Kapitel 18

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Heute

Rush

Ich blinzle genervt gegen das Scheinwerferlicht an. Jemand sollte den Leuten vom Club sagen, dass es schlecht eingestellt ist. Ich sehe absolut gar nichts von dem, was sich vor der Bühne abspielt. Nach einer knappen dreiviertel Stunde hier oben auf der Bühne, habe ich das Gefühl, das Licht ätzt mir die Hornhaut von den Augen. Noch ein Song, dann habe ich es hinter mir. Selbst während ich hier oben stehe, kann ich nur noch daran denken, endlich nach Hause zu kommen, den Geruch der Bar einzuatmen, die Mainstreet mit ihren bunten Häusern zu sehen, sogar auf den Anblick des hässlichen roten Backsteingebäudes, das früher einmal unsere Schule war, freue ich mich.

Wenn ich heute daran zurückdenke, dass ich damals, als ich aus dem Knast kam, nur raus wollte aus Riverside, dann kann ich mich nur noch fragen, warum ich so scharf darauf war, das hier zu tun, was uns kaum über Wasser hält. Bei John verstehe ich es, es sind die Weiber und die Partys. Er hat sich nie verändert. Tristan hofft auf die große Karriere, vielleicht einen Emmy. Und ich, ich wollte damals einfach nur weg von all den Erinnerungen an Mila.

Was merkwürdig war, denn Riverside hat Mila nur für wenige Monate begleitet. Und doch habe ich in allem eine Verbindung gesehen und der Schmerz war einfach viel mehr, als ich ertragen konnte. Damals war es mir noch nicht so klar wie heute. Aber heute weiß ich, dass ich gerne Musik gemacht habe, aber nicht auf diese Weise, wie wir es jetzt tun. Sondern so wie damals in der Bar meiner Mutter. Die Tour war für mich nur eine Chance darauf, den Erinnerungen und Gefühlen zu entkommen. Das alles ist jetzt lange her und ich bin lange über Mila hinweg. Also kann ich jetzt nach Hause. Endlich.

Ich singe die letzten Noten mit geschlossenen Lidern, um meinen Augen die Chance zu geben, sich zu erholen, bevor die Mädchen uns gleich wegen Autogrammen, Fotos und Angeboten zum Sex bestürmen. Ich will nicht halb blind meine Unterschrift auf irgendetwas setzen.

Mit ein paar knappen Worten beende ich unseren Gig, vor der Bühne drängen sich schon kreischende Mädchen und endlich wird das Bühnenlicht gedämpft und die Musikanlage des Clubs übernimmt. Ich stelle meine Gitarre in den Ständer und steige von der Bühne, kaum mit beiden Füßen unten angekommen, werde ich umringt. Mir werden Autogrammkarten, Notizbücher, sogar Klamotten entgegengehalten, die ich signieren soll. Zwischen dem Schreiben halte ich mal hier und mal da mein Gesicht in eine Handykamera und wechsle ein paar Worte.

Links von mir strahlt John bis über beide Ohren. Er fischt sich immer ein paar Mädchen aus dem Publikum, mit denen er mehr als nur Autogramme und Selfies austauscht. Er zieht sich gerade eine dieser Auserwählten an seinen Körper, küsst ihren Hals und leckt über ihren Nacken. Dann sehe ich, wie er ihr etwas ins Ohr flüstert. Bestimmt hat er sie zu einer kleinen Privatfeier in den Bus eingeladen. Sie reißt die Augen auf und grinst über das ganze Gesicht, dann nickt sie begeistert. Ich wende mich ab und signiere weiter, dann fällt mein Blick auf ein Chick mit braunen, nicht ganz schulterlangen Haaren. Sie sieht mich mit verschrecktem Blick an, sitzt direkt am Tisch neben der Bühne. Ich reiche das Notizbuch zurück, in das ich eben geschrieben habe und gehe näher auf den Tisch zu. Sie beißt sich auf die Unterlippe und weicht meinem Blick für den Bruchteil einer Sekunde nervös aus.

Sie ist es? Oder? Ihre Haare sind kürzer, das Braun etwas heller, aber diese Augen würde ich jederzeit wiedererkennen: eisblau. Ein Mädchen drängt sich an mich und hält mir einen BH hin, mit der Bitte, ihn zu signieren. Ich tue es, ohne darauf zu achten, dann bleibe ich neben dem Tisch stehen und mein Herz hämmert so laut, dass ich nur von ihren Lippen ablesen kann, dass sie meinen Namen sagt.

»Mila?«, frage ich fassungslos. Sie steht auf und kommt aus der Sitzecke hervor und stellt sich direkt vor mich. Sie sieht zu mir auf, sie war schon immer deutlich kleiner als ich. Aber fuck, sie sieht unglaublich aus. Wann hat sie angefangen solche Kleider zu tragen? Ich kann jede Kurve genau sehen. Und sie hat Wahnsinnskurven bekommen. Ich erinnere mich noch genau, wie es sich angefühlt hat, sie zu berühren. Und jetzt, nicht ganz sechs Jahre später, muss das Vergnügen noch größer sein.

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