Kapitel 3

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Damals

Mila

Die Highschool besteht aus nur einem Hauptgebäude und der Sporthalle. Das sagt viel über die Anzahl der Schüler und die Größe der Kleinstadt aus. Es ist ein rotbraunes Flachgebäude mit drei Etagen. Über dem Eingang steht in Großbuchstaben RIVERSIDE HIGH. Ich biege auf den überfüllten Parkplatz ein und suche nach einem Platz, wo ich den Audi abstellen kann, der unter all den Kleinwagen und älteren Modellen hier sofort sämtliche Blicke auf sich zieht.

Ich hätte wohl darauf bestehen sollen, dass meine Eltern mir ein Auto kaufen, das besser zu Riverside passt als ein nur ein Jahr altes Audi A1 Coupé. Ich mag dieses Auto, das Josh und ich uns eigentlich teilen, aber ich hasse es, wenn ich irgendwo im Mittelpunkt stehe. Und in Riverside ziehe ich mit diesem Auto alle Aufmerksamkeit auf mich. Ich möchte am liebsten den Kopf zwischen meinen Beinen verstecken, während ich langsam über den Parkplatz fahre und mich all diese Blicke neugierig und abfällig verfolgen. Das hier ist so weit von meiner alten Schule entfernt, wie es nur sein kann. Wie wunderbar es ist, auf eine Privatschule zu gehen, fällt mir erst jetzt auf, wo ich nicht mehr auf eine gehen werde. Ich weiß schon jetzt, dass ich hier nicht her passe.

Endlich finde ich einen leeren Parkplatz. Den einzigen überhaupt. Aber er ist nicht wirklich leer, denn auf ihm steht eine Gruppe Schüler - Mädchen und Jungen, aber die Mädchen sind in der Überzahl - und alle sehen mich an, als hätte ich irgendeine Krankheit. Habe ich wohl auch, sie heißt Audi A1. Mein Bruder Josh hat das wohl einzig Richtige getan, er ist gelaufen. Das hätte ich wohl auch tun sollen. Aber ich wusste ja nicht, dass ein Audi auf diesem Parkplatz so herausstechen würde wie ein leuchtend pinkes Kleid auf einem Schwarz-Weiß-Ball. Ich presse die Lippen aufeinander und biege auf den Parkplatz ein, was mir noch mehr entsetzte Blicke einbringt, aber zumindest weicht die Gruppe auf den Parkplatz daneben aus, auf dem nur ein Motorrad steht.

Auf dem Motorrad sitzt ein Junge, wahrscheinlich viel eher ein Mann, denn er ist mindestens schon achtzehn, hat einen sportlichen Körper von etwa 1,80 Metern und ist über und über mit bunten Tattoos übersät. Ausgerechnet der eine Teenager, den ich in Riverside schon kennenlernen durfte und der jetzt ein Flattern in meinem Magen verursacht, als er mich neugierig aus diesen moosgrünen Augen ansieht. Kennengelernt ist auch zu viel des Guten, ich habe ihn angeschmachtet, während er auf einer Bühne stand und eine gefühlvolle Rockballade über das schwere Leben eines Teenagers in einer Kleinstadt gesungen hat.

Ich weiß nicht, wie er heißt, aber dass er es ist, der hier auf seinem Motorrad sitzt, umgeben von etwa sieben Mitschülern, fünf davon Mädchen, beweist, dass nicht nur ich glaube, er hätte ein großes Talent und dazu auch noch gut aussieht mit diesen wilden dunkelbraunen Haaren, die an Schokolade erinnern und ihm fast bis ans Kinn reichen und ihm tief in die Stirn fallen. Ich möchte ein Seufzen ausstoßen, so anziehend sieht er aus, obwohl ich bisher nicht einmal wusste, dass ich Tattoos überhaupt anziehend finde. Bisher haben sie mich eher abgestoßen. Vielleicht ist es das ganze komplette Rockstar-Bad-Boy-Image, das ein Kribbeln in mir wie in jedem anderen Mädchen ausgelöst hat, das schmachtend vor seiner Bühne stand und ihm am Wochenende zugehört hat.

Als wir am Samstag in Riverside angekommen sind, waren mein Bruder und ich in dieser kleinen Bar an der Hauptstraße, von der unsere neuen Nachbarn behauptet haben, dass es dort das beste Essen in der ganzen Stadt gibt, um etwas für das Dinner zu besorgen, da unser Geschirr noch in irgendwelchen Kartons versteckt war. Schon bevor wir die kleine Bar betreten hatten, habe ich diesen Song gehört, der so etwas Kräftiges und Düsteres hatte. Aber als ich die Tür geöffnet und reingegangen bin, hat mich der Klang seiner Stimme sofort eingenommen. Er stand auf dieser kleinen Bühne, halb vom Dunkel der Bar verschlungen, und er hat mit so viel Leidenschaft gesungen, dass jeder im Raum völlig gebannt von ihm war. Ich auch. Ich habe noch nie zuvor jemanden mit so viel Liebe und Emotion singen gehört wie ihn. Er hat jede einzelne Note gelebt. Seine Stimme war wie Elektrizität auf meiner Haut. Ihn auf dieser Bühne zu sehen, hat etwas mit mir angestellt. Ich glaube, ich war sofort gefangen von dem, was man den Rockstarzauber nennen könnte. Dieses Gefühl, das jedes Mädchen überkommt, wenn sie einen Typen mit einer Gitarre, lässigen Klamotten, Tattoos, einer wilden Frisur und einer Megastimme sieht. Ein Gefühl, das sich tief in ihrem Körper in etwas aufregend Unanständiges verwandelt.

Ein Rockstar zum VerliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt