Kapitel 5

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Mila

»Kann ich nicht bei Mel wohnen?«, frage ich meine Mutter zornig. Sie sitzt hinter ihrem Schreibtisch auf den Monitor ihres Computers konzentriert und runzelt ebenso zornig die Stirn. Aufgebracht bläst sie ihre Atemluft nach oben unter ihren blonden Fransenpony und sieht mich wütend an. Mel wäre wirklich die perfekte Lösung. Sie ist die beste Freundin meiner Mutter und ich verstehe mich prima mit ihr. Ich könnte weiter auf die Halsten gehen. Ich habe das Thema natürlich immer wieder vor unserem Umzug angesprochen, aber jetzt ist es mir noch ernster damit. Nach einer Woche habe ich mich noch immer nicht hier eingelebt.

»Kannst du nicht.«

Ich verschränke die Arme vor der Brust und bin kein bisschen bereit, mich geschlagen zu geben. »Du hast ja keine Ahnung wie sie mich ansehen, als wäre ich von einem anderen Planeten.«

»Dann ignorier sie, das kannst du doch sonst auch so gut.« Sie meint sich selbst, denn die meiste Zeit sind meine Mutter und ich keine Freundinnen, was daran liegt, dass ich nicht verstehe, weswegen meine Eltern an einer Ehe festhalten, die keine mehr ist und uns alle damit quälen. Und der Umzug ist auch schuld.

»So wie du einfach alles?«, entrüste ich mich.

Sie sieht zu mir auf. »Es würde dir bestimmt nicht schaden, wenn du dich einfach mehr bemühen würdest, Freunde zu finden.«

»Es gibt hier nur eine einzige Kanzlei, wusstet ihr das? Ich kann also im letzten Jahr kein Praktikum machen. Das sieht nicht gut aus in meiner Akte«, werfe ich ihr vor.

Meine Mutter verengt die Augen zu Schlitzen. »Du weißt, dass wir das tun mussten, um deinen Bruder aus noch mehr Ärger rauszuhalten.«

Ich bin so frustriert, dass ich ihr am liebsten an den Kopf werfen möchte, dass das schwierig werden könnte, wenn er sich mit Leuten wie Julian Rush herumdrückt. Aber ein Teil von mir - nennen wir es Gewissen - hält mich davon zurück, eine solche Anschuldigung gegen Julian vorzubringen. Er ist vielleicht nicht besonders nett, aber bisher habe ich keinen Grund zu glauben, er wäre auch nur annähernd wie mein Bruder. Josh hat nicht nur Drogen genommen, er hat sie auch verkauft.

»Ich will einfach nicht mehr so hervorstechen«, sage ich jetzt leiser. Natürlich bin ich wütend auf meinen Bruder, aber er ist mein Bruder. Auf keinen Fall will ich, dass er noch weiter abrutscht. Für ihn war die Entscheidung unserer Eltern die richtige Entscheidung. Auch wenn ich manchmal glaube, dass dieser Umzug viel weniger mit Josh als mit der Ehe meiner Eltern zu tun hat. Besonders meine Mutter wollte weg aus Seattle, bevor eine ihrer High Society-Freundinnen mitbekommt, wie es um ihre Ehe steht. Ich glaube, sie schämt sich für Vaters Affären und dafür, dass sie sich dazu getrieben gefühlt hat, den Schmerz auf dieselbe Weise abzuschütteln, indem sie etwas mit ihrem Assistenten angefangen hat.

»Darf ich am Wochenende zu Mel?«

»Nein«, dröhnt die dunkle Stimme meines Vaters hinter meinem Rücken. Ich drehe mich um und mein Herz macht tatsächlich einen Satz. Macht es immer, wenn ich unerwartet meinem Vater gegenüberstehe. Er ist streng, herrschsüchtig, ein Tyrann und trotzdem bewundere ich ihn. Ihn umgibt diese furchteinflößende Aura, die mir schon als kleines Kind so viel Angst eingejagt hat, dass ich ihm immer aus dem Weg gegangen bin. Heute weiß ich, dass diese Aura ihn zu dem gefürchteten Anwalt macht, der er ist.

Ich straffe die Schultern und sehe den großen, breitschultrigen Mann Ende vierzig an, der immer hart und unnachgiebig aussieht.

»Dann such ich mir einen Job.«

Hier zu Hause halte ich es einfach nicht länger als nötig aus, was an meiner Mutter liegt. Sie ist eine Eiskönigin, die niemals lächelt und immer ernst ist. Man weiß nie, wie man bei ihr dran ist, und das verstört mich schon mein Leben lang, dass sie nie Gefühle zeigt.

Ein Rockstar zum VerliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt