#14 Verstörend und Vergesslich

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,,Ich habe hier eine Liste von sechs möglichen Verdächtigen", sagte Sherlock und wedelte mit einem gelblichen Zettel herum.
,,Oh, er ist wieder da." Rose stuppste den Doctor an, der darauf von seiner Arbeit aufschaute.
,,Nur sechs?", fragte er dann. ,,Aber im Jahr 2018 gibt es bereits 71 Verdächtige, die alle auf Das Profil des Rippers passen würden."
,,Habe schon 65 überprüft", antwortete Sherlock überheblich.
,,Natürlich haben Sie das."
,,Ja, habe ich."
,,Ja."

Darauf schauten sich die drei eine Weile schweigend an.
,,Also", begann Sherlock dann wieder. ,,Wir beginnen mit Aaron Kosminski. Er führt 2018 die Liste der Haupverdächtigen an."
,,Wie finden wir ihn?", fragte Rose.
,,Müssen wir gar nicht mehr. Ich habe ihn bereits ausfindig gemacht. Er ist zur Zeit in seiner kleinen Wohnung im Osten der Stadt."
,,Und wofür brauchen Sie uns?", fragte der Doctor interessiert.
,,Sie werden schon sehen", antwortete Sherlock. ,,Wir brauchen eine Kutsche."

____

Wenig später hielten die drei vor einem kleinen Mehrfamilienhaus und stiegen aus der Kutsche aus. ,,Kosminski wohnt in der zweiten Etage", erklärte Sherlock schlicht und ging auch schon auf die Einganstür zu. Er öffnete sie einfach und lief die schmale Holztreppe nach oben. Bei jedem Schritt knarrte sie immer bedrohlicher.

Als sie endlich oben waren, klopfte der Doctor an einer sehr kleinen, hölzernen Tür. Kurz darauf ertönte von drinnen ein ,,Herein."

Die beiden Männer mussten sich ducken, um durch die Tür zu kommen, Rose passte gerade so durch.
,,Guten Tag Mr. Kosminski, ich habe Ihnen vor kurzem ein Telegramm zukommen lassen."
,,Sherlock Holmes, richtig?", fragte der kleine polnische Mann, der an seinem Schreibtisch saß. Er drehte sich herum und stand auf, um dem Doctor und Sherlock die Hand zu geben. Er sah noch sehr jung aus., vielleicht gerade dreiundzwanzig.

Rose fühlte sich etwas benachteiligt, aber sie wusste, dass die Frauenrechte zu dieser Zeit praktisch kaum existierten, also nahm sie es so hin.
,,Was kann ich für Sie tun, meine Herren?"
,,Wir haben uns gefragt, ob Sie Ihre Schwester vor kurzem gesehen haben", sagte Sherlock selbstsicher.
,,Ja, sie hat mich letzten Freitag und das Wochenende besucht. Ist ihr etwas passiert?", fragte Kosminski ängstlich.
,,Keine Sorge", antwortete der Doctor. ,,Wir hatten bedenken, dass Ihre Schwester in einen kleineren Delikt verwickelt war, aber Sie haben gerade die letzten Zweifel beseitigt. Ihre Schwester ist unschuldig."
,,Da bin ich aber froh." Kosminski atmete erleichtert auf.
,,Ach, eine Frage noch", sagte Sherlock, während die drei schon auf dem Weg zum Ausgang waren. ,,Haben Sie jemals etwas von ihrem Barbiersalon gestohlen?"
Kosminski schaute etwas nervös nach links auf den Boden und antwortete dann: ,,Natürlich nicht."
,,Sollten Sie auch nicht", lächelte Sherlock gespielt. ,,Auf Wiedersehen."

,,Warten Sie!", rief Ihnen Kosminski hinterher. ,,Wie ist es da so?"
,,Ich fürchte, ich verstehe nicht", antwortete der Doctor.
,,In der Zukunft. Wie ist es in der Zukunft?", fragte er.
,,Wir sollten jetzt gehen", antwortete der Doctor und sprach damit genau das aus, was Rose dachte.
,,Bitte", flehte Kosminski.
,,Tun Sie es für meine Mutter." Er deutete auf die Tür, die auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges war.

Die vier betraten den Raum, Kosminski vorran. Er setzte sich auf die Kante eines ordentlich gemachtes Bettes und starrte auf das Kopfkissen, das eine merkwürdige Form besaß. ,,Sie wird bald sterben", erklärte er.
,,Wer?", fragte Rose unsicher.
,,Meine Mutter", antwortete Kosminski verständnislos. Dabei deutete er erneut auf das Kopfkissen. ,,Aber Doctor...", flüsterte Rose schockiert. ,,Da... Da liegt niemand im Bett."

,,Wie müssen jetzt wirklich gehen", versuchte der Doctor die Situation zu retten, doch Kosminski stand auf und fasste Rose am Arm, was sie verzweifelt einen kleinen Schrei loslassen ließ.
,,Lassen Sie sie los", sagte Sherlock bedrohlich.
,,Sagen Sie mir zuerst etwas über die Zukunft."
,,Wir wissen nichts über die Zukunft", erwiederte Rose.
,,Sie lügen!", schrie Kosminski auf einmal.
,,Lassen Sie sie JETZT sofort gehen!", schrie Sherlock zurück, diesmal mit einer Waffe in der Hand.
,,Was zum...", doch der Doctor konnte nicht weitersprechen, denn er wurde von Kosminski unterbrochen: ,,Schon gut."
Er ließ Rose los und sie, der Doctor und Sherlock verließen sofort das Haus.
,,Sie haben sie damit getötet!", schrie ihnen Kosminski weinend hinterher.

,,Ihn können wir ausschließen", stellte Sherlock fest.
,,DAS war verstörend", erwiderte Rose.
,,Er könnte lügen", überlegte der Doctor.
,,Nein, er hat eine sehr verräterische Geste gemacht, als er gelogen hat." Sherlock ahmte dabei Kosminskis Blick nach unten nach.
,,Er könnte sich nachts rausgeschlichen haben", schlug der Doctor vor.
,,Nicht möglich. Man hätte ihn gehört und mein Gespräch mit seiner Schwester zufolge, war sie das ganze Wochenende bei ihm, Tag und Nacht."
Rose schaute die beiden entgeistert an. ,,Ist das Ihr Ernst?", fragte sie wütend. ,,Dieser Mann... Er ist verrückt! Er sieht seine tote Mutter!"
,,In drei Jahren wird er in eine Irrenanstalt eingeliefert werden", erklärte Sherlock nüchtern.
,,Und das hielten Sie nicht für nötig uns zu sagen."
,,Ich nahm an, sowas gehört zum Allgemeinwissen."
,,Am Anfang, kam er mir noch so normal vor", seufzte Rose.

____

,,Der nächste Verdächtige auf meiner Liste ist Robert Mann. Er arbeitet in einem Leichenschauhaus in der Old Montegue Street."
,,Nett", kommentierte Rose sarkastisch. Sherlock antwortete darauf nicht und hob nur seinen Arm, als würde er ein Taxi herwinken wollen, dieses Taxi war allerdings eine Kutsche. Sie stiegen ein und der Doctor sagte dem Kutscher wo die drei hin wollten.

____

,,Guten Abend Mr. Mann." Der Doctor gab ihm freundlich die Hand, während sich Sherlock eher für einen gerade obduzierten Leichnam interessierte.
,,Äh... Entschuldigung? Sie dürfen kein Blut eines Mordopfers mitnehmen", stotterte Mr. Mann.
,,Er wird es nicht mehr brauchen", erwiderte Sherlock und machte selenruhig damit weiter, Blut in ein kleines Reagenzglas zu schütten.
Mr. Mann war etwas überfordert und nahm es so hin, aber er wirkte sehr angespannt und gestresst. Er hustete kurz, als Sherlock zu ihm zurück kam und sein soeben erhaltenes Mitbringsel in seiner Manteltasche verstaute.

,,Mr. Mann, Sie haben die Leiche von Mary Ann Nichols gesehen und obduziert. Würden Sie uns ihre Testergebnisse zeigen?", fragte Sherlock gespielt freundlich.
,,Das darf ich nicht. Wer sind Sie überhaupt?", fragte Mann etwas verwirrt.
,,Ich bin Sherlock Holmes - Consulting Detective und meine Begleiter hier, sind Mr. Smith vom Scotland Yard und Mrs. Tyler."
Der Doctor hielt demonstrativ sein gedankenmanipulierendes Papier in die Höhe und damit gab sich Mr. Mann zufrieden.
,,Nur damit das klar ist: Sie und das Yard übernehmen die Verantwortung, wenn hiervon etwas nicht legal sein sollte", fügte Mr. Mann trotzdem noch hinzu.
,,In Ordnung", antwortete der Doctor und schaute sich gemeinsam mit Rose in der Leichenhalle um.

,,Also am Morgen des 31. August wurde ich von der Polizei zu einer Leiche in der Leichenhalle gerufen. Ich bin um fünf Uhr angekommen und blieb dort, bis die Leiche hineingebracht wurde. Danach habe ich die Türen zugeschlossen und bin zum Frühstück gegangen", erklärte Mann, während er mit seinen Augen die beiden Schnüffler verfolgte.
,,Reden Sie weiter", wies Sherlock an und fasste ihn an der Schulter, damit er wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte.
,,Ja... Später bin ich mit James Hatfield, einem Laboranten, in die Leichenhalle zurück gekommen und wir haben die Leiche auszogen. Danach haben wir Ärger bekommen, weil wir angeblich eine Anweisung bekommen hätten, den Körper nicht zu berühren, aber ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern."

Mann hustete wieder. ,,Hab mir wohl was eingefangen", erklärte er mit einem müden Lächeln.

Er erklärte weiter: ,,Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass Inspektor Joseph Helson anwesend war. Die Kleidung des Opfers war jedenfalls weder zerrissen noch zerschnitten, ich weiß aber nicht mehr, wo das Blut war." Er schaute bedrückt auf den Boden.
,,Mr. Hatfield musste auf jeden Fall die Kleidung abschneiden, um sie abzunehmen."
,,Sie können sich an ziemlich wenig erinnern", stellte der Doctor fest.
,,Das liegt leider in der Familie", antwortete Mann beschämt.

WHOLOCK | 𝕵𝖆𝖈𝖐 𝖙𝖍𝖊 𝕽𝖎𝖕𝖕𝖊𝖗 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt