meiner Mutter aus meinen Gedanken:
,,Amanda, bitte beeil dich. Wir warten schon alle!“

Sofort laufe ich die Treppen runter und sehe dort schon meine kleine Familie vor der Türe warten. Mein Vater, meine Mutter und meine kleine neun Jahre alte Schwester Katie.
Schnell ziehe ich mir meine Schuhe an und wir können alle rausgehen.
Kaum aus der Tür getreten, sehen wir schon die Menschenmenge an uns vorbei laufen. Auch wir sortieren uns ein und kommen dem Justizgebäude immer näher. Man spürt förmlich die Anspannung der Leute um uns herum und auch ich werde mit jedem Schritt, dem ich mich dem Platz des Grauens nähere, immer nervöser. Meine Schwester hat sich an meine Hand geklammert und gibt keinen Laut von sich. Warum auch, denn dieses Jahr kann auch sie gezogen werden. Laut Präsident Hills Ankündigung, kann auch meine 9-jährige Schwester in die Hungerspiele ziehen.
Ich sehe es wieder vor mir.
Wir alle saßen vor unserem alten, kleinen Fernseher, als das Interview und die Ansprache gehalten wurde.

,,Shht, sei still, Präsident Hill verkündet die 100.Hungerspiele!", ermahne ich Katie. Diese ist sofort leise und wir starren gebannt auf den Fernseher.
...Und zu diesem Anlass habe ich mir etwas ganz außergewöhnliches ausgedacht: Anstatt, dass wir wie üblich nur 2 Tribute pro Distrikt auslosen, werden sogar 3 Tribute je Distrikt gegeneinander antreten. Und...", ertönt die leicht verzerrte Stimme des Präsidenten aus dem Fernseher.

Erschüttert halte ich die Luft an.
Drei Tribute pro Distrikt. Ich müsste nicht nur gegen 23 andere Tribute kämpfen, nein jetzt auch noch gegen ganze 35!? Nur der Gedanke daran, mit 35 anderen Kindern und Jugendlichen in einer Arena zustehen, die vorhaben alle anderen Tribute dem Erdboden gleich zu machen lässt mich leicht erschaudern.

Der Präsident fährt fort: „...und das es noch mal ein wenig spannender wird, wird diese Person zwischen 9 und 11 Jahren alt sein, männlich oder weiblich. Und man darf sich für diese Person nicht freiwillig melden... Wo bleibt denn sonst der Spaß!"

Tribute von Panem - Die Spiele gehen weiter (FF) (PAUSIERT) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt