Zwölf Minuten später kam Pakhet die Treppe zum zweiten Stock hinauf. Zumindest hatte sie jetzt Kaffee. Murphy hatte ihr eine kurze Nachricht geschrieben und sie steuerte den Besprechungsraum 2.12 gezielt an. Sie war zugegebenermaßen neugierig, was es für ein Auftrag war, den Smith als Murphys erste eigene Mission auserkoren hatte.
Smith scherte sich um den Jungen, da war sie sicher. Smith war weicher, aber vor allem ehrlicher als Michael. Für ihn waren die „Angestellten" mehr als Werkzeuge, auch wenn er professionelle Distanz bewahrte.
Im Besprechungsraum fand sie Murphy allein sitzend. Wie schon zuvor trug er ein Hemd und saß mit selbstzufriedenem Grinsen an dem Tisch. Er kam nicht umher seine Position immer ein wenig zu ändern, um eindrucksvoller zu wirken.
„Pass auf, dass du nicht aus dem Stuhl fällst, Junge", meinte sie.
Murphy grinste. „Ach was." Sein Grinsen wurde noch breiter. Gleich würde ihm der Kiefer abfallen. „Willkommen in meinem Team."
„Hey, ich habe noch nicht gesagt, dass ich mitmache." Sie setzte sich auf einem Stuhl, verschränkte die Arme. „Sprich, Junge."
„Ganz businesslike, eh?" Er räusperte sich. „Gefällt mir." Er sah auf ein paar Unterlagen, die vor ihm lagen. „Also. Ich habe von Smith den Auftrag bekommen, Informationen über die Stormers, die Eagles und die Southern Kings zu finden. Also speziell über ihre Finanzen."
„Rugby?", schloss Pakhet. Sie verfolgte die örtliche Rugby-Liga nicht, kannte aber die Namen der Teams.
„Genau. Rugby."
„Es geht also darum, herauszufinden, ob es irgendwelche Bestechungen gibt", schloss Pakhet. Warum sonst Finanzen? Meistens ging es um Geldwäsche oder Bestechungen. Das wiederum bedeutete, dass ihr Auftraggeber entweder jemand aus der Liga war oder die chronisch unterfinanzierte Polizei.
„Wahrscheinlich", bestätigte Murphy.
„Hast du schon irgendwelche Pläne, Silberzunge?" Es amüsierte sie, wie nervös er wirkte. Meistens überspielte der Junge dergleichen. Vielleicht versuchte er auch, dadurch einen Beschützerinstinkt bei ihr zu provozieren.
Er räusperte sich. „Ja. Habe ich. Habe ich tatsächlich." Er lächelte. „Ähm."
„Ähm?", echote sie, um ihn zu ärgern.
„Also, na ja, Smith hat angemerkt, dass es am Samstag in der Uni-Arena Qualifizierungsspiele gibt."
Murphy leckte sich über die Lippen. „Na ja. Ich dachte wir gehen dahin, schmuggeln uns rein, weißt du. Da werden Leute von allen wichtigen Teams da sein und wenn wir einen Hacker dabei haben ..."
„Das heißt, du willst sozusagen Backstage."
Das passte zu dem Jungen. Das war seine Art zu denken. Doch wusste sie auch, dass es zwei Arten gab Backstage zu kommen – und beide hatten Vor- und Nachteile.
Murphy nickte. „Ja, das war mein Plan. Wenn wir das richtig machen, haben wir gleich die Sachen von allen drei Teams."
„Gesetzt dem Fall, dass von allen Teams Leute da sind und dass diese irgendeinen Zugang zu den Informationen bei sich haben." Schließlich waren die Teams nicht alle drei lokal.
„Gesetzt dem Fall." Murphy sah sie erwartungsvoll an.
„Was?"
„Wie würdest du das angehen?"
Sie lachte amüsiert auf. Der Junge war also unsicher und wollte sie deswegen haben. Beruhigend zu wissen. Immerhin war sie so nicht sein Bodyguard.
Sie überlegte. Sie hatte wenig mit Sport zu tun, wusste nicht viel über diese Auswahlverfahren. Allerdings kannte sie übliche Taktiken, sich in Veranstaltungen reinzuschmuggeln. Der Klassiker war natürlich, die Putzcrew zu stellen. Auch Veranstalter wussten, dass es der Klassiker war, weshalb es selten so gut funktionierte, wie in den Filmen. Außerdem hasste sie es, die Putzcrew zu sein.
Sie holte ihr Handy heraus, suchte nach den Spielen. Denn sie hatte eine Vermutung: In den USA oder UK gab es ähnliche Veranstaltungen. Dort kamen Spieler oft von Sportcolleges und wurden bei entsprechenden College-Spielen gecastet. Allerdings waren sie nicht in den USA oder den UK. Sie waren in Südafrika und hier kam es öfter vor, dass die Talentscouts in anderen Gebieten suchten.
Sie brauchte fünf Minuten, ehe sie fand, wonach sie suchte: Anmeldeinformationen für Scouts.
Wunderbar.
Sie lächelte. „Ich glaube, wir werden Scouts sein, die bei den Auswahlspielen ihre neue Entdeckung präsentieren wollen."
Murphy verschränkte die Arme, dachte darüber nach, nickte dann. „Okay. Klingt gut. Weiter?"
„Wir brauchen einen Hacker dabei." Eventuell mussten sie nicht hacken, doch sie brauchten jemand, der sich mit Gomputern auskannte. „Und ich brauche den Doc."
„Und wer ist unser Schützling?", fragte Murphy.
Pakhet grinste. Sie wusste, dass Murphy die Aussicht nicht mögen würde. „Oh, ich kenne jemanden, der zumindest einen Eindruck hinterlassen wird."
Er musterte sie fragend, bis der Groschen endlich fiel. „Du meinst ..." Er schüttelte den Kopf. „Wir haben hier so viele andere, glaubst du nicht, dass es besser wäre ..."
„Murphy. Wenn du das hier einmal professionell machen willst, musst du auch mit Leuten zusammenarbeiten, die du nicht leiden kannst."
Murphy verschränkte die Arme wieder, schmollte. „Wieso ich? Es ist er, der mich nicht leiden kann."
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Mosaik
Fantasy[Urban Fantasy Thriller | Weibliche Protagonistin | LGBTQ Content | Südafrika] Joanne. Pakhet. Vor sieben Jahren gab sie ihren alten Namen, ihr altes Leben auf, zog nach Südafrika, wurde zur Söldnerin. Seither ist ihre Welt verrückter, ihr Leben jed...