[23.08.2011 - J01 - Macho]

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Die meisten Leute in der Bar waren Touristen. Die meisten von ihnen – aber nicht alle – hellhäutig. Viele tranken, feierten.

Der Club war in erster Linie eine Bar, die mit kleinen Tischen gefüllt war. Es gab Separés, die allerdings zum Raum hin offen war. Plastikpflanzen hingen an den Wänden. Man hatte versucht eine Dschungelatmosphäre herzustellen. Hinter der Bar hing ein kitschiges Bild, dass eine von Tieren gefüllte Savanne zeigte.

Pakhet hatte gesagt, dass sie Jack an der Bar treffen würde. Also bewegte sie sich an die Theke, wo dankbarerweise Plätze frei waren. Wieder trug sie die mehr oder minder synthetische Prothese, inklusive des Rings, der die Illusion verstärkte. Sie wollte nicht angesprochen werden.

Sie trug eine einfache, enge Jeans und eine dunkle, undurchsichtige Bluse, die auch ihre Lederweste verbarg. Diese drückte gegen ihre Wunden, doch bevorzugte sie den Schmerz gegenüber weiteren Wunden, sollte das hier ein Hinterhalt werden.

Sie hatte eine auffällige rote Handtasche dabei. Das Erkennungsmerkmal, dass sie Jack genannt hatte.

„Was kann ich für Sie bringen, meine Dame?", meinte ein vielleicht dreißigjähriger, blonder Barmann mit einem Gesicht, das ohne seinen Bart wohl kindlich ausgesehen hätte.

Pakhet zögerte. Alkohol war eine dumme Idee, doch es würde sie weniger auffällig wirken lassen. „Whiskey."

„Sehr gern", er lächelte. „Warten sie auf jemanden?"

„Nein", erwiderte sie. Sie hatte keine Lust darauf, eine Geschichte zu erfinden, mit wem sie sich warum traf. Außerdem wusste sie noch immer nicht, ob es eine Falle war.

Während der Barmann den Whiskey – einen Aberlour – in ein entsprechendes Glas füllte, beobachtete sie ihn. Sie wollte nicht riskieren, dass ihr etwas untergemischt wurde.

Danach wartete sie. Halb wünschte sie sich, sie hätte Heidenstein mitgenommen, doch der Gedanke war albern. Sie konnte sich nicht von ihm abhängig machen. Verdammt, sie war bisher auch immer so klar gekommen. Dennoch. Die Ereignisse vom Vortag hatten ihre Spur hinterlassen. Es war selten, dass sie so in Bedrängnis geriet. Es war selten, dass sie so überrascht wurde.

Die Zeit verging. Links hinter ihr feierte eine Gruppe junger Männer etwas. Vielleicht war es ein Junggesellenabschied, vielleicht waren sie auch einfach nur Studenten. Sie konnte es nicht sagen, doch immer wenn besonders laute Ausrufe folgten, zuckte sie zusammen.

Verdammt. Sie durften nicht so schreckhaft sein.

Jemand setzte sich neben sie. „Sind sie alleine hier?" Es war ein Mann mit einem deutlichen Akzent, den sie nicht einordnen konnte. So, wie er die Rs rollte, war der Akzent vielleicht nur aufgesetzt.

Wären die vergangenen Tage nicht gewesen, wäre sie vielleicht darauf eingegangen. Immerhin konnte sie Ablenkung gebrauchen. Doch mit ihrer Sorge wegen den Dingen, die Michael ihr gesagt hatte, wegen den Dingen, die sie gesehen hatte und nicht zuletzt wegen ihrer Wunden, sah sie den Mann kühl an.

Er war noch jung. Vielleicht Mitte Zwanzig. Seine Haut hatte einen sehr gleichmäßigen, dunklen Braunton. Seine Züge wirkten arabisch, vielleicht persisch, dafür aber erstaunlich fein. Er hatte ein hübsches, jugendliches Gesicht mit ebener Haut. Sie konnte keinen Bartansatz erkennen, nicht einmal einen Schatten. Sein Haar war pechschwarz und fein, seine Augenfarbe schien dunkelbraun zu sein, auch wenn seine Augen im Licht der Barbeleuchtung leicht goldlich zu glimmen schienen.

Dem feinen Hemd, das er trug und das eine Mischung von Eleganz und Gelassenheit ausstrahlte, nach, hatte sie es mit einem Aufreißer zu tun. Das letzte, was sie jetzt brauchte.

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