10.Kapitel

91 7 1
                                    

Während ihrer Erzählung habe ich nur schweigend zugehört, um sie nicht zu unterbrechen. Nun sitzt sie mit gesenktem Kopf neben mir. Eine einzelne Träne tropft ihr auf die Hände und sie fängt leise an zu schluchzen.

Ich lege ihr tröstend einen Arm um die Schulter und gebe ihr ein Taschentuch.

,,Hier Elena. Alles ist gut, du brauchst nicht zu weinen", beruhigend streiche ich ihr über den Rücken. Sofort merke ich, wie schlecht diese vermeintlich  tröstenden Worte waren.

Trotzdem flüstert sie leise: ,,Danke."

Einige Zeit sagen wir nichts, doch dann beginnt sie wieder zureden: ,,Ich bin schuld an dem Tod von Max. Ich habe ihn kaltblütig ermordet. Ohne nachzudenken habe ich ein Menschenleben genommen. Egoistisch und herzlos bin ich!"

,,Nein Elena, du bist nicht schuld. Das Kapitol - beziehungsweise der Präsident - ist schuld! Du hast das gemacht, um zu überleben. Hättest du es nicht getan, wärst du jetzt tot!"

,,Ja, das wäre mir auch lieber gewesen. Friedlich in einem Sarg tief unter der Erde liegend sein und mit der Welt abgeschlossen haben. Den inneren Frieden haben und nur einer der 23 Opfer sein. Stattdessen sitze ich hier als Siegerin und sehe zu, wie die Tribute einer nach dem anderen sterben! Lieber ist man tot, als sein ganzes Leben mit dem Gedanken zu leben, ein Mörder zu sein! Ich habe immer noch jede Nacht Albträume. Sie sind immer noch so schlimm wie am Anfang, direkt nach den Spielen! Das Kapitol hat mich zu einem Monster gemacht. Mich kontrolliert und manipuliert! Mich kaputt gemacht!", langsam weicht ihre Trauer in Wut. Sie nimmt ein Glas mit einer nicht definierbaren Flüssigkeit in die Hand und trinkt einen kleinen Schluck.

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich noch sagen soll. Es stimmt leider was sie sagt und ich kann daran nichts ändern. Der Gedanke selber so zu Enden wie sie, ist wirklich erschreckend.

,,Sie haben mich zu einem Monster gemacht!", ihre Stimme trieft nur so von Hass. Nun nimmt sie das Glas, das sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hat und wirft es mitsamt dem Inhalt gegen die Wand des Apartments. Das Glas zersplittert in tausend Teile und die rosa Flüssigkeit fließt auf dem Boden und spritzt bis auf den Tisch.
Erschrocken zucke ich zusammen. Sofort kommt das rothaarige Avoxmädchen mit einem Besen und Wischer angelaufen. Gerade will sie anfangen aufzuräumen, da keift sie Elena auch schon an.

,,Lass, lass es einfach so!", wütend blitzt Elena sie an.

Etwas eingeschüchtert nickt die Dienerin und verschwindet aus dem Abteil.

,,Ja, genau geh einfach!", schreit Elena ihr noch hinterher.

Zaghaft beuge ich mich zu ihr rüber und lege ihr sanft meine Hand auf den Rücken.

,,Elena es wird schon wieder...", versuche ich sie vorsichtig zu beruhigen.

,,Nein, Amanda nichts wird gut. Du verstehst das doch nicht. Du kennst dieses Gefühl nicht! Ich kann das nicht mehr. Jedes Jahr aufs Neue versuche ich den Tributen zu helfen, dass sie gewinnen. Und was bringt es? Nichts, sie sterben alle! Ich schaffe das nicht mehr, bei mir liegt die ganze Verantwortung. Die Eltern vertrauen mir, dass ich ihren Kindern helfe lebend wieder raus zu kommen. Und wie endet es? Genau ich versage! Ich kann das nicht mehr. Wie soll ich euch helfen, wenn ich nicht mal mir selbst helfen kann?", einzelne Tränen fließen ihr wieder die Wange runter. Sie vergräbt ihr Gesicht in den Händen und beginnt aufs Neue leise zu schluchzen.

Aus dieser Sichtweise habe ich das noch nie so richtig betrachtet...
Ich dachte immer nur die Kinder leiden, aber die Mentoren tragen auch eine große Verantwortung...

Elena tut mir wirklich leid.

Nach einigen Sekunden Stille fährt sie mit zittriger Stimme fort: ,,Wegen mir sterben sie doch alle. Ich sollte sie vorbereiten. Ich bin schuld an dem Tod dieser Kinder."

Tribute von Panem - Die Spiele gehen weiter (FF) (PAUSIERT) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt