Kapitel 2

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Rush

Es ist wahrscheinlich schon Mittag, als es von draußen gegen die Tür hämmert. Ich habe Mühe, die Augen zu öffnen und schließe sie sofort wieder, weil das Sonnenlicht, das durch das kleine Fenster neben meiner Schlafkoje reinscheint, mich fast blind macht. »Verflucht«, knurre ich und reibe mir die schmerzenden Augen. Aber das bringt nicht viel, hinter meinen Schläfen pocht es noch viel schlimmer. Ich kämpfe mich hoch, dabei stoße ich die fast leere Flasche Bourbon von meinem Bett und sie landet mit lautem Getöse auf dem Boden, was mir mein Kopf mit einem protestierenden Stich in mein Hirn dankt. Mein Mund fühlt sich ganz trocken und klebrig an. Ich schlucke schwer, reibe noch einmal meine Augen und öffne sie.

»Was ist los?«

»Ich brauch frische Klamotten. Willst du da drin noch viel länger mit dir allein sein?«

»Hau ab, Harper«, entgegne ich so laut, dass es in meinem Schädel immer und immer wieder nachhallt.

»Mach schon auf, Mann. Die Chick hat mich vollgekotzt.«

Ich verziehe das Gesicht, Tristan wird sich schon selbst bekotzt haben. Wäre nicht das erste Mal. Die ganze Karre wird wieder stinken wie ein Stall. Ich lasse mich langsam aus dem Bett gleiten und öffne noch immer nicht richtig wach die Tür.

»Wird auch mal Zeit.« Tristan schiebt sich an mir vorbei und nimmt keine Rücksicht darauf, dass ich noch nicht nach Kotze stinke.

»Pass auf«, keife ich ihn an, schnappe mir frische Sachen und flüchte aus der Schlafkabine in die Dusche davor. Ich muss grinsen, als ich die Tür abschließe. Der Erste im Bad zu sein bedeutet, dass das warme Wasser ganz allein mir gehören wird. Tristan wird sich den Gestank unter der kalten Dusche vom Körper spülen müssen. Die Vorstellung hebt meine Laune erheblich.

Ich stelle die Dusche an, als Tristan draußen vor der Tür beginnt, lauthals zu fluchen, dann ziehe ich mich langsam aus und stelle mich unter den Wasserstrahl. Hier drin ist es verdammt eng und wenn ich fertig bin, wird das halbe Bad unter Wasser stehen. Wenn wir es uns irgendwie leisten können, nehmen wir uns manchmal ein Hotelzimmer, nur um mal richtig duschen oder baden zu können. Drei Kerle und hin und wieder auch einmal paar Weiber sind zu viel für diese kleine Kabine.

Ich verteile ordentlich Seife auf meinem Körper und in meinen langen dunkelbraunen Haaren, aber irgendwie habe ich das Gefühl, es riecht hier noch immer nach Kotze. Ich werde den Geruch wohl wieder den halben Tag nicht aus der Nase bekommen, obwohl er gar nicht da ist. Das Bad und die Folgen der Sauferei werde ich ganz bestimmt nicht vermissen. Vielleicht werde ich nicht einmal die Jungs vermissen.

Wenn man vier Jahre täglich auf engstem Raum verbracht hat, dann gibt es kein Geheimnis mehr, das man vor dem anderen verbergen kann. Es wird schön sein, mal wieder so etwas wie ein Privatleben haben zu dürfen.

Doch vorher muss ich erstmal mit den Jungs reden. Tristan und John lieben, was wir hier machen. Wahrscheinlich werden sie mich gemeinschaftlich umbringen. Zumindest werde ich wohl ein paar blaue Flecken davontragen. Ich spüle den Schaum aus meinen Haaren, stelle die Dusche ab und starre in den Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Er ist beschlagen, also wische ich mit der Hand darüber und starre in ein erschöpftes Gesicht mit dunklen Augenringen, die nicht so richtig zu den grasgrünen Augen passen wollen, die viel lebendiger wirken als der Rest meines Gesichts.

Ich greife nach meinem Handtuch und reibe über meinen Oberkörper, auf dem es nur eine handgroße Stelle gibt, die nicht tätowiert worden ist. Die über meinem Herzen. Mark hat aus meinem Oberkörper ein Gesamtkunstwerk gemacht, aber an diese Stelle habe ich ihn nicht gelassen. Ich weiß nicht einmal wirklich, warum. Obwohl die einzelnen Motive völlig unterschiedlich sind, hat er sie miteinander verwoben und sie so zu einem einzigen Bild verflochten. Der Mann ist ein Meister.

Ein Rockstar zum VerliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt