[23.05.2011 - D10 - Untot]

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Savanne, strahlende Sonne, Hitzeflimmern und eine Horde Zombies. Gab es etwas, das im Kopf eines US-Amerikaners klischeehafter „Afrika" sagte?Pakhet rannte. Das Ganze lief so gar nicht, wie sie es erwartet hatte. Verflucht, ihr Auftragsgeber hätte sie verdammt nochmal vor den Zombies warnen können. Aber das war ihm wahrscheinlich entfallen. Fuck.In alten Filmen waren Zombies langsam gewesen, hatten sich in Zeitlupe bewegt, doch wenn man sich reale Untote ansah, musste man feststellen, dass neue Filme weit näher an der Realität waren. Die meisten Leute, die sich in Zombies verwandeln ließen, taten dies, zum einen, um dem Tod durch Krankkeit zu entkommen, zum anderen aber auch, um stärker, schneller, fitter zu werden. Reale Zombies wurden erschaffen und entstanden nicht durch Bisse oder irgendwelchen illegalen Laboren entkommenen Viren.Dabei war sie nicht einmal sicher, ob diese Zombies real waren oder teil der Taschendimension, in der sie waren.Sie sah hinter sich. Die Horde Untoter – fünfzehn oder sechzehn von ihnen – war hinter ihr zurückgefallen. Allerdings traf dasselbe auch für Heidenstein zu.Heidenstein hatte sie begleitet, als sie den Auftrag bekommen hatte. Sie hätte wissen sollen, dass es schief gehen würde. Sie korrigierte sich. Sie hätte es nicht wissen können. Heidenstein war ein akzeptabler Kämpfer, ein guter Schütze und dachte taktisch. Sie hatte nicht gewusst, dass die Hälfte des Auftrags umfassen würde, von Zombies fortzulaufen.Was nun?Sie setzte über einen Busch hinweg – es gab hier keine Wege – und blickte wieder über ihre Schulter. „Doc!", rief sie.Die Zombies waren nur knapp fünf Meter von ihm entfernt.Sie selbst hatte etwas mehr als fünfzehn Meter Vorsprung.Verdammt, sie mussten bloß aus der Taschendimension herauskommen, dann wären sie in Sicherheit. Es war schwer zu schätzen, wie weit sie vom Ausgang entfernt waren. Vielleicht noch fünfzig Meter, vielleicht hundert.Sie lief weiter, konnte jedoch nicht anders, als sich wieder umzudrehen, um nach Heidenstein zu sehen. Er fiel weiter zurück. Verdammt.Was konnte sie tun?Sie wollte sich sicher nicht im Kampf mit fünfzehn Zombies anlegen. Das war Selbstmord. Vor allem, da Zombies gegen diverse Wunden unempfindlich waren. Sie spürten keinen Schmerz.Also. Was?Sie hatte einen Notfallplan, auch wenn nicht garantiert war, dass dieser in einer Taschendimension funktionierte. Aber hatte sie eine Wahl?Sie wechselte ihre Pistole in die Hand ihrer Prothese und griff an die Seite ihres Gürtels. Zwar mochte sie keine Granaten, doch waren sie oftmals eine gute Methode, um sich den Rücken freizuhalten. Sie waren unschön. Sie hatten oftmals unbeabsichtigte Nebenwirkung. Im Moment hatte sie keine Wahl.Kurz schloss sie die Augen, um den Plan genauer zu fassen. Wenn sie die Granate knapp hinter die Zombies warf, konnte sie – hoffentlich – den Zombies genug Schaden zufügen, um sie zumindest zu verlangsamen und Heidenstein zu retten. Sie musste es probieren. Die Chancen waren zumindest besser, als würde sie allein mit nur einer Pistole gegen fünfzehn Untote antreten.Mit den Zähnen zog sie den Sicherungsbolzen der Granate, die klein genug war, um in die Innenfläche ihrer Hand zu passen. Aus der Laufbewegung heraus drehte sie sich, schleuderte die kleine Kugel. „Doc, spring!", rief sie und verfolgte mit den Augen die Flugbahn der Granate.Erkenntnis zeigte sich in Heidensteins Gesicht, dann Schreck. Er versuchte zu springen, schaffte es aber nicht. Nicht weit genug zumindest.Die Granate landete, zog die Aufmerksamkeit von zumindest drei Zombies auf sich, die innehielten. Die Granate war zwischen ihnen gelandet, nicht hinter ihnen.Verdammt.Pakhet setzte zur Drehung an, um weiterzulaufen, als der Knall der Explosion erklang. Die Druckwelle fegte an ihr vorbei, trug vereinzeltes Schrapnell mit sich – nicht genug, um sie zu ernsthaft verletzen. Ihre Lederjacke schützte sie. Anders jedoch sah es mit Heidenstein aus. Er war zu nah gewesen. Die Druckwelle riss ihn zu Boden. „Doc!", rief sie und hielt inne. Sie sollte weiterlaufen, verdammt! Sie musste weiterlaufen!Die Explosion hatte acht der Zombies zerfetzt – wortwörtlich. Die Granate hatte die vier, die ihr am nächsten gewesen waren, in Stücke gerissen. Vier andere hatten ebenfalls schweren Schaden erlitten, lagen blutend am Boden, rührten sich nicht. Die anderen sieben waren auseinandergestoben. Drei von ihnen hatten Schrapnell abbekommen, schienen angeschlagen, verwirrt, und für den Moment gingen alle sieben in Deckung zwischen den trockenen Büschen und Bäumen der Savanne. Nur Heidenstein rührte sich nicht.Fuck. Hatte sie ihn getötet?Sie sollte weiterlaufen. Sie wusste es. Der gold-rote Stein, wegen dem sie überhaupt hergekommen waren, lag schwer in ihrer Tasche. Irgendein magisches Artefakt. Pakhet konnte nicht sagen, was seine Aufgabe war. Alles, was sie wusste, war, dass der Auftraggeber es hatte haben wollen, bereit war, viel Geld dafür zu zahlen. Und, dass das letzte Team, das versucht hatte, es zu holen, nicht zurückgekommen war. Sie hatten ihre Überreste gesehen.Sie sollte mit dem Ding verschwinden, solange sie konnte, oder sie würde auch als ein paar abgefressene Knochen in einer magisch erschaffenen Savanne enden. Also warum verdammt nochmal lief sie nicht? Warum machte sie einen Schritt in die andere Richtung.Sie konnte Heidenstein nicht einfach zurücklassen. Wahrscheinlich war er tot, doch vielleicht  ... Er konnte überlebt haben. Sie musste es sicherstellen.War sie wahnsinnig geworden?!Wahrscheinlich. Sie setzte den anderen Fuß, wurde schneller, hatte Heidenstein in wenigen Schritten erreicht und hockte sich neben ihn.Sie warf den Zombies einen raschen Blick zu. Soweit schienen sie verunsichert. Ja, da wo die eine Granate hergekommen war, könnten noch mehrere sein. Gut. Sollten sie sich fürchten.„Doc", flüsterte Pakhet.Er war Blut überströmt. Es war schwer zu sagen, warum genau, doch hatte er deutliche Verletzungen am Rücken. Deutlich genug, als dass das Blut auf seiner leicht gepanzerten Jacke glänzte. Er stöhnte.Also war er nicht tot.Gut.„Verdammter Idiot", seufzte sie und steckte ihre Waffe weg „Warum kannst du nicht springen, wenn man es dir sagt?" Sie redete Unsinn. Sie war erleichtert.Kurz überlegte sie, auf einen der Zombies zu schießen, tat es aber nicht. Stattdessen steckte sie die Waffe weg und drehte Heidenstein in die Seitenlage. Dann hievte sie ihn hoch, warf ihn sich über die Schulter – froh, die nötige Stärke zu haben – und entlockte ihm damit ein schmerzerfülltes Stöhnen.Darauf konnte sie für den Moment keine Rücksicht nehmen. Wie sagte man? Erstes: Das Opfer aus der Gefahrenzone bringen. Die verdammte Taschendimension war eine einzige Gefahrenzone!Mühsam kämpfte Joanne sich auf die Beine und stolperte einen Schritt zurück, ehe sie das Gleichgewicht fand. Noch einmal verlagerte sie Heidensteins Gewicht, ehe sie ihre zweite Granate vom Gürtel fischte.Während sie die ersten schnellen Schritte machte, entfernte sie den Pin, legte einen Hebel um. Er gab ihr fünf Sekunden, Abstand zu gewinnen.Damit ließ sie die Granate fallen und beschleunigte ihren Schritt.Rennen konnte sie nicht, mit Heidenstein auf den Schultern. Er war für seine Größe erstaunlich leicht, wog dennoch mindestens achtzig Kilo, was selbst mit Militärtraining und magischer Stärke nahe an ihrem Maximum lag. Weit würde sie ihn so nicht tragen können. Doch weit musste sie nicht. Nur bis zum Ausgang – jenem kleinen Loch, das wie ein Fenster in der Luft schimmerte und sie nach Kapstadt zurückführen würde.Sie waren noch immer in Kapstadt. Sie waren von einem alten Tunnel in den Flats hierhergekommen. Die Dimension war wahrscheinlich von einem Hexendoktor erschaffen worden oder einem Moti. Die Explosion erklang, zusammen mit dem kreischenden Schreckensschrei von einigen der Zombies.Dann Stille, die auf ihre Ohren drückte. Da hinten war es. Der ovalförmige Ausgang hing aus dieser Perspektive beinahe schwarz in der Luft, war der Tunnel dahinter doch dunkel, verglichen mit dem hier herrschenden gleißenden Licht.Sie würde es schaffen. Sie würde  ...Das Geräusch von schnellen, nackten Füßen auf staubig trockenem Boden erklang. Also hatten zwei oder drei von ihnen trotz allem beschlossen, dass sie beide eine zu vielversprechende Mahlzeit waren. Oder sie versuchten, den verdammten Stein zurückzuholen.Es war auch egal. Pakhet besaß so etwas wie Ehre. Sie würde den Stein nicht zurücklassen. Es war schlimm genug, dass sie die Mission riskiert hatte, um Heidenstein zu retten.Sie beschleunigte ihren Schritt. Mit Heidenstein auf der Schulter konnte sie nicht schießen. Sie musste den Ausgang erreichen. Und dann  ... Ob die Viecher ihr würden folgen können? Sie konnte nur hoffen, dass es nicht der Fall war.Es waren vielleicht noch dreißig Meter.Instinktiv wusste sie, dass der erste Zombie sie fast erreicht hatte. Was konnte sie tun? Nicht viel, außer herum zu fahren und ihrem Instinkt folgend ihren stahlkappenbesetzten Schuh gegen seine Brust zu kicken. Sie warf den Zombie damit zurück, doch der nächste war knapp dahinter. Wieso musste alles so schiefgehen?„Lass mich runter", meinte Heidenstein schwach.„Ja, sicher", knurrte sie, verlagerte sein Gewicht erneut und fummelte ihre Waffe ungeschickt aus dem Holster. Sie schoss auf den Zombie. Einmal. Zwei Mal. Drei Mal. Vier Mal. Kurz hintereinander. Sie war aktuell nicht besonders genau. Dennoch traf eine Kugel den Untoten in den Hals.Dahinter kamen zwei weitere, für die weder Zeit, noch Munition hatte. Wenn sie sich nicht verzählt hatte, wäre ihr Magazin mit drei weiteren Schüssen leer.Also sammelte sie ihre Energie ein letztes Mal und sprintete, sich dem Geräusch der nackten Zombiefüße hinter ihr deutlich bewusst.Noch fünfundzwanzig Meter, noch zwanzig, zehn, acht, fünf  ...Etwas griff nach ihrem Fuß, brachte sie beinahe zum Fall, doch sie trat nach hinten aus, riss sich los und schoss blind. Lief weiter.Noch drei Meter. Zwei. Sie sprang. Das Oval schwebte knapp einen halben Meter über den Boden und als sie es passierte, fühlte es sich an, als würde sie versuchen, in eine zähflüssige Substanz einzudringen. Sie merkte, wie eine unsichtbare Haut gegen sie sträubte – die magische Barriere der Dimension – schließlich aber nachgab und sie durchließ.Sie fiel und landete zusammen mit Heidenstein unsanft auf dem dreckigen Tunnelboden hinter dem Portal.Sie waren zurück in der physischen Welt, wo es nach feuchter Erde, Schimmel und Pisse roch. Mühsam richtete sie sich wieder auf – gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie einer der Zombies ihnen springend folgte.Instinktiv hob Pakhet die Waffe und feuerte ihre letzten zwei Schüsse ab. Einer davon bohrte sich in die Stirn des Zombies, warf ihn zurück. Jenseits des Portals landete er auf dem trockenen Savannenboden.Für einen Moment verschnaubte sie, dann wandte sie sich Heidenstein zu, wollte ihn aufheben, nur um überrascht festzustellen, dass er sich selbst aufgerappelt hatte.Schwach krabbelte er zum Portal hinüber, richtete sich dort – an die rötliche Tunnelwand gestützt – auf und streckte eine Hand aus.Pakhet ging zu ihm, packte ihn bei der Schulter. „Was zur Hölle machst du?" Jenseits des Portals waren weitere Zombies. Sie konnte sie sehen.„Das Portal schließen", keuchte er. Schweiß stand auf seiner Stirn. „Lass mich. Bitte."„Verdammter Idiot!", rief sie aus und wollte ihn zurückreißen. Dann aber hielt sie inne. Sie wusste, dass es das richtige zu tun war. Wenn er noch die Kraft hatte.Ein Zittern lief durch Heidensteins Körper. Fast dachte sie, dass er es nicht schaffen würde, doch dann begannen die Ränder des Ovals zu verschwimmen, ehe das Portal in sich zusammenfiel. Es war Dunkel im Tunnel, nun, da magische Licht der falschen Savanne fehlte. So hörte Pakhet nur ein Stöhnen, gefolgt von dem dumpfen Aufschlag, des in sich zusammensackenden Heidensteins.

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