Kapitel 34: Kampf oder Flucht

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Der Rest des Tages in der Notaufnahme verlief ziemlich stürmisch. Es kamen unzählige Patienten mit Brüchen, Hirnblutungen oder tödlichen Verletzungen. Dr. Sloan hatte mich zu der geplanten Bauchdecken-Transplantation eingeladen, ihm zu assistieren. Das einzige, was jetzt noch fehlte, war die Bauchdecke. Und so schlimm es auch war, gab es einige Spender, die in Frage kamen. Zum Glück hatte Dr. Sloan sich bereiterklärt, die Verwandten nach einer Spende zu fragen, denn das wollte ich wirklich nicht. Wenn ich selbst in deren Position wäre, würde ich nicht wollen, dass mein Angehöriger in Stücke geschnitten wird.
Und so sehr ich versucht hatte, mich auf die Arbeit zu konzentrieren, gingen mir Izzies Worte nicht mehr aus dem Kopf. Was war nur los? Und was hatte die ganze Geschichte mit mir zu tun?
"George!", rief ich ihm zu, als ich ihn in der Notaufnahme erblickte. Seufzend lief er auf mich zu und schüttelte den Kopf. "Ich habe gerade zehn Patienten für tot erklärt."
"Tut mir leid", sagte ich und legte meine Hand auf seine Schulter.
"Ist schon gut", erwiderte er. "Was war bei dir heute los?"
"Schädelfraktion, eine Frühchengeburt und eine zerfetzte Bauchdecke, bei deren Transplantation ich dabei sein darf!"
"Nicht dein Ernst!", sagte George erstaunt. "Sloan?"
Ich nickte.
"Der Kerl lässt doch sonst niemanden in seinen OP, vor allem keine Anfänger", fügte George hinzu.
"Tja, Georgie. Vielleicht denkt er, dass ich Potenzial habe!"
"Oder er will dich ins Bett bekommen", gab George zurück, worauf ich ihm einen Klaps auf den Arm verpasste. "Komm schon, Kate. Wir wissen alle, dass er mit fast allen Schwestern auf der Station geschlafen hat."
"Naja, das zwischen mir und Sloan wird nicht passieren", versprach ich.
"Da sind sie ja!", hörte ich Bailey sagen, die mit Meredith, Cristina, Izzie und Alex auf uns zukam. "Ihr habt heute alle sehr gute Arbeit geleistet. Und das sage ich normalerweise nie, also genießt es, solange es anhält. Die Arbeit für heute ist noch lange nicht erledigt. Stevens, Sie gehen nach Hause, Sie sehen garnicht gut aus. Thompson, Sie gehen ebenfalls, um sich für die große OP morgen auszuschlafen. Alle anderen haben heute Nachtschicht."
Dr. Bailey wurde zu einem Notfall gerufen und ließ uns zurück.
"Auf dem Plan stand, dass du bei Sloans Bauchdecken-Transplantation dabei bist", sagte Cristina. "Ich würde töten für so eine Operation!"
"Manchmal jagst du mir wirklich Angst ein", sagte George.
"Ach, kommt schon! Das wird eine revolutionäre Operation. Eine erfolgreiche Transplantation gab es erst ein Mal! Es werden Kameras da sein, die Gallerie wird überfüllt sein und du wirst in allen Fachzeitschriften mit Sloan erwähnt werden!"
"Wenn du es so sagst, klingt es schon ziemlich cool", gab ich zu.
"Falls Sloan noch eine Assistentin braucht, nenn meinen Namen. Ich würde auch ein Jahr lang deine Berichte schreiben!"
"Verlockendes Angebot."

Nachdem ich mich umgezogen hatte, ging ich zum Eingang der Notaufnahme, wo Izzie schon auf einer Bank saß.
"Hey", sagte ich und setzte mich zu ihr. "Alles in Ordnung?"
"Nein, eigentlich nicht", erwiderte sie. "Ich muss dir etwas sagen und ich sage es dir, weil ich das Gefühl habe, du bist eine kompetente Ärztin und kannst ein Geheimnis für dich behalten."
"Worum geht's?", hakte ich nach.
"Ich habe Halluzinationen. Schon seit Wochen. Und jetzt habe ich Bluttests machen lassen. Ich habe ein metastatisches Melanom im vierten Stadium."
Ihre Worte ließen das Blut in meinen Adern stillstehen. "Izzie..."
"Laut meiner Onkologin liegt meine Überlebenschance bei 5%", sagte sie und blickte mich mit Tränen in den Augen an. "Ich habe jetzt die Wahl. Aufgeben oder kämpfen. Bei einer Überlebenschance von 5%, lohnt es sich da überhaupt zu kämpfen?"
Ich atmete tief ein, bevor ich mit zittriger Stimme antwortete. "Natürlich lohnt es sich, Iz. Das sind nur Zahlen. Fünf Prozent. Menschen sterben an den gewöhnlichsten Dingen, selbst wenn die Überlebenschance bei ganzen 100% liegt. Diese 5% sollten dich nicht einschüchtern. Wir finden einen Weg. Und ich weiß, dass es schwierig wird, aber ich will, dass du kämpfst. Du musst einfach überleben. Und das wirst du. Manchmal verlieren wir, aber wir gewinnen auch. Ich lasse nicht zu, dass du jetzt einfach aufgibst. Du bist keine Person, die einfach aufgibt. Du bist eine Kämpferin, Izzie. Und du kannst das überleben. Ich helfe dir dabei. Wir schaffen das gemeinsam. Ich bitte dich nur, zu kämpfen."
"Okay", erwiderte sie. "Es gibt da nur eine Sache, um die ich dich bitte."
Ich nickte und sah sie erwartungsvoll an.
"Niemand erfährt davon. Nicht George oder Meredith, vor allem nicht Alex. Wir erzählen es niemandem, zumindest nicht, bis wir einen Plan haben. Versprich mir einfach, dass du es niemandem erzählst."
"Ich verspreche es."

Been Here All Along [Alex Karev | Deutsch]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt