Kapitel 22

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Mila

Ich weiß nicht, warum es mich so stört, aber der Garten vor dem Haus sieht einfach nur schrecklich aus. Der Rasen ist viel zu hoch und die Blumenbeete kaum noch als solche zu erkennen. Der Vorgarten sieht so schlimm aus, wie er nach fünf Jahren nur aussehen kann. Ich hätte mich nicht darangemacht, die Beete von Unkraut zu befreien, wenn der Anblick unseres Vorgartens im Vergleich zu den anderen auf der Straße nicht so beschämend wäre. Aber jetzt, wo ich dabei bin, etwas Ordnung in das Chaos zu bringen und die Frühlingssonne über mir vom blauen Himmel strahlt, gefällt mir die Arbeit besser, als ich gedacht hatte. Und sie lenkt mich von den Dingen ab, die mir in den letzten Tagen durch den Kopf gegangen sind.

Ich habe an Rick gedacht und meinen Vater, der noch immer wütend auf mich ist, weil ich nicht mehr seine Assistentin bin. Er hat sich zu sehr daran gewöhnt, mich um sich zu haben und es ist schwer, jemand ganz Neues anzulernen. Und ich habe mich gefragt, was Rick jetzt macht und ob er wirklich glaubt, dass unsere Trennung nur eine Pause ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mich nach dem, was ich getan habe, noch haben will. Aber am häufigsten habe ich an Julian denken müssen, egal wie sehr ich versucht habe, es nicht zu tun. So oft, bis ich halb wahnsinnig geworden bin. Eigentlich wollte ich Josh dabei helfen, aus den ehemaligen Büros unserer Eltern sein Studio zu machen, aber vorhin sind zwei seiner alten Footballteammitglieder gekommen, um ihm zu helfen, also stand ich nur im Weg. Mir blieb nur der Vorgarten. Und danach vielleicht noch der hinter dem Haus, die Garage, der Dachboden ... Es gibt genug Beschäftigung für mich.

Im Radio läuft Hello von Adele, ich singe leise mit, genieße das warme Gefühl der Sonne in meinem Nacken und fühle mich eigentlich zum ersten Mal seit Tagen wieder rundum zufrieden. Durch das offene Fenster über meinem Kopf drängt das Gelächter der Männer, die Mutters Büro leerräumen und die schweren Möbel in einen Transporter laden, um sie in einen Second-Hand-Shop nach Seattle zu bringen.

Heute Morgen hat ein Lieferwagen eine Liege und ein paar andere Dinge für das Behandlungszimmer gebracht. Vaters Büro möchte Josh so lassen, wie es ist und weiter als Büro für all seine Unterlagen benutzen. Dass unsere Eltern Josh freie Hand lassen, zeigt, dass sie nicht vorhaben, dieses Haus irgendwann noch einmal zu benutzen. Sie führen ihre Scheinehe lieber in Seattle weiter, wo mittlerweile eigentlich schon jeder weiß, dass ihre Ehe nur noch auf dem Papier existiert, weil unser Vater sich keine Mühe mehr damit macht, seine Affären zu verheimlichen.

»Hallo Mila!«

Ich zucke erschrocken zusammen und drehe mich zu der Stimme um. Hinter mir steht Mrs. Rush und lächelt auf mich herunter. In ihren Armen trägt sie eine Holzstiege mit Blumentöpfen.

»Mrs. Rush«, sage ich erstaunt, stehe auf, ziehe einen der Handschuhe aus und gebe ihr die Hand.

Sie lacht. »Vielleicht nimmst du mir das erst ab. Ich dachte, du könntest die vielleicht gebrauchen. Und nenn mich Josie, wir sind doch alte Bekannte.«

Ich nehme ihr die Blumen ab, stelle sie auf den Boden vor dem Beet an dem ich gerade arbeite und reiche ihr die Hand. »Danke, Josie.«

»Brauchst du meine Hilfe?« Sie bindet sich die langen dunkelblonden Haare zurück und kniet sich vor das Beet, ohne auf meine Antwort zu warten.

Ich hätte eigentlich gerne nein gesagt, denn sie ist Julians Mutter und das allein bringt mich ganz durcheinander und lässt mein Herz rasen, aber ich möchte sie auch nicht enttäuschen, denn sie fängt sofort an mit einem Lächeln zu arbeiten und Julian hat mir mal erzählt, dass sie die Gartenarbeit liebt, also knie ich mich neben sie und arbeite weiter.

»Wie kommt es, dass du wieder hier bist?«, will sie wissen.

»Ich bin nur hier, um Josh zu helfen«, sage ich und versuche, sie möglichst nicht anzusehen, damit sie nicht mitbekommt, wie nervös mich ihre Nähe macht. Hat sie noch oft Kontakt mit Julian? Wenn ja, hat er ihr erzählt, dass wir uns getroffen haben? Weiß sie, was wir getan haben? Wird sie ihm erzählen, dass ich hier bin? Wird es ihn überhaupt interessieren? Merkt sie, dass ich kaum Luft bekomme vor Panik?

Ein Rockstar zum VerliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt