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Ein leichter Wind wirbelte einige Blätter auf und spielte mit ihnen, bevor sie einige Meter weiter wieder auf den Waldboden sanken. Doch das Kaninchen saß ganz still, das sanfte Licht, welches durch die eng stehenden Bäume leuchtete, spiegelten sich in seinen kleinen dunklen Augen wieder, als es sich streckte und an einem Grashalm zupfte.

Sie selbst drückte einen Ast beiseite, sorgsam, keinen der kleinen Zweige abzubrechen,  das Tier nicht aufzuschrecken. Ihre Füße schwebten über den unebenen Untergrund, alle ihrer Muskeln angespannt, während sie geräuschlos über den Waldboden lief. Jeder einzelne Schritt tastend, fokussiert. Hinter einem Fels fand sie Sichtschutz, sie betastete das Moos und den Stein, den Blick immer noch auf das Kaninchen gerichtet. 

Sie streichte sich das Haar hinter die Schulter, nahm den Bogen und zog behutsam einen Pfeil hervor. Ganz langsam legte sie ihn an und spannte die Sehne. 

Erst als der Pfeil durch die Luft schnellte, spitzte das Kaninchen die Löffel und sie meinte fast, es sähe sie genau an, tief in ihr inneres, durch sie hindurch. Als kenne es alle ihre Geheimnisse. Doch schon im nächsten Moment fiel das Tier ohne einen Schrei zu Boden. 

Mit nur einem langen Schritt stand sie neben ihm, die Flanken des Tieren hoben und senkten sich panisch. Sie zog den Pfeil aus seiner Lende, dankte den Göttern, und gab dem Tier den Gnadenstoß. Sein Blut sickerte langsam in den Erdboden, mischte weitere Rot und Brauntöne zum Laub.

Behutsam strich sie über das weiche Fell und spürte, wie die letzte Wärme aus dem Körper wich. Sie zog ein Stück Seil hervor und band es um die Hinterläufe. 

Sie duckte sich unter den Bäumen hindurch zu den Sträuchern, hinter denen sie ihr Pferd versteckt hatte. "Braves Mädchen", sie klopfte der Stute den Hals, die ihre Nüstern bei dem Geruch des frischen Blutes weit blähte. Mit schnellen Handgriffen band das Kaninchen an ihren Sattel und stieg auf.

Sie nahm die Zügel in die Hand, drehte, und gab der Stute den Schenkel. Schon bald donnerte der rhythmische Dreitakt ihres Galopps durch den Wald, der stechende Geruch nach dem Schweiß des Tieres mischte sich mit dem Eisernen des Blutes , welches das weiße Fell der Stute rot färbte. 

Als der Wald sich lichtete, verriet ihr ein Blick in Richtung des Horizonts, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die Sonne ganz verschwunden war und so trieb sie ihre Stute erneut in den Galopp, bis kurz vor die Mauern der Stadt.  Die Tritte des Pferdes auf der gemauerten Straße hallten von den Wänden der Häuser wieder, die meisten Bewohner waren schon in ihrem Zuhause, doch die wenigen, die ihr auf der Straße entgegenkamen, senkten ihren Blick und gingen ihr aus dem Weg. Sie zog ihren Mantel enger um sich und streifte sich die Kapuze über den Kopf, um ihr langes, weißes Haar zu verdecken.

An einer Straßenecke saß ein kleiner hagerer Junge, zusammengekauert, doch er sah sie direkt an, als sie auf ihn zu ritt. Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. Sie hielt an und stieg ab. 

"Komm her.", sie streckte dem Kleinen ihre Hand entgegen, der sich nervös umsah. "Na los."

Er stand auf und lief zu ihr. Sie nahm ein Messer und schnitt das Seil an ihrem Sattel in einem Zug durch. Sie nahm das Kaninchen und hielt es dem Jungen entgegen. Er sah sie mit großen Augen an. 

"Für dich."

Als er sich noch nicht rührte, ging sie einen Schritt auf ihm zu und drückte es ihm in die Hand.

"Na nimm schon. Und jetzt lauf, lauf nach Hause zu deiner Mutter." Sie strich ihm durch das dunkle Haar und er sah sie mit einem strahlenden Lächeln an, bevor er davon rannte, das Kaninchen fest in der Hand.

Sie sah ihm noch kurz hinterher, bevor sie sich wieder in den Sattel schwang und sich fragte, ob der Junge wohl ein Zuhause hatte. Oder eine Mutter. 

Der Weg zum Schloss war steil und wandte sich immer weiter in den Berg hinein, auf dem es erbaut worden war. Es thronte über der Stadt, als wolle es sie verhöhnen. Seht, wie weit ich über euch stehe, für mich seid ihr alle so klein, so klein als seid ihr nur Spielzeug. Der unbedeutende Hintergrund, der Schatten vom Glanz des Schlosses, das so hoch über euch allen erstrahlt.

Aber das Schloss war auch einsam, wie es alleine auf der Bergspitze stand, umgeben von nichts als hartem Stein und kaltem Nebel. 

Als sie durch die Tore ritt, standen die Wächter gerade, zeigten in stummen Gehorsam ihren Respekt. Sie wirkten fast gespenstisch, wie leere Hüllen ohne Leben in sich, ihre flackernden Schatten fielen auf den Boden und bewegten sich fast mehr als sie selbst. 

Vor den Stallungen stieg sie ab, lehnte ihre Stirn gegen die des Pferdes und strich mit ihren Fingern durch die Mähne des Tieres. Ein Diener kam so leise gelaufen, dass sie ihn fast nicht gehört hatte. 

"Bring sie in den Stall, sattel sie ab, tränke und füttere sie gut. Leg ihr eine Decke auf, solange ihr Fell nicht vollständig getrocknet ist." Sie drückte ihm die Zügel in die Hand.

"Jawohl, Mylady.", er nahm sie und führt die Stute in den Stall.

Sie selbst wandte sich zum Schloss und betrat die Gemäuer, die sie Heimat nannte. Ihre Schritte schienen die einzigen Geräusche zu sein, von allen Seiten her hallten sie wieder. So schnell wie möglich versuchte sie, in ihr Zimmer zu gelangen, doch aus dem nächsten Schatten trat Nicolas hervor, ein Berater ihrer Mutter.

"Prinzessin. Ihr seid spät." Mit den Arme hinter seinem Rücken verschränkt, stand er in seiner vollen Größe vor ihr im Gang.

Sie strich sich die Kapuze vom Kopf und versuchte, zu lächeln , "Es wäre mir fast nicht aufgefallen. Danke." 

Nicolas blickte auf sie herab. "Ihre Mutter erwartet sie zum Essen. Lassen Sie sie nicht länger warten."

"Ich werde mich beeilen. Wenn ihr mich nun entschuldigen würdet." Sie ging dirket auf ihn zu, sodass er ihr ein Stück ausweichen musste, um sie passieren zu lassen. 

Sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt, ihre Nägel schnitten in ihre Handinnenfläche, und sie entspannte erst wieder, als sie ihre Tür hinter sich geschlossen hatte. Erst legte sie ihren Mantel ab, dann wusch sie sich das Blut von den Händen und aus dem Gesicht, bevor sie ein Kleid aus dem Schrank nahm und sich die Haare in einen lockeren Zopf flocht. 

Barfuß huschte sie über die dunkeln Gänge, die Steine kalt unter ihren Füßen, die Luft kalt auf ihrer Haut und in ihren Lungen. Sie atmete tief ein, bevor sie die große Tür zum Speisesaal aufstieß. Ihre Mutter saß bereits auf einem weich gepolsterten Stuhl an dem Kopfende des langen Tisches, an dem insgesamt bis zu 10 Personen Platz fanden. Für sie selbst war am anderen Ende des Tisches eingedeckt.

Die Haut und die Haare ihrer Mutter waren genauso hell wie ihre, doch unter den Augen der Königen lagen dunkle Schatten, ihr Gesicht war schmal und eingefallen.

"Meine Tochter, wie schön, dass du mir doch noch zum Abendessen Gesellschaft leistet.", der Ton ihrer Stimme so kalt wie ihre eisblauen Augen.

Schweigend ließ sie sich am Tisch nieder und blickte auf, als sie merkte, dass der Blick ihrer Mutter auf ihr lag, "Entschuldigung."

"Entschuldige dich nicht, Kind. Du bist doch mein Ein und Alles."

Das Klirren des Geschirrs war das Einzige, dass im Raum zu hören war. Sie kaute auf einem Stück kalten Fleisch und ließ es langsam ihre Kehle herunterrutschen.

"Was hielt dich solange auf?"

"Ich war im Wald."

"Hast du wieder geträumt?"

"Ich habe gejagt."

"Gejagt? Was hast du denn erlegt?"

"Nichts."

"Nichts? Dann warst du wohl auch nicht auf der Jagd."

"Ich konnte nur Kaninchen aufstöbern."

"Und die sind zu schnell für dich?"

"Zu klein."

"Man berichtet mir, du seist eine gute Schützin."

"Ich bin keine gute Schützin, ich bin eine hervorragende Schützin. Kaninchen sind eine zu kleine Beute. Es lohnt sich nicht."

Ihre Mutter lächelte kalt, "Du hast doch von mir gelernt."


A Tale of Destiny and Doom (BBC MERLIN Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt